Unsicheren Zeiten? Warum Gold als Krisenwährung gilt
5. Oktober 2020Gold ist wertstabil, sicher und eine echte Alternative zu Aktien und Anleihen. Ist das so? Warum es neben emotionalen Aspekten ebenso sehr rationale Gründe gibt, die dafür sprechen, ein Goldinvestment genauer unter die Lupe zu nehmen.
Gold nimmt einen besonderen Platz in der Wahrnehmung von Anlegern ein. Zum einen steht es für Wertstabilität und repräsentiert einen sicheren Hafen in Zeiten großer Unsicherheit und zum anderen ist es eine alternative Anlage, abseits üblicher Assetklassen wie Aktien und Anleihen. Und es adressiert eine der tief sitzenden deutschen Ängste: die der Inflation, wenn nicht gar der Hyperinflation. Neben diesen emotionalen Aspekten gibt es ebenso sehr rationale Gründe, die dafür sprechen, ein Goldinvestment genauer unter die Lupe zu nehmen.
„This time is different“
ist ein Slogan der in der Vergangenheit zu zweifelhafter Prominenz gelangt ist. Dabei wird zynisch auf die Gelassenheit von Fachleuten verwiesen, die im Vorfeld großer Verwerfungen der Wirtschaft und des Kapitalmarktes den Glauben an weitere Kurssteigerungen vor die sich abzeichnenden Risiken gestellt haben. Die nicht glaubten, dass auf eine Phase des expansiven Wachstums und der Prosperität eine Phase der Abkühlung folgt. Dieser Slogan steht wie kein Zweiter für die Naivität von Marktteilnehmern, die mit fester Überzeugung an die fundamental gerechtfertigte Bewertung des Marktes glaubten. Was ist diesmal „different“ und vermag Gold einen möglichen Rückschlag an den Finanzmärkten zu mildern?
Ob Europa oder die USA, kaum ein Aktienindex hat nicht in jüngerer Vergangenheit ein neues Allzeithoch oder einen neuen Jahreshöchststand markiert.
Dasselbe Bild vermittelt der Anleihenmarkt, an dem die Kurse auf Rekordhöhen gestiegen und die Renditen auf immer neue Tiefstände gesunken sind. Auch die Immobilienmärkte haben dies- und jenseits des Atlantiks zum Teil verblüffende Wertentwicklungen verzeichnet. Und selbst alternative Anlageklassen wie Kunst, Oldtimer oder gar Rennpferde befinden sich auf sehr hohen, wenn nicht auf ihren höchsten Bewertungsniveaus. Dies ist ein Alptraum für jeden Value-Investor, der verzweifelt nach attraktiv bewerteten Anlagemöglichkeiten sucht. Doch viel relevanter ist die Frage, ob diese hohen Bewertungen gerechtfertigt sind und wie sie mit der sich abkühlenden Konjunktur oder den aufkommenden Rezessionsängsten zusammenpassen.
Bewertung Gold als Geldanlage: Was ist diesmal „different“?
Nach unserer Beobachtung verhalten sich drei Dinge grundlegend anders als in vergangenen konjunkturellen Zyklen:
- Eine globalisierte Welt: Verflochten wie nie zuvor, so lässt sich der globale Handel dieser Tage charakterisieren. Seit der Aufnahme Chinas in die WTO im Jahr 2001 hat der Welthandel dem Weltwirtschaftswachstum ordentlich Rückenwind verliehen. Umso fragiler zeigt sich der Markt nun gegenüber jüngsten Spannungen in der Handelspolitik der größten Volkswirtschaften. Aufgrund der hochgradigen Verflochtenheit der heimischen Konjunktur mit dem internationalen Geschehen führen außenpolitische Spannungen zu einer größeren Unsicherheit am Kapitalmarkt.
- Keine Inflation: Das vielleicht größte Mysterium der zehn Jahre andauernden Wachstumsphase. „Wir steuern auf japanische Verhältnisse zu“ ist mittlerweile von einigen Ökonomen zu hören. Aber wohin geht all die verfügbare Liquidität? Offenbar nicht in die Warenkörbe, die Volkswirten zur Messung des allgemeinen Preisniveaus dienen.
