Ausblick 2020 (II): Konjunkturelle Erholung in den Industrieländern – bislang mehr Hoffnung als Realität
26. November 2019In der vergangenen Woche haben wir im ersten Teil unseres Jahresausblicks die Situation für die Weltwirtschaft und für die Schwellenländer analysiert. Heute geht es um die konjunkturellen Aussichten für die USA, die Eurozone und Deutschland. Der Handelsstreit zwischen den USA und China belastet den Welthandel und wirkt sich vor allem auf exportabhängige Volkswirtschaften negativ aus. Sollten sich die Fronten zwischen Washington und Peking nicht weiter verhärten, könnte sich der wirtschaftliche Ausblick in den meisten Industrieländern 2020 leicht verbessern, nicht zuletzt auch aufgrund der expansiveren Geldpolitik. Doch noch beruht eine solche Einschätzung mehr auf Hoffnungen als auf Fakten.
USA: Konjunkturelle Abschwächung, aber keine Rezession
Die US-Wirtschaft hat sich in diesem Jahr als Fels in der Brandung erwiesen. Während sich das Wirtschaftswachstum in den meisten anderen Industrieländern 2019 deutlich abschwächte und unter den Erwartungen blieb, ist es in den USA nur zu einer leichten Konjunkturabschwächung gekommen. Mit einem Wachstum des realen Bruttoinlandsproduktes von voraussichtlich 2,2 Prozent wird unsere vor einem Jahr erstellte Wachstumsprognose von 2,3 Prozent wohl nur knapp verfehlt. Dabei zeigen sich auch die USA nicht völlig immun gegenüber den negativen Effekten, die der Handelsstreit mit China mit sich bringt. Sowohl die Exporte als auch die Industrieproduktion weisen gegenüber dem Vorjahr eine rückläufige Tendenz auf.
Allerdings spielen diese beiden makroökonomischen Größen keine wichtige Rolle für die USA. Auch die Investitionen, die 2019 von den Steuersenkungen profitierten, wuchsen zuletzt kaum noch. Motor der US-Wirtschaft ist dagegen nach wie vor der private Verbrauch, der von den sehr guten Arbeitsmarktbedingungen und höheren Löhnen profitiert. Doch nicht nur die privaten Konsumenten geben viel Geld aus, auch der Staat sorgt mit seiner expansiven Fiskalpolitik für mehr Wachstum (allerdings auch für höhere Schulden), wobei sich dieser Effekt abschwächt. Im zweiten Quartal 2019 gingen vom Staatsverbrauch so starke Wachstumsimpulse aus wie zuletzt Anfang 2009, als die Obama-Regierung mit allen Mitteln versuchte, die Konjunktur zu stützen.
Der Ausblick in das Jahr 2020
2020 wird sich der konjunkturelle Aufschwung, der sich in seinem elften Jahr (Rekord!) befindet, mit schwächerer Dynamik fortsetzen. Wir prognostizieren ein reales BIP-Wachstum von 1,6 Prozent, allerdings deuten einige Frachtratenindizes aus dem Transportgewerbe darauf hin, dass es auch zu einem stärkeren konjunkturellen Abschwung kommen könnte.
Sein Ziel, eine Wachstumsrate von mindestens drei Prozent zu erreichen, wird US-Präsident Trump also erneut verfehlen.
Zwar gehen wir davon aus, dass sich der Arbeitsmarkt etwas abkühlen und die Einkommenszuwächse von daher geringer ausfallen werden, dennoch wird der private Verbrauch auch im nächsten Jahr um mehr als zwei Prozent wachsen, da sich die Konsumenten ein ordentliches Polster an Ersparnissen zugelegt haben. In schlechteren Zeiten können diese wieder aufgelöst oder reduziert werden. Die private Verschuldung ist mit 18,4 Billionen US-Dollar auf ein Rekordniveau angestiegen. Im Verhältnis zu den verfügbaren Einkommen scheint dies jedoch tragbar zu sein. Nicht zuletzt hat die Niedrigzinspolitik der US-Notenbank dazu beigetragen, dass der Schuldendienst, also der Anteil der Zinszahlungen an den Einkommen, mit weniger als zehn Prozent im historischen Vergleich sehr niedrig ist. Die drei in diesem Jahr von der Fed vorgenommenen Zinssenkungen von insgesamt 75 Basispunkten dürften zudem zu etwas höheren Bauinvestitionen führen.
