Ausblick 2020 (IV): Wie entwickelt sich das neue Aktienmarktjahr?
11. Dezember 2019Wie entwickelt sich das neue Aktienmarktjahr 2020? Wird eine expansive Geldpolitik fortgesetzt? Welche Kriterien erfüllt sein müssen für eine Fortsetzung der Aufwärtsbewegung an der Börse, erfahren Sie in unserem letzten Teil unseres Ausblicks für das kommende Jahr.
Nachdem wir uns in den Teilen 1, 2 und 3 des Ausblicks für das kommende Jahr mit den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und den zu erwartenden Entwicklungen für die Zins- und Rentenmärkte beschäftigt haben, werfen wir nun einen Blick auf das neue Aktienmarktjahr. Trotz politischer Unsicherheiten, schwacher Konjunkturdaten und enttäuschenden Unternehmensgewinnen haben die Börsen in diesem Jahr ihre Vorjahresverluste wieder wettgemacht und zum Teil neue historische Höchststände erreicht. Geholfen hat eine expansive Geldpolitik. Angesichts der gestiegenen Aktienmarktbewertungen ist eine Deeskalation im Handelsstreit zwischen China und den USA eine notwendige Voraussetzung für eine Fortsetzung der Aufwärtsbewegung an der Börse – und für bessere konjunkturelle Rahmenbedingungen.
Gestiegene Aktienmarktbewertungen begrenzen das zukünftige Aufwärtspotenzial
Die Twitterbotschaften des US-Präsidenten haben die Kapitalmärkte in diesem Jahr weiter in Atem gehalten. Getreu dem Motto „Mit Zuckerbrot und Peitsche“ hat Donald Trump mal neue Zölle, mal einen bevorstehenden Handelsdeal mit China angekündigt. Passiert ist aber bei diesem Thema seit Mitte August nichts Konkretes. Da davon auszugehen ist, dass Trump bei der Präsidentschaftswahl im kommenden November wiedergewählt werden möchte, dürfte er ein rationales Interesse daran haben, den Konflikt mit China nicht auf die Spitze zu treiben. Denn dies bekäme auf Dauer weder der US-Wirtschaft, noch dem US-Aktienmarkt gut. Da auch der chinesische Präsident Xi Jinping weiß, dass eine Einigung im Handelsstreit notwendig ist, um den Abwärtsdruck für die heimische Wirtschaft nicht größer werden zu lassen, gehen wir davon aus, dass sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im kommenden Jahr leicht verbessern.
Sollte der Handelsstreit dagegen eskalieren, könnte es zu einer Rezession kommen, und zwar nicht nur in Ländern, deren Wachstum stark vom Außenhandel und der Industrie abhängt, sondern auch in den USA.
Angesichts der hohen Aktienmarktbewertungen würden im Fall einer Rezession wohl empfindliche Kursverluste drohen. Eine stabilere Wirtschaftslage ist von daher Voraussetzung dafür, dass sich die positive Börsenentwicklung fortsetzt. Doch selbst in diesem Fall halten wir das weitere Kurspotential für begrenzt. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die sehr gute Kursentwicklung in diesem Jahr – viele Aktienindizes konnten um mehr als 20 Prozent zulegen – nicht von einem ähnlichen Anstieg der Unternehmensgewinne begleitet wurde. Im Gegenteil, auf Indexebene waren in vielen Ländern und Regionen fast durchweg nur stagnierende Erträge zu beobachten. Dies hat dazu geführt, dass Aktien in den vergangenen Monaten immer teurer geworden sind.
Ist eine Änderung in der Entwicklung von Anlagemöglichkeiten zu erwarten?
