Ausblick 2021 (IV): Markttechnik – Was kommt nach der Achterbahnfahrt 2020?
11. Dezember 2020Das Börsenjahr 2020 geht zu Ende und mit ihm eine wahre Achterbahnfahrt an den Weltbörsen. Die Anleger sind in diesem Jahr ordentlich durchgeschüttelt worden: Zu Jahresbeginn wurden neue Hochs gesehen, aber nur, um dann rasant in die Tiefe zu rauschen und sich danach vielfach auf dem Ursprungslevel wiederzufinden. Auch dass manchem die wilde Fahrt an den Märkten auf den Magen schlug, ist vielerorts zu beobachten gewesen. Aber was bringt uns das kommende Börsenjahr?
Joe Biden als Hoffnungsträger für ein gutes Börsenjahr 2021
Am 20. Januar 2021 steht die Amtseinführung von Joe Biden als 46. US-Präsident an. Wie haben sich Börsen in der Vergangenheit im ersten Jahr eines neugewählten Präsidenten verhalten? Der S&P 500 als weltweit größter Index in Bezug auf die Marktkapitalisierung hat in den letzten knapp 100 Jahren im ersten Amtsjahr eines neugewählten US-Präsidenten im Durchschnitt um 8,7 Prozent zulegen können. Noch besser sieht die Statistik aus, wenn der neugewählte Präsident der Demokratischen Partei angehört und auf einen Republikaner folgt. Dann ergibt sich im Schnitt sogar ein Zuwachs von 17,8 Prozent. Lediglich einmal musste ein neugewählter demokratischer Präsident in seinem ersten Jahr ein negatives Ergebnis des S&P 500 verantworten: Jimmy Carter im Jahre 1977 mit -11,5 Prozent. Unter diesem Blickwinkel spricht die Historie also für ein gutes Börsenjahr 2021.
Wie ist es um die US-Marktverfassung generell bestellt?
Hierzu richten wir den Blick auf den Value Line Arithmetic Index, der als gleichgewichteter Index, losgelöst von der unterschiedlichen Marktkapitalisierung der Indexmitglieder, als ein sehr guter Indikator für die Marktbreite dient. Wo sich der Index zu Mitte des Jahres 2020 lange Zeit schwer tat über seine Höchststände des Jahres 2018 oder zu Beginn des Jahres 2020 hinaus zu klettern, entlud sich diese aufgestaute Kraft nach der Wahl des US-Präsidenten und der Meldung über Impfstoffe gegen das Coronavirus.
Der Index ist somit wieder voll in der Spur seines Aufwärtstrends, der im Jahr 2009 begann.
Allerdings, und das ist der Wermutstropfen im Vergleich zur vorher aufgestellten These „demokratischer Präsident folgt auf einen Republikaner“, der obere Rand des Trendkanals verläuft zum Jahresende 2021 projiziert bei etwa 8.200 Punkten, was ein Ziel darstellt, das vom heutigen Stand aus gerechnet lediglich einer Chance von gut acht Prozent entspricht.
Und wie entwickelte sich der S&P 500?
Der S&P 500 Index zeigte sich nur kurzzeitig beeindruckt vom globalen Einbruch der Aktienmärkte durch den Ausbruch von Covid-19. Bereits Anfang Juni wurde der Jahresendstand von 2019 wieder erreicht. Allerdings wurde die schnelle Erholung insbesondere durch die im Index hochgewichteten Technologiewerte herbeigeführt, wodurch eine Divergenz zur Marktbreite auftrat. Dieser Umstand wurde aber zwischenzeitlich korrigiert, und auch der S&P 500 ist marktbreit auf dem Weg zu weiteren neuen Höchstständen.
Dass die Bäume allerdings wohl nicht in den Himmel wachsen werden, verdeutlicht ein Blick auf die Leitplanken in Form des Aufwärtstrendkanals, der seit den 1930er Jahren intakt ist und in dieser Zeit nur einmal nennenswert nach oben verlassen wurde.
