Nachhaltige Portfolios in Zeiten des Krieges: Ist trotzdem eine gute Performance möglich?

Wie sieht es mit der Performance von Nachhaltigkeits-Portfolios aus? Viele Jahre konnte eine Outperformance beobachtet werden, doch inzwischen gilt das nicht mehr. Kann man aus theoretischer Sicht etwas zum Performancepotential von nachhaltigen Portfolios sagen?

Nachhaltigkeit war in den letzten Jahren im Asset Management das zentrale Thema

Milliarden von US-Dollar und Euro wurden in nachhaltige Portfoliostrukturen investiert und ganze Fondspaletten auf Nachhaltigkeit getrimmt. Viele Investoren sind diesen Weg aus Überzeugung gegangen – zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Zuflüsse in nachhaltige Anlagen zu Kurszuwächsen geführt haben, die weitere Investoren dazu veranlasst haben, alleine aus Performancegesichtspunkten auf den Nachhaltigkeitszug aufzuspringen.

Dabei ist es keine ausgemachte Sache, dass nachhaltige Investments eine strukturell bessere Wertentwicklung aufweisen. Eigentlich müsste sogar das Gegenteil der Fall sein. Denn durch die Anwendung von Nachhaltigkeitskriterien wird das Investmentuniversum tendenziell kleiner – und eine Einschränkung des Investmentuniversums kann eigentlich nicht positiv für die Performance sein.

Eine Ausnahme zu dieser Regel wäre dann gegeben, wenn nachhaltig agierende Unternehmen grundsätzlich attraktivere fundamentale Eigenschaften aufwiesen, diese Attraktivität aber nicht hinreichend in der Bewertung reflektiert wäre. Dies würde aber wiederum strukturell ineffiziente Märkte unterstellen, was für sich genommen eine gewagte These wäre.

Zudem haben die aktuellen Ereignisse gezeigt, dass es beim Thema Nachhaltigkeit keine abschließenden Gewissheiten und Wahrheiten gibt, sondern ganz im Gegenteil viele zentrale Fragen noch lange nicht sinnvoll beantwortet wurden. Schon vordergründig ist dies daran zu erkennen, dass das von der EU-Taxonomie als „grün“ nachhaltig eingestufte Gas unmöglich „grün“ und nachhaltig ist, solange es aus Russland oder Katar kommt.

Aber auch das Thema Rüstung muss neu gedacht werden

Ist es per se nachhaltig, wenn man sich nicht mehr verteidigen kann? Denn genau dies würde passieren, wenn Investoren und Banken aus Gründen der Nachhaltigkeit nicht mehr bereit wären, Waffenhersteller zu refinanzieren. Aber kann auf der anderen Seite etwas nachhaltig sein, was Menschen tötet? Diese Fragen lassen sich kaum abschließend beantworten, und die unterschiedliche Herangehensweise in verschiedenen Ländern und bei verschiedenen Investoren zeigt schon auf, dass hier noch erheblicher Diskussionsbedarf besteht. Der Staat und die Regulierungsbehörden sind gut beraten, nicht vorschnell Standards zu schaffen, die schon kurze Zeit später wieder im Lichte neuer Entwicklungen einkassiert werden müssen.

Überhaupt käme es einer Anmaßung von Wissen gleich, als Staat mit hoher Eingriffsintensität Investoren vorgeben zu wollen, was als nachhaltig zu gelten hat und was nicht. Eine dezentrale Meinungsbildung dürfte hier zu ergiebigeren Ergebnissen führen und eine bessere Allokation von Kapital mit Blick auf die Erreichung nachhaltiger Ziele ermöglichen, als dies bei starren staatlichen Vorgaben der Fall wäre.

Nachhaltige Investments: Wie ist aktuell das Renditepotenzial?

Wenn man nun aber als Investor trotz aller Unwägbarkeiten bereit ist, einen Schwerpunkt bei nachhaltigen Investments zu setzen, stellt sich die Frage, was man möglicherweise an Renditepotenzial aufgibt. Gerade die letzten Wochen haben aufgezeigt, dass vor allem Sektoren und Industriebereiche eine gute Wertentwicklung aufwiesen, die nicht dafür bekannt sind, als besonders nachhaltig zu gelten.

War also die nicht selten verbreitete Vorstellung, dass man mit nachhaltigen Investments quasi nebenbei noch eine Outperformance als Zugabe erhält, ein Irrtum?

Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten. Kein Mensch weiß, wie sich welche Akten in Zukunft entwickeln werden. Zudem dürften fundamentale Eigenschaften von Aktien in der Bewertung so eingepreist sein, dass der Erwartungswert einer jeden Aktie in etwa gleich hoch sein sollte. Verbleibende Unterschiede in möglichen Erwartungswerten müssten zudem mit unterschiedlichen Risiken einhergehen oder dadurch erklärbar sein.

Kann man also überhaupt eine Aussage über das Performancepotenzial nachhaltiger Investments im Vergleich zum Gesamtmarkt machen? Eine Möglichkeit, sich dieser Frage zu nähern, bestünde darin, das fundamentale Profil von nachhaltigen Aktien mit dem des gesamten Universums zu vergleichen.

Würde sich das fundamentale Profil dramatisch unterscheiden, wäre das zumindest ein valider Hinweis darauf, dass auch eine strukturell unterschiedliche Wertentwicklung zu erwarten wäre.


Gemeinsam mit Christian Aselmann von Warburg Invest haben wir einen spannenden Podcast produziert, der sich mit sehr ähnlichen Fragstellungen im Kontext der Nachhaltigkeit beschäftigt.