Basierend auf den Gewinnerwartungen für die kommenden 12 Monate weisen US-amerikanische Aktien gemessen am S&P 500 mittlerweile ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von fast 18 auf. Anfang des Jahres lag dies noch bei 15, womit es dem Mittelwert seit dem Platzen der Technologiebörse Anfang der 2000er Jahre entsprach. Das DAX-KGV ist von 11 zu Beginn des Jahres auf mittlerweile gut 14 angestiegen. Im Vergleich zum Durchschnitt der vergangenen 15 Jahre, der bei 12 liegt, sind somit auch deutsche Aktien vergleichsweise hoch bewertet. Rechtfertigen lässt sich die Bewertungsprämie von etwa 20 Prozent nur mit Blick auf die Bewertung von Staats- und Unternehmensanleihen oder von alternativen Anlagen wie Immobilien, Edelmetallen oder Kunstgegenständen, die sogar noch teurer geworden sind. Hieran zeigt sich das Dilemma der Anleger: Die Geldpolitik der Notenbanken hat dazu geführt, dass es mittlerweile keine günstigen Anlagemöglichkeiten mehr gibt. Wer heute investieren will, zahlt dafür einen höheren Preis als in der Vergangenheit. Daran dürfte sich sobald auch nichts ändern.
Die hohen Bewertungen signalisieren, dass sich Anleger in den meisten Anlageklassen zukünftig auf geringere Erträge einstellen müssen. Für die kürzere Perspektive muss dies jedoch nicht gelten, denn Bewertungskennzahlen sind meist ein schlechter Ratgeber für das Timing von Investitionsentscheidungen. Was teuer ist, kann nämlich noch teurer werden. Deswegen bedarf es eines Auslösers, der zu einer Korrektur der hohen Bewertungen führt. In der Vergangenheit waren dies meist höhere Leitzinsen der Notenbanken, die dann zu steigenden Kapitalmarktrenditen, schlechteren Finanzierungsbedingungen und letztendlich häufig zu einer Rezession geführt haben. Doch weder höhere Zinsen, noch eine bevorstehende Rezession sind unseres Erachtens nach 2020 zu erwarten.
Denn trotz aller Probleme bleibt die Weltwirtschaft im nächsten Jahr auf Wachstumskurs, auch wenn die konjunkturelle Dynamik gering ist.
Ein stabiler Konsum, robuste Arbeitsmärkte sowie die Aussicht auf eine etwas expansivere Fiskalpolitik verhindern eine weitere Konjunkturabschwächung und sorgen damit für ein positives Grundrauschen an den Aktienmärkten. Die jüngsten Frühindikatoren deuten bereits auf eine leichte Verbesserung der wirtschaftlichen Aktivität im Laufe des kommenden Jahres hin. In der Vergangenheit haben positivere konjunkturelle Frühindikatoren fast immer auch zu einer erfreulichen Aktienmarktentwicklung beigetragen. Allerdings darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die derzeitige wirtschaftliche Abschwächung das Ausmaß der Krisenjahre 2015/16 oder 2012/13 übertrifft. Insofern muss der Vertrauensvorschuss, den die Aktienmärkte eingepreist haben, noch durch nachhaltig bessere Wirtschaftsdaten bestätigt werden.
Gewinnerwartungen zu optimistisch, aber expansive Geldpolitik stützt
Sollte dies der Fall sein, dürften die Aktienmärkte erneut über die immer noch zu optimistischen Gewinnerwartungen der Unternehmensanalysten hinweg schauen. Trotz der Erwartung eines nur moderaten wirtschaftlichen Wachstums wird für 2020 und 2021 von überdurchschnittlich hohen Zuwachsraten bei den Unternehmensgewinnen ausgegangen. Für den DAX wird mit einem Gewinnplus von 11 bzw. 12 Prozent in den nächsten beiden Jahren gerechnet. Dies halten wir für unrealistisch.
Kaum weniger optimistisch fallen die Ertragserwartungen für Firmen in den europäischen und US-amerikanischen Börsenindizes aus. Wenn die Firmen zu Beginn des neuen Jahres ihre Planungen und Erwartungen für 2020 konkretisieren, dürfte dies zunächst zu Enttäuschungen führen, da negative Gewinnrevisionen vorprogrammiert sind. Dieser negative Effekt dürfte aber erneut von den Aussichten auf anhaltend niedrige Zinsen kompensiert werden. Vereinzelt werden Notenbanken 2020 die Zinsen sogar noch weiter senken. Die positiven Wirkungen der expansiveren Geldpolitik werden sich dann nach und nach bemerkbar machen. Zwar sind die konjunkturellen Effekte der expansiven Geldpolitik in den Industrieländern (im Unterschied zu den Schwellenländern) sehr begrenzt, das höhere Geldmengenwachstum sorgt aber für viel Liquidität, die angelegt werden muss, wenn sie nicht den Weg in die Realwirtschaft findet.
