Intelligent investieren: Lohnt sich Stock-Picking für Privatanleger?

Wie sinnvoll ist eigentlich Stock Picking, also das gezielte Investieren in einzelne Aktien, für Privatanleger? Lässt sich der Markt durch etwas Fleiß und Recherche tatsächlich schlagen oder fahren Investoren mit Indexfonds am Ende doch besser?

Spätestens seit dem gigantischen Kursanstieg der GameStop-Aktie Ende Januar sind sie in aller Munde: Die Rede ist von Online-Brokern wie Robin Hood, Trade Republic & Co. Niedrige Ordergebühren und einfacher Zugang über das Smartphone gepaart mit der aktuellen Lockdown-Langeweile verleiten immer mehr Menschen zum Einstieg in die Welt des Aktienhandels. Dazu entsteht durch Niedrigzinsen und Inflation der Druck, sein Geld nicht mehr einfach auf das Sparbuch zu legen. Außerdem lockt die Möglichkeit, durch kluge Aktienselektion den Markt zu schlagen und eine nette Überrendite zu erwirtschaften.

Diversifikation: Der Schlüssel zu einem risikoarmen Portfolio

Beginnen wir mit den Grundlagen des Portfoliomanagements. Bereits in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts fand Harry. M. Markowitz heraus, dass sich durch Diversifikation das Risiko eines Portfolios senken lässt, ohne die Rendite zu verringern. Damit setzte er den Grundstein für die moderne Portfoliotheorie und wurde später mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.

Stock Picking: Diversifizierte Portfolios sind mit hohen Kosten verbunden

Diversifizierte Portfolios sind also undiversifizierten Portfolios überlegen. Für das Stock Picking ergibt sich daraus, dass sich ein vernünftiges Portfolio nur mit einer Vielzahl an Titeln aufbauen lässt.

  1. Das führt zu dem ersten Problem für die meisten privaten Stock Picker:
    Der Aufbau eines diversifizierten Portfolios ist mit hohen Transaktionskosten verbunden. Eine Analyse des europäischen Aktienmarktes der Jahre 2007 bis 2015 hat ergeben, dass ein gutes Portfolio mindestens 100 Aktien enthalten sollte. Bei einer Anlagesumme von 10.000 Euro und selbst bei Transaktionskosten von nur einem Euro pro Trade führt das bereits zu Kosten von 1,0%. Dazu kommen die Kosten für die regelmäßige Anpassung an die aktuelle Marktlage: In der Vergangenheit waren beispielsweise in Zeiten wirtschaftlichen Aufschwungs zyklische Aktien oft das Mittel der Wahl, während man in Krisenzeiten mit Nicht-Zyklikern wie der Pharmaindustrie besser gefahren wäre.
  2. Auch muss ein Stock Picker ständig auf Neuigkeiten der Unternehmen reagieren und entsprechend Titel kaufen und verkaufen. Bei je einem Kauf und Verkauf pro Woche wären das noch einmal Kosten von 1,0% pro Jahr. Dabei sind die indirekten Kosten durch die Geld-Brief-Spanne noch nicht miteinberechnet.
  3. Neben hohen Kosten erfordert die laufende Anpassung des Portfolios auch eine ständige detaillierte Analyse des aktuellen Marktgeschehens. Bilanzen müssen analysiert, Nachrichten verfolgt und interpretiert werden. Um die richtigen Schlussfolgerungen aus der schier endlosen Flut an Daten und Berichten zu ziehen, braucht es nicht nur ein umfangreiches Fachwissen, sondern auch große zeitliche Ressourcen. Auch hier wieder ein kleines Rechenbeispiel:
    Angenommen, ein Anleger beschäftigt sich nur eine halbe Stunde am Tag mit Stock Picking und kann so eine Überrendite von 2,0% im Jahr gegenüber der Benchmark erwirtschaften. Bei einer Anlagesumme von 10.000 Euro wären das 200 Euro. Damit läge sein Stundenlohn bei ca. 1,10 Euro. Ob das die Arbeit wert ist, muss jeder selbst entscheiden.

Zusammengefasst: Es erfordert sehr viel Arbeit und Zeit, den Markt und das eigene Portfolio ständig im Auge zu behalten!

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Der Markt ist hart umkämpft!

Ob man jedoch mit nur einer halben Stunde am Tag in der Lage ist, den Markt zu schlagen? Wahrscheinlich eher nicht. Der Markt setzt sich nämlich vor allem aus professionellen Anlegern zusammen, die den ganzen Tag damit verbringen, Aktien und das Marktgeschehen zu analysieren. Dabei versuchen auch sie stets für ihre Kunden eine Überrendite zu erwirtschaften. Als privater Stock Picker geht man implizit davon aus, dass man den Markt besser durchblickt als diese Profis.

Um wirklich eine Überrendite zu erwirtschaften, müsste ein Stock Picker Fehlbewertungen von Aktien entdecken und entsprechend kaufen oder verkaufen. Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass man als Privatanleger Bewertungsfehler und Marktineffizienzen schneller entdeckt als professionelle Anleger, die sich damit in großen Teams den ganzen Tag beschäftigen. Entsprechend wird man in der Regel zu spät kommen, um solche Marktverwerfungen ausnutzen zu können.