Selbst wenn der Handelsstreit mit China beigelegt werden kann, dürfte die US-Wirtschaft hiervon nur unterdurchschnittlich profitieren – so wie umgekehrt die Bremseffekte weniger stark ausgeprägt waren. Auch wenn eine weitere Eskalation unter rationalen Gesichtspunkten nicht im Interesse des Präsidenten liegen sollte (seine Wiederwahl wäre umso wahrscheinlicher, je besser sich die Wirtschaft und der Aktienmarkt entwickeln), bleibt Trump in dieser Frage unberechenbar. Nachlassende Unsicherheiten beim Thema Handel könnten die Unternehmen wieder zu mehr Investitionen verleiten, allerdings könnte der Wahlkampf, am 3. November 2020 wird ein neuer Präsident bzw. eine Präsidentin gewählt, zu neuen Unsicherheiten führen, sodass wir keine großen Wachstumsimpulse von den Unternehmen erwarten. Dies könnte sich erst 2021 ändern.
Eurozone: Erste positive Konjunktursignale, aber Risiken bleiben
Die Wirtschaft in der Eurozone litt 2019 unter der Verlangsamung des Welthandels und den vielen politischen Risiken. Mit voraussichtlich 1,2 Prozent verfehlt das Wachstum in diesem Jahr unsere Prognose aus dem Vorjahr von 1,3 Prozent wohl nur knapp. Mittlerweile gibt es erste Signale, die als konjunkturelle Bodenbildung interpretiert werden könnten, allerdings bleiben die Unsicherheiten groß. Dies hat zum einen mit der Struktur vieler Volkswirtschaften im Euro-Raum zu tun, die über eine starke industrielle Basis verfügen und deren Wachstum maßgeblich von den Exporten beeinflusst wird. Zum anderen bleiben aber auch die politischen Rahmenbedingungen in vielen Ländern schwierig. Die zunehmende Komplexität moderner Gesellschaften hat zu einer Erosion, der lange Zeit dominanten Mitte-Rechts- und Mitte-Links-Parteien, geführt.
An deren Stelle gewinnen politische Akteure an den rechten und linken politischen Rändern an Einfluss. Dies führt im Ergebnis zu einer zunehmend weniger stabilen Regierungsmehrheiten.
Spanien, Portugal, Italien und selbst Deutschland sind hierfür Beispiele. Die Politik als Risikofaktor für die wirtschaftliche Entwicklung bleibt von daher ein wichtiger und kaum zu berechnender Faktor. Je nachdem, welche Wendungen es beim Thema Brexit im nächsten Jahr geben wird, ob dem Italiener Matteo Salvini ein politisches Comeback gelingt oder ob die Große Koalition in Berlin fortbesteht oder nicht, könnte dies deutliche Spuren beim Wirtschaftswachstum hinterlassen. Unter der Voraussetzung, dass die Politik der Wirtschaft in der Eurozone keinen (großen) Strich durch die Rechnung macht, erwarten wir 2020 ein reales Wirtschaftswachstum von 1,0 Prozent.
Ein kurzer Rückblick in das konjunkturschwache 2019
Die vor einem Jahr von uns prognostizierte globale Konjunkturabkühlung ist eingetreten, wobei die Abschwächung sogar stärker als erwartet ausgefallen ist. Wuchs die Weltwirtschaft 2018 noch mit einer Rate von 3,6 Prozent, so wird vom Internationalen Währungsfonds für dieses Jahr nur noch ein Zuwachs von 3,0 Prozent prognostiziert. Sowohl in den Industrie- als auch in den Schwellenländern zeigen sich deutlich Bremsspuren. Insbesondere die Abschwächung der globalen Handelsaktivitäten macht sich für viele Volkswirtschaften negativ bemerkbar. Der Welthandel lag im Spätsommer dieses Jahres unter seinem Vorjahresniveau; das war zuletzt in der schweren Wirtschaftskrise der Jahre 2008 und 2009 der Fall. Ohnehin geht die wirtschaftliche Abschwächung in vielen Ländern mittlerweile über das hinaus, was beispielsweise während der Schwächephase von Ende 2015 bis Anfang 2016 oder davor in den ebenfalls schwachen Wirtschaftsjahren 2012 und 2013 zu beobachten war. Während es damals vorwiegend die Industrieländer waren, auf die die globale Konjunkturabschwächung zurückzuführen war, sind es diesmal vor allem die Schwellenländer, deren Wachstum nachgelassen hat. Der Handelsstreit zwischen den USA und China zeigt Wirkung.
Globalen Frühindikatoren – Was erwartet uns im Jahr 2020?
