Was bedeutet der robuste US-Arbeitsmarkt für Investoren?

Der jüngste Arbeitsmarktbericht für die USA sorgte an den Kapitalmärkten für Erleichterung und auch viele Volkswirte dürften durch die neuen Arbeitsmarktdaten ihre Konjunktur- und Inflationsprognosen anpassen.

Denn mit 223.000 neu geschaffenen Stellen außerhalb der Landwirtschaft wurden die Markterwartungen wie schon in den Vormonaten übertroffen. Vor allem die Freizeit- und Gesundheitsbranche sowie das Bauwesen verzeichneten im Dezember 2022 kräftige Zuwächse. Somit konnte der Covid-19 bedingte Beschäftigungseinbruch in 2022 weiter wettgemacht werden.

Die Beschäftigung liegt weiterhin unterhalb des Niveaus vor der Corona-Pandemie

Allerdings liegt der Beschäftigungspfad nach wie vor unter dem Trend der Jahre vor der Corona-Pandemie. Damit besteht – sofern es zu keinen strukturellen Veränderungen am Arbeitsmarkt gekommen ist – weiteres Potential für die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Aber nicht nur der Anstieg der Erwerbstätigenzahlen, sondern auch der Rückgang der Arbeitslosenquote auf den historischen Tiefstand von 3,5 Prozent sowie die geringen Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe zeigen, dass der Arbeitsmarkt weiterhin in einer sehr guten Verfassung ist.

Implikationen für den Konjunkturausblick

Was bedeutet das für den Konjunkturausblick? Solange die Zahl der Erwerbstätigen weiter ansteigt und die Arbeitslosenquote auf einem geringen Niveau verharrt, verfügen die privaten Haushalte über genügende finanzielle Mittel, um weitere Konsumausgaben zu tätigen. Damit stützt der private Konsum, der rund 70 Prozent zur gesamten US-Wertschöpfung beiträgt, die Wirtschaft. Daraus resultiert die Erwartung und Hoffnung vieler Marktteilnehmer/-innen, dass die von vielen Volkswirten prognostizierte Rezession, wenn überhaupt, nur kurz und mild ausfällt.

Der private Konsum trägt mit rund 70 Prozent zur gesamten US-Wertschöpfung bei.

Jedoch darf nicht vergessen werden, dass die nach wie vor sehr hohen Inflationsraten zu einem realen Einkommensverlust der Haushalte führen und die Konsumneigung somit negativ tangieren, was zuletzt an einem Rückgang der Sparquote der privaten Haushalte abzulesen war. Bis jetzt konnten die Verbraucher/-innen den realen Kaufkraftverlust durch finanzielle Reserven, die sie während der Corona-Lockdowns aufgebaut haben, abfedern. Jedoch stellt sich die Frage, wie lange die Rücklagen vor allem in den unteren Einkommensschichten noch ausreichen.

Die jüngsten Lohnentwicklungen wurden positiv vom Markt aufgenommen

Neben dem erfreulichen Beschäftigungszuwachs wurde die jüngste Lohnentwicklung von den Marktteilnehmern/-innen ebenfalls positiv aufgenommen. Zwar sind die Lohnsteigerungsraten seit Mitte des Jahres 2021 überdurchschnittlich hoch ausgefallen, allerdings deuten die neusten Lohndaten auf keine Verschärfung der Lage hin. So sind beispielsweise die durchschnittlichen Stundenlöhne rückläufig gewesen und fielen auf eine Jahresrate von fünf Prozent. Bei der Entwicklung des Atlanta Fed Wage Trackers, der mit Hilfe von Bevölkerungsumfragen die Nominallohnentwicklung amerikanischer Arbeitnehmer/-innen misst, ist allerdings noch kein deutlicher Rückgang zu beobachten – ein weiterer Anstieg ist aber auch nicht festzustellen.

Besteht weiterhin die Möglichkeit einer Lohn-Preis-Spirale?

Ist die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale und eines damit verbundenen Inflationsschubs gebannt? Wie auch andere Volkswirte haben wir im letzten Jahr die Lohnentwicklung in den USA genau beobachtet und die Wahrscheinlichkeit von Zweitrundeneffekten aufgrund starker Lohnsteigerungen als hoch eingeschätzt. Auf Basis der aktuellen Lohndaten sowie der Tatsache, dass die Einkommen nur unterproportional zum allgemeinen Preisniveau ansteigen, kommen wir zu dem Schluss, dass sich die Gefahr einer ausufernden Lohn-Preis-Spirale in Grenzen hält – für eine endgültige Entwarnung ist es aber noch zu früh.

Welche Faktoren können den Lohndruck weiter senken?