Die Übertreibung der Jahre 1997 bis zum Hoch im März 2000 „bezahlte“ der Index mit einer Konsolidierung über einen Zeitraum von gut 13 Jahren. Erst im März 2013 wurde der Indexhöchststand vom März 2000 nennenswert überwunden. Die gute Nachricht ist allerdings: bis zum oberen Rand ist noch ein wenig Luft. Dieser verläuft zum Jahresende 2021 auf einem Niveau von gut 4.000 Punkten. Dieses Ziel lässt sich im Übrigen auch durch eine Fibonacci-Projektion ermitteln. Auf der Unterseite gilt es dabei die exponentielle 200-Wochenlinie bei gut 2.850 Punkten sowie die Marken um 2.950 Punkte, dem alten Alltime-High aus dem Jahr 2018, sowie die runde Marke von 3.000 Punkten, die den unteren Rand des Aufwärtstrendkanals von 2009 darstellt, zu verteidigen, um den positiven Grundtrend am Laufen zu halten.
Hinken Europa’s Börsen weiterhin den US-Börsen weit hinterher?
Aber was ist mit der „alten Welt“? Europas Börsen hinken seit über einem Jahrzehnt den US-Börsen weit hinterher. Besonders deutlich zu erkennen ist diese schlechtere Wertentwicklung, wenn man die relative Wertentwicklung vom STOXX 600 Europe zum S&P 500 betrachtet. Dennoch ist ein erster Silberstreif am Horizont zu erkennen. Die relative Performance erreichte im März 2020 ihren Tiefpunkt, und es gelang dieses Tief seither zu verteidigen.
Nun deutet sich ein erster kleiner Trendbruch an, der durchaus das Zeug hat, die schwächere Kursentwicklung europäischer Aktien im Vergleich zu US-Aktien zumindest zeitweise umzukehren.
Und was macht der DAX?
Womit wir den Blick auf den heimischen Dax richten wollen. Der Dax befindet sich ausgehend von seinem Tief im Jahr 2003 in einem Aufwärtstrend, dieser wurde mit dem Ausverkauf im März 2020 auch erneut bestätigt. Allerdings ist ebenso deutlich zu erkennen, dass dem Index über Jahre hinweg in schöner Regelmäßigkeit im Bereich um 13.500 Punkten die Puste ausging. Dadurch ergibt sich per Saldo seit Jahren eine Seitwärtsbewegung, die durch die seitwärts gerichtete exponentielle 200-Wochenlinie bestätigt wird.
Welche Kursziele sind denkbar?
Eine Konsolidierung kann aber auch ein konstruktives Kräftesammeln darstellen. So ist damit zu rechnen, dass ein Überwinden des Gaps bei 13.500 Punkten, das der Index im Februar gerissen hat, ein Ende der Konsolidierung darstellt. Das rechnerische mittelfristige Mindestkursziel im Erfolgsfall ergibt sich als Differenz aus dem oberen und dem unteren Rand der Schiebezone, die gut 1.800 Punkte beträgt.
Somit wären Kursziele von 15.000 Punkten und knapp darüber ableitbar.
Auf der Unterseite drohen bei Unterschreiten der Zone um 11.400 Punkten empfindliche weitergehende Abgaben in der Größenordnung von 1.000 Punkten.
Ausblick nach China mit dem CSI 300
Wenn man nach Alternativen zu US-Aktien sucht und den Homebias nicht allzu groß werden lassen will, dann sieht ein Chart aus der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt durchaus vielversprechend aus. Der CSI 300 ist ein Aktienindex, in dem Aktien von Unternehmen des chinesischen Festlandes aus den Regionen Shenzhen und Shanghai abgebildet werden. Dieser Index bildet damit auch am deutlichsten die Wirtschaftsleistung des chinesischen Binnenmarktes ab.