Mit Blick auf die wichtigsten globalen Frühindikatoren kann derzeit noch nicht die Schlussfolgerung gezogen werden, dass eine konjunkturelle Trendwende zum Besseren unmittelbar bevorsteht. Allerdings hat sich die Tonlage zwischen den Streithähnen in Washington und Peking seit Mitte Oktober entspannt. Dies spiegelt sich zum Teil schon in den Stimmungsindikatoren wider, die sich zuletzt auf niedrigem Niveau stabilisiert haben. So ist es wahrscheinlich, dass sich beide Länder auf ein „Phase-1-Abkommen“ verständigen, das zumindest weitere Zollerhöhungen verhindert. Ob es dagegen im ersten Schritt, wie vor allem von China gewünscht, zu einer vollständigen Rücknahme der schon eingeführten Zölle kommt, ist zweifelhaft.
Sollte China zu sehr auf dieser Forderung beharren, droht sogar eine erneute Zuspitzung im Zollkrieg.
Doch dies ist nicht unser Basisszenario. Auch beim zweiten wichtigen politischen Thema, dem Brexit, das Verbraucher und Unternehmen verunsichert und damit das Wachstum bremst, gab es jüngst positivere Signale. So wird in Großbritannien am 12. Dezember ein neues Parlament gewählt, das den von Boris Johnson mit der EU ausgehandelten Scheidungsvertrag spätestens zum 31. Januar 2020 beschließen dürfte. Ein ungeregelter Austritt wäre damit erstmal vom Tisch, weil es bis Ende des kommenden Jahres eine Übergangszeit geben wird, in der das Vereinigte Königreich und die EU ihre zukünftigen Handelsbeziehungen neu ordnen können. Ohne eine Übereinkunft könnte es dann aber immer noch zu einem harten Brexit kommen.
Der globale Einkaufsmanagerindex zeigt, dass sich die Lage im verarbeitenden Gewerbe, das die Hauptlast der globalen Handelsabschwächung trägt, seit dem Sommer etwas verbessert hat. Mit 49,8 Punkten liegt der von IHS Markit ermittelte Einkaufsmanagerindex nur noch geringfügig unterhalb der Wachstumsschwelle von 50 Punkten. Dies ist vor allem auf die bessere Stimmung der Unternehmen in den USA und China zurückzuführen, wobei die „konkurrierenden“ Indizes aus beiden Ländern, in den USA der ISM-Index und in China der von staatlicher Seite berechnete NBS-PMI-Index, schwächere Werte zeigen. Allerdings liegen nur noch 35 Prozent aller von uns beobachteten PMI-Indizes aus dem verarbeitenden Gewerbe über der Marke von 50 Punkten. Dies ist der geringste Wert seit dem Jahr 2009. Die Stimmung der globalen Dienstleistungsunternehmen, die sich lange Zeit von der Schwäche der Industrie abkoppeln konnten, hat sich in den vergangenen Monaten ebenfalls merklich abgekühlt und liegt mit 51,0 Punkten nur noch knapp über der Grenze, die das Wachstum von einem Schrumpfen trennt. Noch liegen aber gut 80 Prozent der Länderindizes im Wachstumsbereich.
Auch die zweite wichtige Gruppe globaler Frühindikatoren, die OECD Leading Indicators, lässt noch nicht auf eine bevorstehende Erholung der Weltwirtschaft schließen. Zwar hat sich die Abwärtsbewegung der OECD-Frühindikatoren verlangsamt, sie ist aber noch nicht zum Stillstand gekommen. Von den knapp 50 Länder- und Regionalindikatoren wiesen im letzten Quartal weniger als zehn eine Verbesserung gegenüber dem Vormonat auf. Gleichzeitig liegt der Index nur bei fünf Ländern über dem Wert von 100 Punkten, der dem langfristigen Trendwachstum entspricht.
Dies spricht dafür, dass es zu keiner schnellen Erholung der Weltwirtschaft kommt, sondern dass sich die Phase eines vor sich hin dümpelnden Wachstums zunächst fortsetzen wird.
Aufgrund des US-Präsidentschafts-wahlkampfes gehen wir aber davon aus, dass sich die USA und China in den nächsten Monaten auf eine teilweise Beilegung ihres Handelsstreits verständigen werden. Würden die bestehenden Zölle eingefroren werden, könnte es im Laufe des nächsten Jahres zu einer moderaten Erholung der Weltwirtschaft kommen. In unserem Basisszenario rechnen wir mit einem globalen Wirtschaftswachstum von 3,2 Prozent, also einem etwas höheren Wert im Vergleich zu diesem Jahr. Sollten die Zölle hingegen komplett abgeschafft werden, könnte das Wachstum um bis zu einem halben Prozentpunkt besser ausfallen. Umgekehrt würde es bei einer erneuten Eskalation und damit einem ausgewachsenen Handelskrieg zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Erde wohl unausweichlich zu einer globalen Rezession kommen.