DAX: 14.000 Punkte sind erreichbar
Für die 30 DAX-Unternehmen rechnen wir vor dem Hintergrund unserer konjunkturellen Einschätzung mit einem Gewinnwachstum von rund sieben Prozent. Nachdem die Unternehmensgewinne sowohl 2018 als auch 2019 gesunken sind, wäre dies eine deutliche Verbesserung. Da die Umsätze nächstes Jahr kaum zulegen werden, kommt der Hauptimpuls für die Gewinne von der Kostenseite. Einsparungen und Effizienzprogramme sollten ihre Wirkung nicht verfehlen. Insofern ergibt sich auf Basis des aktuellen Bewertungsniveaus ein Kurspotential von etwa 14.000 Punkten. Da aber auch im kommenden Jahr die politischen Unsicherheiten nicht völlig abebben und zudem auch die Konjunkturdaten nicht nur nach oben zeigen werden, rechnen wir im Jahresverlauf mit ordentlichen Schwankungen. Für den Dax halten wir von daher eine Bandbreite von 11.500 bis 14.500 Punkten für wahrscheinlich. Für den Euro Stoxx 50 erwarten wir am Jahresende 2020 einen Indexstand von knapp 4.000 und für den Stoxx 50 einen von etwa 3.600 Punkten.
Das Potenzial für US-amerikanische Aktien schätzen wir für das Jahr 2020 etwas höher ein, da wir mit einem stärkeren Gewinnzuwachs im Vergleich zu europäischen Unternehmen rechnen. Ursache hierfür ist die bessere Entwicklung der US-Konjunktur, aber auch die Tatsache, dass es noch Potenzial für weitere Zinssenkungen gibt. Für das Jahresende 2020 erwarten wir den S&P 500 von daher bei 3.400 Punkten. Allerdings ist die Bewertung in einigen Sektoren sehr hoch, sodass Anleger hier die Gewinnentwicklung der Unternehmen eng verfolgen müssen. Dies gilt beispielsweise für US-Technologieunternehmen (vor allem aus dem Bereich Biotechnologie), für Versorger, aber auch für Firmen aus dem nicht-zyklischen Konsumsektor. Dagegen sind die Branchen Energie, Finanzwerte, Gesundheit sowie die Halbleiterindustrie eher günstig bewertet.
US-Präsidentschaftswahl wirft ihre Schatten voraus
Neben der wirtschaftlichen Entwicklung wird der Wahlkampf und die am 3. November 2020 stattfindende Präsidentschaftswahl einen entscheidenden Einfluss auf das Börsenjahr haben. Wahljahre in den USA sind in der Regel gute Börsenjahre, allerdings dürften vor dem Hintergrund des drohenden Amtsenthebungsverfahrens gegen Präsident Trump die gegenseitigen Attacken im Wahlkampf noch heftiger und bösartiger ausfallen als in den Wahlkämpfen zuvor. Der Ausgang der Wahlen dürfte zum Jahresende einen wichtigen Impuls für die Performance liefern. Sollten die Republikaner die Wahl gewinnen, wird dies aufgrund der in der Regel wirtschaftsfreundlich ausgerichteten Wahlprogramme die Aktienmärkte positiv beeinflussen.
Nach dem fulminanten Kursanstieg in diesem Jahr rechnen wir zu Beginn des neuen Jahres mit einer Verschnaufpause an den Märkten. Die hohen Bewertungen, die Frage, wie sich das politische Verhältnis zwischen den USA und China, aber auch zwischen den USA und Europa entwickelt und zunächst noch enttäuschende Ergebnisse von den Unternehmen für das vierte Quartal 2019 könnten die derzeit gute Stimmung belasten.
