Aktien, Anleihen & Co.: Welche Renditen sind noch realistisch für Privatanleger?

Der Zins in der Eurozone hängt nahe der Nulllinie fest. Die Finanzmärkte haben in der Jahresendrally kräftig Federn gelassen und zeigen sich seitdem sehr volatil. In diesem Umfeld fragen sich viele Anleger, welche Renditen möglich sind. Christian Jasperneite, CIO bei M.M. Warburg & CO, gibt darauf eine Antwort.

Herr Jasperneite, Sie sind Kapitalmarktexperte und kennen die Finanzmärkte seit über 20 Jahren sehr gut. Erklären Sie uns doch bitte, welche Renditen noch realistisch für Privatanleger sind?

Jasperneite: Auf diese Frage gibt es keine akademisch korrekte Antwort. Es kommt eben darauf an, welche Assetklasse betrachtet werden soll.

Fangen wir doch mit den Aktien an …

Aktien können sich langfristig nicht von der nominalen Gewinnentwicklung abkoppeln. Denn die Kursgewinnverhältnisse, kurz KGV, haben eine gewisse natürliche Bandbreite und können sich nicht immer weiter nach oben entwickeln. Die ist zwar nicht in Stein gemeißelt, aber wenn früher ein KGV von 12 normal war, dann ist heute ein KGV von 25 schon recht hoch.

Wieso ist das so?

Nun, die Kurse von Aktien sind mehr oder weniger an die Gewinne der Unternehmen gekoppelt. Vereinfacht gesagt: Steigen die Gewinne um etwa fünf Prozent, dann steigen auch die Kurse um etwa fünf Prozent. Sollte sich das KGV bereits im oberen Bereich bewegen, dann verwässert das die Kurssteigerungen.

Sind denn fünf Prozent Kursgewinn realistisch?

Historische Daten zeigen, dass die Gewinne von börsennotierten Unternehmen langfristig bei rund 5 Prozent liegen. Auch die Dividendenrendite kommt empirisch auf rund 3 Prozent. Damit kann die Aktie eines börsennotierten Unternehmens rund 8 Prozent Performance liefern. Tendenziell haben vielleicht kleinere Unternehmen, weil sie dynamischer sind, die Chance auf 8,5 Prozent zu kommen. Large Caps kommen dagegen vielleicht auf 7,5 Prozent. Allerdings ist die frühere Wertentwicklung kein verlässlicher Indikator für künftige Ergebnisse, sondern immer nur eine gewisse Indikation.

Das ist doch eine ansehnliche Rendite.

Das stimmt, aber es ist nur die eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite bei den Anleihen sieht es durch den Zinssatz der Europäischen Zentralbank kritisch aus. Früher waren Bundesanleihen eine sichere Anlage. Bei mittleren Laufzeiten von z.B. drei bis sieben Jahren brachten die Papiere eine Rendite von – sagen wir mal – 3 Prozent. Heute haben wir bei europäischen Staatsanleihen keine 3 bis 4 Prozent mehr. Deutschland liegt unter null Prozent. Italien liegt je nach Laufzeit etwas unter oder etwas über Null Prozent. Nach Steuern und Kosten ergibt es fast keine Sinn, in solche Anleihen zu investieren.


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Wenn Staatsanleihen keine Rendite bringen, wie sieht es dann mit Unternehmensanleihen aus?

Mit Unternehmensanleihen gehen Anleger mehr ins Risiko als mit Bundesanleihen, dafür können sie dann mit zurzeit vielleicht 2 Prozent Rendite rechnen, wenn es zu keinen Ausfällen kommt. Doch die 2 Prozent sind wahrscheinlich auch nicht der Wert, der am Ende realisiert werden kann. Schließlich sind Ausfälle nie ganz auszuschließen. Durch Ausfälle – falls es zu einer scharfen Rezession kommen sollte – sind am Ende im Schnitt vielleicht nur 1,5 Prozent realistisch.

Und wie sieht es mit nicht Euro-Anleihen aus?

In den USA sind etwas höhere Renditen durch das Zinsniveau durchaus möglich. Dafür kaufen sich hiesige Investoren aber das Wechselkursrisiko mit ein. Das bedeutet, nur um 1 bis 2 Prozent erwartete Performance mehr zu bekommen, nehme ich 8 bis 10 Prozent Risiko auf der Währungsseite in Kauf. Deswegen sollten Anleger nicht in Euro denominierte Anleihen nur sehr vorsichtig ihren Portfolios beimischen.

Aber was bedeutet das jetzt für die Kapitalanlage?

Konservative Anleger möchten nur ungerne Titel mit schlechteren Bonitäten. Das bedeutet aber auch, dass ein Portfolio, welches zu 80 Prozent aus Anleihen und 20 Prozent Aktien besteht, langfristig kaum mehr als 2 Prozent Performance liefern kann. Wer heute investieren will, ist mit einer sehr konservativen Strategie nicht gut beraten.