Wer wird vom Jahr 2020 profitieren?
In unserem Basisszenario profitieren die Länder am stärksten, die in diesem Jahr besonders unter der Verlangsamung des Welthandels gelitten haben: vor allem Schwellenländer und einige Industrieländer, bei denen ein besonders hoher Anteil ihrer Wertschöpfung auf den Außenhandel und die Industrie entfällt. Bei den Schwellenländern dürfte sich das Wachstum beispielsweise in Singapur, Malaysia, Thailand und Südkorea erholen. Besonderes Gewicht für die Weltwirtschaft und damit für das globale Wachstum haben aber vor allem die vier großen BRIC-Länder. Neben China auf Platz zwei der globalen Rangliste der nach Wirtschaftsleistung größten Länder, sind dies Indien auf Platz fünf, Brasilien auf Rang neun und Russland auf elf. Nimmt man es genau, gehören Italien und Kanada mittlerweile nicht mehr zu den G7-Ländern, und auch Frankreich und Großbritannien werden wohl in den nächsten Jahren von Brasilien, Russland und Südkorea überholt werden.
Ein Ausblick nach…
…China. Hier hält der konjunkturelle Abwärtstrend an. Ein rückläufiges Wachstum der Industrieproduktion, der Einzelhandelsumsätze und der Investitionen dürften dazu führen, dass das BIP-Wachstum im vierten Quartal 2019 unter die Marke von sechs Prozent fällt. Die expansivere Geld- und Fiskalpolitik zeigen bislang wenig Wirkung, sodass weitere konjunkturstützende Maßnahmen von der Regierung in Peking ergriffen werden dürften. Dies sollte die Wirtschaft im Laufe des nächsten Jahres stabilisieren, sodass eine Wachstumsrate von 5,6 Prozent erreicht werden sollte. Der Preis zusätzlicher expansiver wirtschaftspolitischer Programme sind noch höhere Überkapazitäten in vielen Industriebereichen und eine weiter steigende Verschuldung der Unternehmen. China könnte somit in absehbarer Zeit Auslöser einer neuen globalen Finanzkrise werden. Ein weiteres Risiko stellen die politischen Unruhen in Hongkong dar. Sollte China militärisch intervenieren, würde dies ein Handelsabkommen mit den USA gefährden und vermutlich weitere Sanktionen nach sich ziehen. Dies würde die Wachstumsaussichten im Reich der Mitte weiter schwächen.
…Indien. Hier ist es in diesem Jahr zu einer massiven Konjunkturabschwächung gekommen. Die offizielle Wachstumsprognose von 6,1 Prozent ist immer noch zu optimistisch, mehr als 5,5 Prozent dürften es kaum werden. Damit fällt Indien das erste Mal seit vielen Jahren wieder hinter China zurück. Gründe hierfür sind ein geringes Wachstum in der Landwirtschaft, die Krise der Automobilindustrie und ein schwächelnder Bankensektor. Obwohl die Notenbank den Leitzins seit Jahresbeginn von 6,5 auf 5,15 Prozent gesenkt hat, schauen die meisten indischen Unternehmen sehr pessimistisch in die Zukunft. Allerdings sollte die geldpolitische Lockerung, verbunden mit der kräftigen Senkung der Unternehmenssteuern von 30 auf 22 Prozent dazu führen, dass sich das Wachstum schrittweise erholt. Mit rund sechs Prozent könnte das Wirtschaftswachstum im nächsten Jahr dann wieder höher ausfallen als in diesem – und höher als in China. Langfristig profitiert die indische Wirtschaft von ihrer jungen und weiter wachsenden Bevölkerung, sodass der private Verbrauch seine derzeitige Schwächephase bald überwinden sollte.
