Peking, wir haben ein Problem!

China hat sich in den letzten Jahren zur weltweit zweitgrößten Volkswirtschaft entwickelt. Das reale Bruttoinlandsproduktes hat im vergangenen Jahr, aufgrund der Erholung des Welthandels und einer sich belebenden Inlandskonjunktur, das erste Mal seit langer Zeit rasant zugelegt. Nun erwartet man eine etwas geringere Konjunkturdynamik. Welche Entwicklung steht der Volksrepublik nun bevor und welche Rolle spielen die von Trump eingeführten Strafzölle für China – und für Deutschland?

China: Von einem der ärmsten Länder zur weltweit zweitgrößten Volkswirtschaft

Seit vielen Jahren weist die chinesische Wirtschaft ein außerordentlich starkes Wachstum auf. Mit einer durchschnittlichen Wachstumsrate von 9,5 Prozent, seit dem Jahr 198, gehört das Land zu den wachstumsstärksten Ländern weltweit. Dies ist für sich genommen, keine große Überraschung, denn die Wachstumsmöglichkeiten einer Volkswirtschaft werden maßgeblich durch die Demografie und die Produktivität der eingesetzten Produktionsfaktoren bestimmt. Und mit seinen fast 1,4 Milliarden Menschen ist China immer noch das bevölkerungsreichste Land der Erde. In den vergangenen vierzig Jahren ist China von einem der ärmsten Länder zur weltweit zweitgrößten Volkswirtschaft (gemessen am realen Bruttoinlandsprodukt in US-Dollar) aufgestiegen. In diesem Zeitraum ist das Pro-Kopf-Einkommen so stark angestiegen, dass mehr als 800 Millionen Chinesen die Armutsgrenze hinter sich gelassen haben. Mittlerweile gibt es einige Provinzen, die den Entwicklungsstand der großen Industrieländer erreicht haben. Zusammengerechnet übertrifft die Wirtschaftsleistung dieser wenigen chinesischen Regionen bereits die von Großbritannien.

Entwicklung des BIP in China: Wachstum geht etwas zurück

Nachdem sich die Wachstumsrate des realen Bruttoinlandsproduktes im vergangenen Jahr aufgrund der Erholung des Welthandels und einer sich belebenden Inlandskonjunktur das erste Mal seit 2010 wieder beschleunigte, zeichnet sich für dieses Jahr eine etwas geringere Konjunkturdynamik ab. So wird das chinesische BIP voraussichtlich um 6,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr wachsen (2017: 6,9 Prozent). Dieser Wert würde nur dann nicht erreicht werden, wenn sich das Wirtschaftswachstum im vierten Quartal deutlich abschwächt, wovon wir aber nicht ausgehen.

Für die folgenden beiden Jahre erwartet der IWF Wachstumsraten von jeweils 6,2 Prozent, die sich in den drei darauf folgenden Jahren jeweils um etwa 0,2 Prozentpunkte reduzieren sollen. Unter der Voraussetzung, dass sich die Erwartung einer nur graduellen Wachstumsabschwächung als richtig erweist, könnte China schon im Jahr 2030 die USA als weltgrößte Wirtschaftsnation ablösen.

Steht China eine wirtschaftliche Abschwächung bevor?

Allerdings gibt es bis dahin noch einige Klippen zu umschiffen. So haben sich in jüngster Zeit die Anzeichen dafür verdichtet, dass dem Land eine stärkere wirtschaftliche Abschwächung bevorstehen könnte. Eine etwas geringere Wirtschaftsdynamik ist zwar durchaus (ein)geplant und auch im Interesse der chinesischen Regierung: man möchte den Fokus vom jahrelangen „high-speed growth“ zu einem „high-quality growth“ verschieben.

Von Trump eingeführten Strafzölle könnten chinesisches Wachstum stark beeinträchtigen

Allerdings gibt es eine Reihe von Herausforderungen, die diesen Weg behindern. Vor allem der drohende Handelskrieg mit den USA könnte dazu führen, dass das chinesische Wachstum im nächsten Jahr stärker als erwartet einknickt. Neben den Zöllen auf Stahl und Aluminium, die Anfang März von US-Präsident Trump eingeführt wurden, folgten im Juni weitere Strafzölle in Höhe von 25 Prozent auf chinesische Exporte in die USA mit einem Volumen von 50 Milliarden US-Dollar. Im selben Monat wurden weitere Zölle von zunächst zehn Prozent auf US-Einfuhren aus China mit einem Volumen von 200 Milliarden US-Dollar als Antwort auf chinesische Gegenmaßnahmen beschlossen. Kommt es nicht zu einer Einigung im Handelsstreit, wird dieser Zollsatz Anfang 2019 von zehn auf 25 Prozent erhöht. Zudem könnten auch alle übrigen Exporte von China in die USA (rund 250 Milliarden US-Dollar) mit Zöllen von 25 Prozent belegt werden.

