Notenbanken: Reden ist Silber, Handeln ist Gold

Der kräftige Renditeanstieg der vergangenen Wochen hat mittlerweile auch die Notenbanken auf den Plan gerufen. Dabei wurde eins deutlich: Sowohl die US Federal Reserve als auch die Europäische Zentralbank haben darauf hingewiesen, die jeweiligen Leitzinsen auf dem aktuellen Niveau halten zu wollen. Damit der Renditeanstieg das fragile Wachstum nicht abwürgt, sollte die EZB nicht mehr lange nur reden, sondern bald handeln.

Sowohl von Seiten der US Federal Reserve als auch von der Europäischen Zentralbank gab es Mitglieder, die sich zu dem Renditeanstieg geäußert haben. Dabei wurde eins deutlich: Beide Zentralbanken haben nachdrücklich darauf hingewiesen, dass sie trotz der sich abzeichnenden Konjunkturerholung und der Erwartung temporär steigender Inflationsraten die jeweiligen Leitzinsen noch für einen längeren Zeitraum auf dem aktuellen Niveau halten wollen. Auch wenn Notenbanken mit ihrer Geldpolitik nur die kurzfristigen Zinsen direkt beeinflussen können, hängt die Entwicklung der langfristigen Zinsen maßgeblich von den Erwartungen ab, wie sich die Leitzinsen entwickeln werden.

Renditeanstieg: Rentenmarkt zeigt sich unbeeindruckt

Von den verbalen Kommunikationsversuchen der Notenbanker hat sich der Rentenmarkt aber nicht beeindrucken lassen. Die Rendite 10-jähriger US-Treasuries liegt mittlerweile bei knapp 1,5 Prozent, fast 60 Basispunkte höher als zu Jahresbeginn. Bundesanleihen mit 10-jähriger Restlaufzeit rentieren mit
-0,31 Prozent etwa 25 Stellen höher.

Dem Phänomen steigender Kapitalmarktrenditen kann sich derzeit kein Land widersetzen

Von den gut 30 Märkten mit 10-jährigen Staatsanleihen, die wir untersucht haben, weisen derzeit alle höhere Renditen auf als zu Jahresbeginn. Besonders ausgeprägt sind die negativen Wertentwicklungen mit rund minus sechs Prozent (aus Kurs und zeitanteiligem Kupon, jeweils in Landeswährung) in Neuseeland, Kanada und Australien, während in Griechenland, Irland, China und Südafrika nur geringe Verluste entstanden sind.

Die Erwartungen einer steigenden Inflation und niedriger Zinsen

Ursächlich für diese schlechte Wertentwicklung der Staatsanleihen sind vor allem die gestiegenen Inflationserwartungen – und damit verbunden die implizite Befürchtung, dass die Notenbanken ihre heutigen Versprechungen anhaltend niedriger Zinsen nicht einhalten können. So sind beispielsweise die Rohstoffpreise seit Ende des vergangenen Jahres stark angestiegen:

  • Kupfer und Eisenerz sind so teuer wie seit rund zehn Jahren nicht mehr,
  • und auch Öl hat seinen Corona-bedingten Einbruch aus dem vergangenen Jahr wieder wettgemacht.

Hierin spiegelt sich zum einen eine höhere Nachfrage (Kupfer und Eisenerz profitieren beispielsweise vom Konjunkturaufschwung in China), zum anderen ein gesunkenes Angebot wider (gedrosselte Ölproduktion der OPEC und wetterbedingter Produktionsausfall in Texas). Der S&P Goldman Sachs Commodity Index, in den mehr als 20 verschiedene Rohstoffpreise eingehen, liegt derzeit etwa 60 Prozent über dem Niveau von April 2020.

Die schlechte Nachricht: Die Inflationsraten werden steigen

Der Anstieg der Rohstoffpreise wird in den kommenden Monaten unweigerlich zu deutlich höheren Inflationsraten führen, denn der Gleichlauf mit den Konsumentenpreisindizes aus den USA und der Eurozone ist verhältnismäßig groß. Die Gesamtinflationsraten werden von daher in den Sommermonaten auf drei, vielleicht sogar auf vier Prozent ansteigen, wenn sich die Rohstoffpreise auf dem derzeitigen Niveau stabilisieren.