… Brasilien und Russland. Auch in diesen Ländern hat sich die wirtschaftliche Dynamik in diesem Jahr abgeschwächt. Wie von uns befürchtet, haben sich die letztjährigen Prognosen des IWF somit als zu optimistisch erwiesen. Für 2020 geht der Währungsfonds erneut davon aus, dass sich die Wirtschaft in beiden Ländern erholen wird. Zwar halten wir das Ausmaß der erwarteten Wachstumsbeschleunigung (in Brasilien von 0,9 auf 2,0 Prozent und in Russland von 1,1 auf 1,9 Prozent) für zu ambitioniert, eine Verbesserung der Zuwachsraten gegenüber diesem Jahr halten wir aber für wahrscheinlich. Wie in anderen Ländern haben auch die brasilianische und die russische Zentralbank in den vergangenen Monaten die Zinsen deutlich gesenkt. In Brasilien wurde der Leitzins um 150 Basispunkte auf 5 Prozent und in Russland um 125 Basispunkte auf 6,5 Prozent gesenkt. Da die Inflationsrate in beiden Ländern sinkt, sind weitere geldpolitische Lockerungen wahrscheinlich. Zudem nimmt die Fiskalpolitik eine expansivere Rolle ein. Dies ist vor allem in Russland der Fall, wo die Regierung zahlreiche neue Projekte auf den Gebieten Infrastruktur, Gesundheit und Bildung auf den Weg gebracht hat. In beiden Ländern hat sich die Stimmung unter den Unternehmen jüngst wieder verbessert, vor allem Firmen aus dem Dienstleistungssektor schauen zuversichtlicher nach vorne. Dass die Bäume aus ökonomischer Sicht aber nicht in den Himmel wachsen, ist darauf zurückzuführen, dass die für die Exporte wichtigen Rohstoffpreise niedrig bleiben.
Deutsche Konjunkturdaten – Was uns im kommenden Jahr weiterhin beschäftigen wird
Mit schwachen deutschen Konjunkturdaten, besonders aus der Industrie, wuchs zuletzt die Sorge, dass sich das BIP-Wachstum zwischen Juli und September negativ gegenüber dem Vorquartal entwickeln und Deutschland damit in eine technische Rezession (zwei aufeinanderfolgende Quartale mit negativer BIP-Veränderung) laufen würde. Eine flaue Weltkonjunktur, globale Handelskonflikte und das Brexit-Chaos treffen die deutsche Exportnation besonders hart, allen voran die Autoindustrie. Entsprechend düster waren die Erwartungen für die Sommermonate. Nach einem rückläufigen zweiten Quartal von revidiert -0,2 (bisher -0,1), wurde im Konsens mit einem erneuten, leichten Rückgang von -0,1 Prozent gerechnet.
Entgegen dieser Erwartungen ist es Deutschland allerdings gelungen, der Rezession noch einmal zu entgehen.
Das Bruttoinlandsprodukt wuchs laut Statistischem Bundesamt um 0,1 Prozent im Vergleich zum Vorquartal. Rückenwind erhielt die deutsche Konjunktur vor allem durch die gute Kauflaune der Verbraucher. Auch der Staat steigerte seine Konsumausgaben. Sogar die Exporte legten zu. Rückläufig waren dagegen die Investitionen in Ausrüstungen, was auf nach wie vor gedämpfte Geschäftserwartungen der Unternehmer schließen lässt. „Wir haben keine technische Rezession, aber die Wachstumszahlen sind noch zu schwach“, konstatierte Wirtschaftsminister Peter Altmaier richtig. Die deutsche Wirtschaft ist seit Frühjahr 2018 kaum gewachsen. Außerdem ist der Ausblick für den Rest des Jahres und für 2020 von vielen Fragezeichen geprägt: Wird es eine Einigung im Handelskonflikt zwischen den USA und China geben? Kühlt sich die chinesische Wirtschaft weiter ab? Kann die US-Wirtschaft ihr Wachstumstempo beibehalten? Löst sich das Brexit-Chaos auf? Die zunächst erfreuliche Überraschung, dass Deutschland der technischen Rezession entkommen ist, sowie eine Bodenbildung bei einigen Frühindikatoren geben also nur bedingt Grund zum Aufatmen.
Autor: Carsten Klude
Carsten Klude studierte nach seiner Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Deutschen Bank VWL mit Schwerpunkt Ökonometrie in Kiel. 1996 kam er zu M.M.Warburg & CO, für die er zunächst die europäischen Kapitalmärkte analysierte und später mit der Leitung des Makro-Research betraut wurde. Seit dem Jahr 2009 ist Herr Klude Mitglied im Investmentrat von M.M.Warburg & CO und verantwortet seit dem Sommer 2013 das Asset Management der Bank. Zusätzlich ist Herr Klude seit dem Jahr 2010 Mitglied im Ausschuss für Wirtschafts- und Währungspolitik des Bundesverbandes deutscher Banken e.V., dessen Vorsitz er von 2015 bis 2018 inne hatte.
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