Momentan gegenteiliger Effekt zu beobachten: Zuwächse in vielen Bereichen

Bislang haben die eingeführten Handelsbeschränkungen zu kaum messbaren Effekten geführt. Statt die chinesischen Ausfuhren zu dämpfen, ist bislang sogar ein gegenteiliger Effekt zu beobachten: So sind die gesamten Ausfuhren aus China in den ersten neun Monaten dieses Jahres um fast 14 Prozent angestiegen, das ist der stärkste Zuwachs seit dem Jahr 2011. Noch stärker haben die chinesischen Importe zugenommen, deren Plus beläuft sich auf gut 20 Prozent. Dies führt dazu, dass sich der Überschuss in der chinesischen Außenhandelsbilanz 2018 das dritte Jahr in Folge verringern wird, sodass der Außenhandel einen negativen Effekt auf das Wirtschaftswachstum ausübt. Der negative Wachstumsbeitrag beläuft sich in diesem Jahr auf etwa 0,7 Prozentpunkte. Zum Leidwesen von US-Präsident Trump nimmt der Außenhandelsüberschusses im bilateralen Handel zwischen China und den USA dagegen weiter zu. Denn während sich die Ausfuhren Chinas in die USA in diesem Jahr nochmals deutlich erhöht haben – hierfür dürften Vorzieheffekte eine wichtige Rolle gespielt haben – gilt dies für die Importe aus den USA nicht. Dies hat zur Folge, dass das US-Handelsbilanzdefizit mit China in diesem Jahr einen neuen Rekordwert erreichen wird.

Führt wirtschaftliche Entwicklung von China bald zum Handelskrieg mit den USA?

Dies deutet darauf hin, dass der Druck der US-Regierung, mit China einen „Deal“ im Handelsstreit zu erzielen, hoch bleiben wird. Bewegt sich China nicht in die von den USA gewünschte Richtung, wird der Handelsstreit vermutlich in einen Handelskrieg übergehen. Dann wird es nicht nur bei den bislang in erster Linie psychologischen Effekten für den globalen Handel bleiben, sondern dann muss mit deutlicheren Bremsspuren beim Welthandel und dem globalen Wirtschaftswachstum gerechnet werden.

Die rückläufige Entwicklung bei den Auslandsaufträgen, die sich in dem chinesischen Einkaufsmanagerindex zeigt, gibt bereits einen Vorgeschmack auf das, was mit Chinas Ausfuhren im nächsten Jahr passieren könnte: Statt eines deutlichen Wachstums könnten die Ausfuhren im nächsten Jahr stagnieren oder sogar sinken. Dies war beispielsweise sowohl 2015 als auch 2016 der Fall. Die Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum hängen dann davon ab, wie sich die Importe im kommenden Jahr entwickeln.

Für den Fall, dass diese ebenfalls den Rückwärtsgang einlegen, könnte sich der negative Wachstumsbeitrag des Außenhandels sogar reduzieren, sodass das chinesische Wirtschaftswachstum von dieser Entwicklung, für sich genommen, sogar profitieren würde. Negativ wäre dies aber für die Weltwirtschaft und Chinas wichtigste Handelspartner, zu denen unter anderem auch Deutschland gehört. Denn schwächere Importe würden signalisieren, dass auch der inländische Konsum bzw. die inländischen Investitionen weniger stark wachsen.

Positiv ist allerdings hervorzuheben, dass die chinesische Regierung in den vergangenen Jahren damit begonnen hat, eine Reihe von wichtigen Reformen einzuleiten, die das Risiko einer nachhaltigen konjunkturellen Abschwächung verringern. Dazu gehören

  • ein besseres soziales Sicherungssystem,
  • der Abbau von Markteintrittsbarrieren sowie
  • die Verringerung des Einflusses von Staatsbetrieben und
  • der Einkommensungleichheit, aber auch
  • eine stärkere Fokussierung auf den Umweltschutz, indem die Kapazitäten in der Stahl- und Kohleindustrie reduziert werden.
  • Hinzu kommt, dass China erkannt hat, dass die Verschuldung im Unternehmens- und Haushaltssektor abgebaut werden muss, um dem Risiko einer Finanzkrise zu begegnen.

Gerade letztere Maßnahmen können jedoch kurzfristig das Wachstum bremsen, sodass es nicht verwunderlich wäre, wenn sich das Wirtschaftswachstum im nächsten Jahr auf unter sechs Prozent abschwächen würde.

Langfristig profitiert Chinas Wirtschaft aber von diesen Reformen, sodass das Wachstum auch wieder eine Rate von mehr als sechs Prozent erreichen kann. Denn es sollte nicht vergessen werden, dass China zu den Ländern gehört, die massiv von der Digitalisierung der (Welt-) Wirtschaft profitieren. Die regulatorischen Rahmenbedingungen begünstigen unter anderem E-Commerce- und Fintech-Unternehmen, zumal es in China mit fast 750 Millionen Menschen mehr Internetnutzer als in jedem anderen Land der Erde gibt. Auch wenn es also in der nahen Zukunft für das Land viele Herausforderungen zu meistern gilt, sind die mittel- und langfristigen Wachstumsaussichten intakt.

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Bildcredit: klublu / photocase.de

Autor: Carsten Klude

Carsten Klude studierte nach seiner Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Deutschen Bank VWL mit Schwerpunkt Ökonometrie in Kiel. 1996 kam er zu M.M.Warburg & CO, für die er zunächst die europäischen Kapitalmärkte analysierte und später mit der Leitung des Makro-Research betraut wurde. Seit dem Jahr 2009 ist Herr Klude Mitglied im Investmentrat von M.M.Warburg & CO und verantwortet seit dem Sommer 2013 das Asset Management der Bank. Zusätzlich ist Herr Klude seit dem Jahr 2010 Mitglied im Ausschuss für Wirtschafts- und Währungspolitik des Bundesverbandes deutscher Banken e.V., dessen Vorsitz er von 2015 bis 2018 inne hatte.

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