Was würde zu einer Entspannung am US-Arbeitsmarkt beitragen und den Lohndruck senken? Zum einen müsste das Verhältnis zwischen Arbeitslosen und offenen Stellen wieder spürbar ansteigen. Aktuell stehen 100 offenen Stelle in den USA nur rund 60 Arbeitslose gegenüber – im historischen Durchschnitt waren es knapp 220 Arbeitslose. Dieses frappierende Missverhältnis stärkt die Verhandlungsposition der Arbeitnehmer/-innen und führt in der Theorie zu höheren Lohnabschlüssen.

In den USA stehen 100 offenen Stellen rund 60 Arbeitslose gegenüber – im historischen Durchschnitt sind es knapp 220 Arbeitslose.

Erhöhung des Arbeitsangebots sowie technologischer Fortschritt senken den Lohndruck

Zum anderen ist die Erwerbsquote, also das Verhältnis zwischen Erwerbspersonen und der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter, im Zuge der Corona-Pandemie deutlich eingebrochen. Vor allem ältere Bevölkerungsschichten haben sich entschlossen, ihre Arbeitskraft nicht länger anzubieten und stattdessen frühzeitig in den Ruhestand zu gehen. Diese Entwicklung war und ist bereits ein Vorgeschmack auf den demografischen Wandel, der in den kommenden Jahren zu einem weiteren und kräftigen Rückgang der verfügbaren Arbeitskräfte führen wird. Um den Lohndruck künftig zu senken, sind also sowohl eine erfolgreiche Integrationspolitik, die das Arbeitsangebot erhöht, als auch ein weiterer technologischer Fortschritt, der die Arbeitsnachfrage senkt, notwendig.

Sind sinkende Lohnsteigerungsraten aus volkswirtschaftlicher Sicht denn überhaupt sinnvoll?

Bei der Lohnentwicklung handelt es sich um ein zweischneidiges Schwert. Nehmen die Löhne nur moderat zu oder verharren sie gar, sinkt die reale Kaufkraft vor dem Hintergrund der aktuell hohen Inflationsraten, sodass die privaten Konsumausgaben zurückgehen und sich die Konjunktur abkühlt. Auf der anderen Seite ist ein zu starkes Lohnwachstum in Form einer Lohn-Preis-Spirale ebenfalls nicht gewollt, denn damit steigt der Inflationsdruck und führt abermals über einen realen Kaufkraftverlust zu einer sinkenden Nachfrage. Wie bei so vielen Dingen im Leben dürfte der goldene Mittelweg zum Ziel führen und den gesamtwirtschaftlichen Nutzen maximieren.

Insgesamt ist die US-Wirtschaft in einer relativ komfortablen Position

Insgesamt befindet sich die US-Wirtschaft aus Investorensicht in einer relativ komfortablen Position: Zum einen deutet der nach wie vor robuste Arbeitsmarkt isoliert betrachtet auf keinen wirtschaftlichen Einbruch hin. Allerdings hat die Vergangenheit gezeigt, dass zwischen dem offiziellen Beginn einer Rezession in den USA und dem Anstieg der Arbeitslosenquote oftmals Monate vergehen. So lagen bei den letzten drei Rezessionen – die Corona-Pandemie ausgenommen – jeweils sieben, elf und sechzehn Monate zwischen dem Tiefpunkt der Arbeitslosenquote und dem Beginn der Rezession. Nehmen wir an, dass im Dezember 2022 die niedrigste Arbeitslosenquote in den USA erreicht wurde, bleibt statistisch betrachtet noch Zeit bis zu einer Rezession. Zum anderen nimmt die Wahrscheinlichkeit unerwarteter weiterer Zinsschritte der Fed ab, da die Einkaufsmanagerindizes eine Verlangsamung des Wirtschaftswachstums signalisieren und den nachfrageseitigen Inflationsdruck senken.

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Simon Landt

Autor: Simon Landt

Simon Landt hat einen Bachelor der Volkswirtschaftslehre der Universität Kiel sowie einen Master in Quantitative Finance und in Quantitative Economics an der Universität Kiel und an der School of Economics and Business der Universität Ljubljana absolviert. Nach seinem einjährigen Traineeprogramm startete er als Analyst im Makro Research. Seit Oktober 2021 arbeitet Simon Landt im Makro Research zusammen mit Carsten Klude und Dr. Christian Jasperneite. Er ist spezialisiert auf Analysen des aktuellen Marktumfeldes und die Bedeutung für Aktien- und Anleihenmärkte. Seit März 2024 unterrichtet Simon Landt den Masterkurs „Portfolio- und Assetmanagement“ an der Northern Business School.

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