Welchen Einfluss haben Populisten auf die Wirtschaft?

In den letzten Jahren hat sich der politische Ton verschärft und populistische Regierungen sind zunehmend salonfähig geworden: Recep Tayyip Erdogan in der Türkei, Nicolás Maduro in Venezuela oder Viktor Orbán in Ungarn sind nur einige Beispiele für populistische Regierungsführer. Darüber hinaus könnte mit Blick auf eine mögliche Wiederwahl von Donald Trump in diesem Jahr wieder ein populistischer Regierungsführer an der Spitze der größten Volkswirtschaft der Welt stehen.

Welche Ähnlichkeiten gibt es?

Egal ob Populisten dem linken oder rechten Lager zuzuordnen sind, sie ähneln sich sehr häufig in ihrem Auftreten und ihren Versprechen. Typischerweise verstehen sie sich als Anti-Establishment-Politiker, vertreten das „gemeine Volk“ und versprechen dessen wirtschaftliche Lage zu verbessern. Inwieweit populistische Regierungsführer ihre Versprechen tatsächlich einlösen und die wirtschaftliche Lage ihrer Anhänger verbessern, klären wir in dieser Ausgabe von Konjunktur und Strategie.

„Populist Leaders and the Economy“

Da die Eingangsfrage nicht nur äußerst komplex, sondern auch emotional aufgeladen ist, haben wir nach einer wissenschaftlich fundierten Studie gesucht, die eine möglichst lange Historie sowie eine Vielzahl von unterschiedlichen Volkswirtschaften abdeckt. Bei unserer Suche sind wir auf den international viel beachteten Aufsatz „Populist Leaders and the Economy“ von Dr. Manuel Funke, Prof. Dr. Moritz Schularick und Prof. Dr. Trebesch gestoßen.[1]

Haben populistische Regierungsführer einen positiven oder negativen Effekt auf die Wirtschaft?

Funke, Schularick und Trebesch (2022), „Populist Leaders and the Economy“, S.15

Wie ist die Studie aufgebaut? Um die Frage zu beantworten, ob populistische Regierungsführer einen positiven oder negativen Effekt auf die wirtschaftliche Entwicklung einer Volkswirtschaft haben, betrachteten die Forscher knapp 1.500 Regierungsführer aus 60 Ländern und klassifizierten sie als Populist oder Nicht-Populist.

Wie definiert man einen Populisten?

In Anlehnung an die in der Wissenschaft üblichen Definition zeichnen sich Populisten dadurch aus, dass sie den angeblichen Kampf des Volkes („wir“) gegen die Eliten („sie“) in den Mittelpunkt ihrer politischen Kampagne und ihres Regierungsstils stellen. Dabei drücken Linkspopulisten ihren Anti-Elitismus überwiegend im wirtschaftlichen Kontext aus und greifen kapitalistische Eliten an, die angeblich das Land auf Kosten des Volkes ausplündern. Im Gegensatz dazu äußert sich der Anti-Elitismus von Rechtspopulisten überwiegend im kulturellen Kontext und richtet sich gegen dritte Gruppe wie Ausländer sowie ethnische und religiöse Minderheiten, die die vermeintlich nationale Identität und Kultur bedrohen.


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Wie sehen die Ergebnisse aus?

Zunächst einmal haben die Autoren insgesamt 51 Populisten im Zeitraum von 1900 bis 2020 identifiziert, wobei bis in die 1990er Jahre Linkspopulisten aus Lateinamerika dominierten. Seitdem stieg vor allem in Europa der Anteil an Rechtspopulisten an.

Ferner fiel auf, dass die durchschnittliche Amtszeit von Populisten doppelt so lang ausfiel wie von Nicht-Populisten.

Gleichzeitig nahm die Amtszeit von Populisten typischerweise ein nicht „reguläres“ Ende, sondern wurde beispielsweise durch ein Amtserhebungsverfahren, eine Machtübernahme durch das Militär oder einen Selbstmord beendet.

Funke, Schularick und Trebesch (2022), „Populist Leaders and the Economy“, S.16

Fazit der Studie: Populisten sind schlecht für die Wirtschaft

Mit Blick auf das Versprechen von Populisten, die wirtschaftlichen Situation des „gemeinen Volkes“ zu verbessern, fällt das Ergebnis der Autoren eindeutig aus:

Populistische Regierungsführer sind schlecht für die Wirtschaft und rufen langanhaltende negative Effekte hervor.