Entwicklung des CSI 300 in den letzten Jahren
Seit einer mehrjährigen Bodenbildung zwischen den Jahren 2012 und 2014 hat der Index einen neuen Aufwärtstrend etabliert. In einer ersten exzessiven Übertreibung schoss der Index binnen zwölf Monaten um 150 Prozent in die Höhe. Die folgende Korrektur endete beinahe exakt bei 3.000 Punkten. Diese Marke stellt seither die ultimative Unterstützung dar. Ausgehend vom Tief 2016 setzte der Index erneut zum Höhenflug an und korrigierte danach erneut in den Bereich von 3.000 Punkten. Somit wurde bei dieser Marke eine Doppelboden-Unterstützung etabliert. Die anschließende Aufwärtsbewegung verläuft seither in einem Trendkanal.
Wie wirkte sich Covid-19 auf den Index aus?
Besonders bemerkenswert ist die Tatsache, dass der Crash infolge des Covid-19 Einbruchs den Index nicht einmal annähernd in den Bereich der Tiefs von 2018 gebracht hat und sich somit zu den übrigen Weltbörsen relative Stärke gezeigt hat.
Besser noch: Das Zyklushoch von 2015 wurde ohne großes Geplänkel auf Wochenbasis mit einer langen weißen Kerze und anschließend mit einem Gap übersprungen.
Aus der folgenden Konsolidierungszone lässt sich nun auch unmittelbar das nächste Ziel bei 5.350 Punkten ableiten. Im Jahresverlauf 2021 kann der Trendkanal den Index bis in Regionen von knapp 5.900 Punkten oder in unmittelbare Reichweite des im Jahr 2007 erzielten Allzeithochs führen.
Und wie entwickelt sich der Goldpreis?
Aus charttechnischer Sicht weiterhin interessant und aussichtsreich zeigt sich der Goldpreis. Nach gut zehn Jahren Aufwärtsbewegung beginnend im Jahr 2001 korrigierte das gelbe Edelmetall über einen beinahe ebenso langen Zeitraum im Rahmen einer Flaggenformation bis Mitte 2019. Anschließend folgte ein Spurt auf neue Allzeithochs oberhalb von 2.000 US-Dollar.
Die jüngste Korrektur an den seit Mitte 2019 etablierten Aufwärtstrend stellt nun ein attraktives Einstiegsniveau dar. Gelingt die Trendbestätigung ist mittelfristig mittels einer Fibonacci-Projektion der eingangs beschriebenen mehrjährigen Bewegungsabschnitte ein Kursziel von oberhalb 2.600 US-Dollar ableitbar.
Voraussetzung für den Fortbestand des konstruktiven Chartbildes ist, dass die exponentielle 200-Wochenlinie und der seit Ende 2015 etablierte flachere Aufwärtstrend nicht unterschritten werden. Bis zum Jahresende 2021 ist – vorausgesetzt der Aufwärtstrend bleibt bestehen – ein Ziel von 2.100 US-Dollar als Mindestziel ermittelbar.
Die Markttechnik kommt also zu ähnlichen Ergebnissen wie die fundamentale Analyse: 2021 sollte für Aktienanleger ein gutes Jahr werden!
Foto: Unsplash David Traña
Autor: Carsten Klude
Carsten Klude studierte nach seiner Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Deutschen Bank VWL mit Schwerpunkt Ökonometrie in Kiel. 1996 kam er zu M.M.Warburg & CO, für die er zunächst die europäischen Kapitalmärkte analysierte und später mit der Leitung des Makro-Research betraut wurde. Seit dem Jahr 2009 ist Herr Klude Mitglied im Investmentrat von M.M.Warburg & CO und verantwortet seit dem Sommer 2013 das Asset Management der Bank. Zusätzlich ist Herr Klude seit dem Jahr 2010 Mitglied im Ausschuss für Wirtschafts- und Währungspolitik des Bundesverbandes deutscher Banken e.V., dessen Vorsitz er von 2015 bis 2018 inne hatte.
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