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Unterschiede zwischen ökonomischen und nachhaltigen Portfolios

Doch gibt es tatsächlich signifikante fundamentale Unterschiede zwischen „typischen“ rein auf ökonomischen Kriterien beruhenden Portfolios und solchen mit der klaren Vorgabe, Nachhaltigkeitsaspekte in bedeutendem Umfang zu berücksichtigen?

Wir haben uns der Frage genähert, indem wir in einem ersten Schritt anhand eines Scoringmodells ein Portfolio konstruiert haben, das attraktive Eigenschaften bezüglich der klassischen fundamentalen Eigenschaften aufweist. Zu diesem Zweck haben wir eine Reihe von Unternehmenskennzahlen selektiert, mit denen sich Faktoren wie Bilanzqualität, Profitabilität, Gewinnwachstum, Volatilität oder auch Bewertung beschreiben lassen. Dabei wurde jeder Aktie bei jeder dieser insgesamt etwa 20 Einzelkennzahlen eine Rangziffer zugeordnet.

Die Aufgabe des Modells bestand dann darin, ein Portfolio zu erstellen, das hinsichtlich der verwendeten Kennzahlen bei möglichst jeder einzelnen Kennzahl einen besseren durchschnittlichen Rangplatz aufweist als die Benchmark.

Und tatsächlich gelingt es, ein Portfolio zu konstruieren, das bei fast jeder einzelnen Kennzahl einen besseren durchschnittlichen Rang aufweist als die gewichtete Summe der Ränge der Benchmark. Damit entspricht ein solches Portfolio den typischen Anforderungen eines Portfoliomanagers, der versucht, durch selektives Stockpicking Aktien zu kaufen, die in der Summe attraktivere Eigenschaften aufweisen als die der Benchmark – natürlich in der Hoffnung, dass dieses Set an Eigenschaften im langfristigen Verlauf eine bessere Wertentwicklung erzielt als ein passives Investment in die Benchmark.

Man könnte auch sagen, dass ein derartiges Portfolio in etwa die Eigenschaften aufweist, die dem typischen „Beuteschema“ eines klassischen Portfoliomanagers entsprechen.

Und nun wird es spannend.

Ändert sich das resultierende fundamentale Profil signifikant, wenn zu den klassischen Kriterien noch Nachhaltigkeitskriterien hinzugefügt werden? Wir haben dies überprüft, indem wie das Scoringmodell um Kriterien und Rangplätze zu den drei ESG-Scores (ökologische Kriterien, soziale Kriterien und Governance-Krierien) ergänzt haben.

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Fokussierung auf Nachhaltigkeit: Das Ergebnis ist sehr interessant

Wenn man die resultierenden Eigenschaften auf Basis der Mittelwerte der Ränge ohne Nachhaltigkeit mit dem zweiten Durchlauf unter Berücksichtigung der Nachhaltigkeit vergleicht, gibt es einen großen Unterschied. Dieser besteht darin, dass vor allem die Qualität hinsichtlich der Nachhaltigkeitskriterien deutlich besser ist – genau das war ja auch beabsichtigt.

Die Qualität bei allen anderen fundamentalen Kriterien ändert sich dagegen kaum. Zwar gehen die durchschnittlich erreichten Rangplätze je nach Faktor um einige wenige Rangplätze zurück – bei einem Investmentuniversum von 600 Aktien aus dem STOXX 600 kann man aber kaum davon sprechen, dass sich dadurch ernsthaft die fundamentale Qualität geändert hätte.

Mit anderen Worten: Es gibt keinen relevanten Trade-Off zwischen Nachhaltigkeit und fundamentalen Kriterien.

Eine Fokussierung auf Nachhaltigkeit verwässert nicht ernsthaft das angestrebte fundamentale Profil. Wenn aber das fundamentale Profil ohne explizite Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien weitgehend dem entspricht, was inklusive einer expliziten Berücksichtigung von Kriterien erzielt werden kann, lässt sich auch erwarten, dass das Performanceprofil eines auf Nachhaltigkeit getrimmten Portfolios nicht zwangsläufig deutlich von „normalen“ Benchmarkportfolios abweichen sollte.

Damit sollte klar sein, dass man sich unter Performancegesichtspunkten nicht davon abhalten lassen sollte, in nachhaltige Portfolios zu investieren. Es sollte aber ebenfalls klar sein, dass es keinen guten fundamentalen Grund zur Annahme gibt, nach dem Investments in nachhaltige Portfolios sogar das Potenzial für eine strukturelle Outperformance bieten.

Nachhaltige Investments sollte man aus Überzeugung tätigen, und nicht, weil sie eine Opportunität darstellen.

Und dabei sollte jeder Investor im besten Fall für sich entscheiden, was für ihn konkret Nachhaltigkeit bedeutet – frei von unausgereiften staatlichen Vorgaben.

Webinar zum Thema Nachhaltigkeit
Christian Jasperneite

Autor: Dr. Christian Jasperneite

Dr. Christian Jasperneite studierte an der Universität Passau VWL und promovierte anschließend an der Universität Passau am Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik. Nach einem Forschungsaufenthalt an der Harvard University begann er im Jahr 2000 als Analyst im Makro-Research von M.M.Warburg & CO. Seit Anfang 2009 ist Dr. Jasperneite Chief Investment Officer bei M.M.Warburg & CO und verantwortet dort u.a. Fragen der strategischen und taktischen Allokation sowie der Portfoliokonstruktion und der Produktentwicklung.

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