Da Populisten aber nicht zufällig an die Macht kommen, sondern häufig im Nachgang von ökonomischen Krisen, ist es nicht trivial, den kausalen Zusammenhang zu schätzen. Aus diesem Grund verwenden die Wissenschaftler verschiedene Strategien.

Zunächst vergleichen die Autoren die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts relativ zum bisherigen Trendwachstum. Die Ergebnisse sind in der folgenden Abbildung dargestellt. Dabei fällt auf, dass das Wirtschaftswachstum unter der Führung von Populisten (rote gestrichelte Linie) zwar in den ersten drei Jahren auf dem Niveau des Trendwachstums liegt, danach allerdings deutlich nach unten abweicht.

So fällt das Wirtschaftswachstum 15 Jahre nach dem Amtsantritt des Populisten im Vergleich zum projizierten Trendwachstum rund zwölf Prozentpunkte geringer aus.

Dabei spielt es laut der Studie keine signifikante Rolle, ob es sich um Links- oder Rechtspopulisten handelte.

Funke, Schularick und Trebesch (2022), „Populist Leaders and the Economy“, S.27

Mit was lässt sich das vergleichen?

Zu einem identischen Ergebnis kommen die Wissenschaftler, wenn sie anstelle des Trendwachstums die wirtschaftliche Entwicklung einer Doppelgänger Volkswirtschaft zugrunde legen. Vereinfacht gesagt, werden Doppelgänger (nicht-populistisch geführt) gesucht, die eine vergleichbare wirtschaftliche Entwicklung und Struktur aufweisen wie das populistisch geführte Land.

Analog zur ersten Herangehensweise finden die Wissenschaftler erneut ein signifikant schlechteres Wirtschaftswachstum in den Volkswirtschaften unter populistischer Führung.

Aber nicht nur die Bruttowertschöpfung fällt geringer aus, sondern auch andere Indikatoren verschlechtern sich: So geht mit der populistischen Regierung auch eine wirtschaftliche Abschottung, ein Anstieg der Schuldenquote und Erosion der institutionellen Qualität einher (z.B. gemessen an der Pressefreiheit). Aber auch eine Verbesserung der Einkommensverteilung und damit eine Besserstellung des „gemeinen Volkes“ stellte sich im Durchschnitt nicht ein.

Wie lautet unser Fazit?

Wie die erste Abbildung unterstreicht sind populistische Regierungsführer in den letzten Jahren wieder salonfähig geworden.

Mit der möglichen Wiederwahl von Donald Trump steht ein weiterer an der Schwelle zur größten Volkswirtschaft der Welt.

Daher ist es aus unserer Sicht umso wichtiger, auf die erheblichen wirtschaftlichen Kosten des Populismus hinzuweisen. Auch wenn Populisten eine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation des „gemeinen Volkes“ versprechen, zeigt die empirische Studie „Populist Leaders and the Economy“ sehr eindrucksvoll, dass es sich dabei meist um leere Versprechen handelt. Gleichzeitig dürfen die gravierenden Einschnitte der Populisten in das öffentliche Leben, sei es beispielsweise in die Presse- oder Meinungsfreiheit, nicht vergessen werden.

Foto von Unsplash von Leio McLaren 


[1] https://www.ifw-kiel.de/de/publikationen/populist-leaders-and-the-economy-32004/, 25. April. Als Einstieg empfiehlt sich auch das dazugehörige YouTube-Video: https://www.youtube.com/watch?v=CtD0_cl2ZlA

Simon Landt

Autor: Simon Landt

Simon Landt hat einen Bachelor der Volkswirtschaftslehre der Universität Kiel sowie einen Master in Quantitative Finance und in Quantitative Economics an der Universität Kiel und an der School of Economics and Business der Universität Ljubljana absolviert. Nach seinem einjährigen Traineeprogramm startete er als Analyst im Makro Research. Seit Oktober 2021 arbeitet Simon Landt im Makro Research zusammen mit Carsten Klude und Dr. Christian Jasperneite. Er ist spezialisiert auf Analysen des aktuellen Marktumfeldes und die Bedeutung für Aktien- und Anleihenmärkte. Seit März 2024 unterrichtet Simon Landt den Masterkurs „Portfolio- und Assetmanagement“ an der Northern Business School.

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