Bauchentscheidungen sind Gift für die Rendite!

Nur wer rational handelt, hat langfristig Erfolg!

Bei dem Streben nach einer Überrendite stehen sich viele Privatanleger zusätzlich selbst im Weg: Laut einer Studie von Brad Barber und Terrance Odean aus dem Jahr 2011 underperformen Privatanleger den Markt systematisch, weil sie oft irrationale Entscheidungen treffen.

Im Einzelnen beschreiben die Forscher fünf Verhaltensweißen, die die Rendite von privaten Investoren schmälert:

  1. Häufig halten Privatanleger Verlierer-Aktien zu lange und verkaufen Gewinner-Aktien zu früh. Das liegt daran, dass die meisten Menschen Verluste nur ungern realisieren, während sie sich Gewinne gerne schnell sichern wollen. Man spricht auch vom Dispositionseffekt.
  2. Privatanleger neigen dazu, Verhaltensweisen zu wiederholen, mit denen sie in der Vergangenheit gute Erfahrungen gemacht haben und solche zu vermeiden, mit denen sie schlechte Erfahrungen gemacht haben. Sie erkennen dadurch oft Muster, die gar keine sind.
  3. Sie halten oft schlecht diversifizierte Portfolios. Das liegt auch an den hohen Kosten, die mit einem gut diversifizierten Portfolio einhergehen (siehe oben).
  4. Sie schichten zu häufig um. Durch die daraus entstehenden Transaktionskosten verringert sich die Rendite des Investments.
  5. Sie lassen sich bei ihren Entscheidungen zu stark durch Medien und historische Renditen beeinflussen.

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Vorhersagen von selbsternannten Börsen-Gurus treffen nur selten zu!

Vor allem die Einflussnahme durch Medien gewinnt aktuell zunehmend an Bedeutung: Immer häufiger treten selbsternannte Börsen-Experten in den sozialen Medien auf und locken mit hohen Renditeversprechungen. Doch viele sogenannte Finanzexperten feiern sich selbst für ihre richtigen Prognosen, während sie ihre Irrtümer unter den Teppich kehren. Denn meistens liegen sie mit ihren Aktientipps genauso häufig richtig, wie sie falsch liegen. Wer auf solche Expertenratschläge hört, neigt eher dazu zu oft zu traden, sodass seine Gewinne durch die Ordergebühren aufgefressen werden.

Vorsicht vor Pump-and-Dump-Systemen!

Um regelmäßige Investment-Tipps zu erhalten, muss der Anleger häufig einen monatlichen Beitrag an die vermeintlichen Experten zahlen. Manche bieten ihre Kaufempfehlungen auch völlig kostenlos auf Blogs, Newslettern, Foren, Youtube oder ähnlichen Plattformen an. Doch oft handelt es sich dabei um unseriöse Anbieter, die den gerade aufkommenden Aktien-Hype bei Privatanlegern für ihre Zwecke ausnutzen. Denn bei den empfohlenen Titeln handelt es sich häufig um Penny-Stocks, also sehr günstige Aktien mit niedriger Marktkapitalisierung.

Aufgrund des geringen Angebots lässt sich der Aktienkurs solcher Titel schon mit einer kleinen Nachfrageänderung stark beeinflussen. Die sogenannten Finanzexperten kaufen nun also eine solche Aktie und empfehlen sie anschließend ihren Abonnenten. Diese kaufen die Aktie dann ebenfalls und treiben so die Kurse in die Höhe. Anschließend verkauft der Experte seine Anteile und startet das ganze Prozedere mit einer anderen Aktie von neuem. Man spricht auch von Pump-and-Dump. Laut einer Studie von Leuz, Meyer, Muhn, Soltes & Hackethal aus dem Jahr 2017 waren ca. 6% aller Investoren bei mindestens einem Pump-and-Dump-System beteiligt und verloren dabei im Schnitt 30% ihres Investments.

Für die meisten Privatanleger sind ETFs das Mittel der Wahl!

Nun soll hier nicht der Eindruck geweckt werden, dass es unmöglich ist, durch Stock Picking den Markt zu schlagen. Es gibt immer wieder Anleger, die es auch langfristig schaffen, durch den Handel von Einzelaktien den Markt outzuperformen. Allerdings sind diese eher als Einzelfälle zu werten. Und welchen Anteil am Erfolg in diesen Fällen jeweils das Können und der pure Zufall ausmachen, kann man nur schwer beziffern.

Als Fazit lässt sich also sagen: Wer viel Zeit übrig hat, sich bestens mit dem Kapitalmarkt auskennt, stets rational handelt und wem eine ausreichend große Anlagesumme zur Verfügung steht, die nicht direkt von den Ordergebühren aufgefressen wird, der sollte Stock Picking in Betracht ziehen. Alle anderen Anleger können die Aufgabe des Stock Pickings über ein passives Investment mit ETFs innerhalb einer Vermögensverwaltung delegieren und dabei Zeit sparen.

Wir bedanken uns bei Johannes Gümpel für diesen Beitrag.

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