Im weiteren Jahresverlauf sollte der Optimismus aber zurückkehren, sodass dann auch wieder mit steigenden Aktienkursen zu rechnen ist.
Von daher sollte die Aktienquote zu Beginn des Jahres 2020 nicht komplett ausgeschöpft werden, um Zukäufe auf niedrigerem Niveau zu ermöglichen.
Unser Fokus liegt derzeit auf US-Titeln sowie in Europa auf defensiven Branchen, wie zum Beispiel dem Nahrungsmittel- und dem Gesundheitssektor. Größere Unternehmen sollten kleineren noch vorgezogen werden. In eine zu erwartende Konsolidierung hinein sollte die Aktienquote dann erhöht werden. Dann gilt es in Europa zyklischere Branchen und Unternehmen höher zu gewichten. Dazu gehören Aktien aus den Branchen Chemie, Grundstoffe und Industrie. Das wäre auch ein geeigneter Zeitpunkt, wieder stärker in kleinere Unternehmen aus dem MDAX oder dem TecDAX zu investieren.
Ein kurzer Ausblick auf den Arbeitsmarkt
Der Konsum ist der treibende Faktor für das Wirtschaftswachstum in den USA. Dazu hat auch die wachsende Zahl an Beschäftigten beigetragen und dies sollte auch in naher Zukunft so bleiben. Zumindest lassen die erwarteten Arbeitsmarktdaten nichts Gegenteiliges vermuten. Für den vergangenen Monat wird aktuell mit 185.000 Neueinstellungen gerechnet, was einen der höchsten Werte in diesem Jahr markiert. Entsprechende Arbeitsmarktdaten würden nicht nur die Ansicht des FED-Chefs Jerome Powell bekräftigen, dass es vorerst keiner weiteren Zinssenkungen bedarf, sondern außerdem Druck von US-Präsident Donald Trump nehmen, eine schnelle Einigung mit China zu erzielen.
Neben Aktienkursen auf Rekordniveau zeigt sich auch der US-Arbeitsmarkt bislang nämlich weitestgehend unbeeindruckt vom Zollstreit.
Nach wie vor niedrige Anträge auf Arbeitslosenunterstützung und eine weiterhin hohe Anzahl an Stellenangeboten deuten darauf hin, dass sich die US-Unternehmen weiter auf Wachstumskurs befinden und bislang davon absehen, Mitarbeiter zu entlassen. Sorgen bereitet allerdings ein Indikator aus der Privatwirtschaft. Das ADP-Forschungsinstitut berichtete diese Woche schwächer als erwartete Zahlen für den Arbeitsmarkt, welche zeigen, dass die Anzahl der Arbeitsplätze in der Privatwirtschaft im November mit dem geringsten Tempo seit sechs Monaten zugenommen hat. Dies stellt auch infrage, ob es tatsächlich zu den erwarteten 185 000 Neueinstellung im November gekommen sein wird. Der offizielle Arbeitsmarktbericht (privater und öffentlicher Sektor) wurde am 6. Dezember vom US-Arbeitsministerium bekannt gegeben und stützte insgesamt das positive Bild für den Arbeitsmarkt.
Autor: Carsten Klude
Carsten Klude studierte nach seiner Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Deutschen Bank VWL mit Schwerpunkt Ökonometrie in Kiel. 1996 kam er zu M.M.Warburg & CO, für die er zunächst die europäischen Kapitalmärkte analysierte und später mit der Leitung des Makro-Research betraut wurde. Seit dem Jahr 2009 ist Herr Klude Mitglied im Investmentrat von M.M.Warburg & CO und verantwortet seit dem Sommer 2013 das Asset Management der Bank. Zusätzlich ist Herr Klude seit dem Jahr 2010 Mitglied im Ausschuss für Wirtschafts- und Währungspolitik des Bundesverbandes deutscher Banken e.V., dessen Vorsitz er von 2015 bis 2018 inne hatte.
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