- Zentralbanken: „Lender of last resort“; um die schlimmsten Folgen vergangener Krisen abzumildern, nehmen Notenbanken heute eine deutlich pro-aktivere Rolle in der Wirtschaftspolitik ein; nicht abwartend, sondern impulssetzend. So wie Keynes nie verstanden werden wollte, erlebt der Keynesianismus seine Auferstehung in der Modern Monetary Theory (MMT), die eine solche Rolle für Zentralbanken vorsieht. Denn diese springt bei Bedarf immer als Finanzierer des Staates ein, da Regierungen unbegrenzt Schulden machen dürfen.
Gold als Anlageinstrument – Die Entwicklung des Goldpreises
Diese drei skizzierten Zusammenhänge betreffen Gold als Anlageinstrument maßgeblich und seine spezielle Rolle, die es für Anleger einnimmt. Fundamentale Einflussfaktoren lassen sich nur schwer greifen, stattdessen ist die Entwicklung des Goldpreises in einem ausgeprägten Maße stimmungsgetrieben. Das liegt vor allem an der Verwendung von Gold.
Lediglich zehn Prozent des geförderten Edelmetalls finden industrielle Verwendung und unterliegen somit einem realwirtschaftlichem Einfluss. Etwa 50 Prozent entfallen auf die Schmuckproduktion.
Der Rest wird von Anlegern und Notenbanken nachgefragt. Ob sich die Förderung lohnt oder nicht, wird vom Spotmarkt determiniert. Hier liegt sowohl die Stärke als auch die Schwäche von Gold. Sein Preis ist nicht verankert als der Beitrag, den es innerhalb einer ökonomischen Wertschöpfungskette leistet, so wie es sich bei anderen Rohstoffen verhält. Der Preis richtet sich nach der Nachfrage und die Nachfrage hängt von einer wesentlichen Eigenschaft ab: Gold ist selten und somit vermeintlich wertstabil.
Aber Vorsicht, es besitzt nur den Wert, den die aggregierte Nachfrage von Investoren dem Edelmetall zuweist. Genau hier liegt der Vorteil des Goldes. In Zeiten ökonomischer Spannungen suchen Anleger nach Alternativen zu einem breiten Markt-Exposure; sie wollen Absicherung und Wertstabilität. Dieses kollektive Fluchtverhalten und die fehlende realwirtschaftliche Bedeutung entkoppeln die Wertentwicklung des Goldes von den realwirtschaftlich getriebenen Märkten. Zudem zeigt Gold eine gleichgerichtete Bewegung zur Inflation und stabilisiert somit die Kaufkraft seiner Investoren. Gold ist von daher ein ideales Diversifikationsinstrument.
Sollten nun Anleger all ihr Kapital in Gold investieren?
Seit Beginn des Jahres ist der Goldpreis um mehr als 20 Prozent angestiegen. Dies stellt ein neues Siebenjahreshoch dar und zieht eine wesentliche Folge nach sich: Marktakteure reden wieder über Gold und das parallel zu lauter werdenden Bedenken, was die konjunkturelle Zukunft für uns bereithält. Der Goldpreis wird eben genau von solchen Dynamiken beflügelt: allgemeine Stimmung, wahrgenommene Unsicherheit, Ratlosigkeit bei der Selektion der Anlageinstrumente. Letzteres gilt übrigens auch für Zentralbanken.
Das Schaffen neuen Geldes finden nämlich nicht, wie so oft illustriert, über das Heißlaufen der Druckerpresse statt, sondern jedem neuen Euro oder Dollar muss eine entsprechende Anlage in ein Wertpapier oder auch Gold in der Bilanz gegengebucht werden. Mit zunehmender Zentralbanknachfrage am Kapitalmarkt geht auch eine Nachfrage nach Gold einher. Auch wenn die relative Größe von Zentralbankgold rückläufig ist, so ist die absolute Zunahme innerhalb der Bilanz ein weiterer treibender Faktor der zunehmenden Goldnachfrage.
Sollten nun Anleger all ihr Kapital in Gold investieren? Nein! Aber als Beimischung ist es aufgrund seiner niedrigen Korrelation zu konventionellen Anlageklassen als Versicherung gegen „Unfälle“ am Kapitalmarkt und aufgrund der zunehmenden Eintrübung der Konjunktur ein Diversifikations-Instrument, das in der Vermögensallokation nicht fehlen sollte.
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