Jeder, der nach Kosten, Inflation und Steuern noch im positiven Bereich sein möchte, braucht heute ein bisschen mehr Mut zum Risiko und einen etwas längeren Investmenthorizont.

Welchen Zeitraum meinen Sie? Zehn Jahre?

Zehn Jahre sind viel. Drei Jahre sind zu wenig. Anleger sollten mindestens fünf Jahre für ihr Wertpapier-Investment ansetzen.


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Und wie viel Mut sollten Investoren an den Tag legen?

Das muss jeder für sich und seine Kapitalanlage entscheiden. Sparer sollten sich sehr genau überlegen, wie es mit ihrer Risikoneigung und auch Risikotragfähigkeit aussieht. Jeder sollte sich die Frage stellen, wie er sich fühlen würde, wenn er heute 100.000 Euro investiert und in zehn Jahren mit 200.000 Euro rechnet, doch nach zwölf Monaten nur noch 90.000 Euro im Depot liegen hat. Kann er das ertragen oder eben nicht?!

Sollten Anleger ihr Geld lieber unters Kopfkissen legen?

Nein, wer sein Geld nur auf dem Konto liegen lässt, hat nicht einmal eine Chance mit dem Zinssatz einen Inflationsausgleich zu erzielen. Dann ist selbst die konservativste Strategie mit einer 2 Prozent Performance besser als gar nichts zu tun.

Ist denn jetzt der richtige Zeitpunkt zum Investieren?

Jeder, der eine Kristallkugel hat, weiß genau, wann der Tiefpunkt erreicht ist. Für alle anderen gilt: Es gibt nicht die perfekte Timing-Methode. Und ein Anleger mit einem Investmenthorizont von fünf bis zehn Jahren braucht auch nicht das perfekte Timing.

Das bedeutet?

Aktuell sind die Kurse volatil und fallen vielleicht noch etwas. Auch die Konjunkturdaten sind eher nach unten gerichtet. Anleger sollten sich also mindestens schon mal mental darauf vorbereiten, langsam Positionen aufzubauen. Denn wenn man peu à peu das Kapital über acht oder neun Einzelinvestments streut und diese Positionen immer wieder aufstockt, dann kann man grundsätzlich man auf der richtigen Seite stehen. Und jetzt ist die Zeit dafür besser geeignet als noch als zu Beginn letzten Jahres, als die ganzen Indizes an ihren All-time-Highs kratzten.

Und welche Rendite ist möglich?

Mit einem 50/50-Portfolio (bezogen auf Aktien/Anleihen) können Wertpapierkäufer optimaler Weise langfristig bis zu 4 Prozent erzielen. Über eine gute taktische Allokation könnte ein Portfoliomanager einen Vorteil erzeugen und gegebenenfalls noch einen Prozentpunkt zusätzlich rausholen. Dann wären wir langfristig bei 5 Prozent. Mehr ist aber nicht drin.


„Nicht alle Eier in einen Korb legen“

Es ist wohl die wichtigste Börsenweisheit für eine Geldanlage in Wertpapiere, die es gibt. „Nicht alle Eier in einen Korb legen“. Wer genau der erste war, der diese Regel aufgestellt hat, ist nicht überliefert. Die Bedeutung ist dafür um so klarer: Wer sein Kapital nur in ein Wertpapier wie etwa eine Aktie investiert, geht ein enormes Risiko ein. Denn damit ist die Entwicklung des eigenen Vermögens von nur einem Unternehmen abhängig. Stürzt der Aktienkurs des Unternehmens empfindlich ab, rauscht auch der eigene Depotwert in die Tiefe. Nur wer breiter investiert, kann einen solchen Absturz vermeiden. Diese Risikostreuung sollte dabei nicht bei einer einzelnen Anlageklasse stoppen, sondern über verschiedene möglichst gegensätzliche Assetklassen hinweg erfolgen.

Wie sinnvoll eine solche Diversifikation ist, hat bereits in den 1950er-Jahren der preisgekrönt Harry Markowitz erkannt. In seiner moderne Portfoliotheorie weist er nach, dass eine breite Streuung auf mehrere Anlageklassen wie Aktien, Anleihen, Gold und Immobilien das Risiko eines Portfolios signifikant senkt. Diese Erkenntnis brachte ihm den Nobelpreis.


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Christian Jasperneite

Autor: Dr. Christian Jasperneite

Dr. Christian Jasperneite studierte an der Universität Passau VWL und promovierte anschließend an der Universität Passau am Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik. Nach einem Forschungsaufenthalt an der Harvard University begann er im Jahr 2000 als Analyst im Makro-Research von M.M.Warburg & CO. Seit Anfang 2009 ist Dr. Jasperneite Chief Investment Officer bei M.M.Warburg & CO und verantwortet dort u.a. Fragen der strategischen und taktischen Allokation sowie der Portfoliokonstruktion und der Produktentwicklung.

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