Die gute Nachricht: die Kerninflationsrate verändert sich kaum

Die Auswirkungen auf die sogenannte Kerninflationsrate, die für die Geldpolitik der Notenbanken die entscheidende Rolle spielt, ist wesentlich geringer. Zudem ist der starke Preisanstieg auf die geringe Vorjahresbasis zurückzuführen, sodass es sich nur um eine temporäre Entwicklung handeln dürfte. Doch bis wirklich jedem klar ist, dass es sich bei dieser Entwicklung nur um einen „Preisbuckel“ handelt, werden noch einige Monate vergehen. Und in dieser Zeit könnte sich der Renditeanstieg der Staatsanleihen fortsetzen.

Wenn alles reden nichts bringt, hilft nur noch handeln

Welche Möglichkeiten haben die Notenbanken, einen aus ihrer Sicht unerwünschten Zins- und Renditeanstieg in die Schranken zu weisen?

  1. Die US-Notenbank könnte das Volumen ihrer Wertpapierankäufe erhöhen, so wie es schon in den vergangenen beiden Wochen der Fall gewesen ist. Allerdings gibt es bislang keine einhellige Meinung unter den FOMC-Mitgliedern, ob die Fed das Tempo der Bilanzausweitung nochmal erhöhen sollte. Dennoch wäre eine Politik der „Yield Curve Control“, in der die Notenbank eine explizite Obergrenze für die Rendite bestimmter Anleihelaufzeiten vorgibt, das mit Abstand wirkungsvollste Instrument, um eine Entwicklung wie in den vergangenen Wochen zu unterbinden. In einer Phase, in der sich die Konjunktur erholt, findet eine solche Maßnahme aber vermutlich keine Mehrheit.
  2. Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass die Notenbank die Laufzeitstruktur ihrer Anleihebestände verändert. Diese „Operation Twist“, bei der kurzlaufende Anleihen verkauft und langlaufende Anleihen gekauft werden, wurde das letzte Mal im September 2011 beschlossen. Damals stellte sich der gewünschte Effekt ein, und die Rendite für 10-jährige US-Treasuries ging deutlich zurück. Allerdings waren 2011 die wirtschaftlichen Perspektiven negativer als heute, sodass die Renditen vermutlich erst noch weiter ansteigen müssen, bis die Notenbank einen derartigen Beschluss trifft.

Die EZB kämpft derzeit sogar an zwei Fronten: höhere Renditen und ein stärkerer Euro

Ähnliche Handlungsoptionen wie für die Federal Reserve gibt es auch für die Europäische Zentralbank. Mit höheren Renditen und einem stärkeren Euro verschlechtern sich aber die Finanzierungsbedingungen der Unternehmen. Dies ist der Grund, weshalb sich viele Mitglieder des EZB-Rates in den vergangenen Tagen besorgt über die aktuellen Entwicklungen geäußert haben.

Hinzu kommt, dass das Konjunktur- und Inflationsszenario – anders als in den USA – deutlich widersprüchlicher ist. Denn während die USA dank des schnellen Impffortschritts und der Erwartung eines großen Fiskalprogramms 2021 ein wahres Wachstumsfeuerwerk abbrennen dürften, stellt sich die Situation in der Eurozone weniger positiv und vor allem heterogener dar.

Dies betrifft nicht nur die Wachstums- sondern auch die Inflationsperspektiven. So ist der deutliche Anstieg der Preissteigerungsraten zu Jahresbeginn, der wesentlich kräftiger ausfiel als in den USA, auf einige wenige Länder und auf einige Sonderfaktoren zurückzuführen. Während beispielsweise die Inflationsrate in Deutschland und in den Niederlanden stark angestiegen ist, weisen Frankreich und Spanien geringere Inflationsraten auf, die im Februar zudem schon wieder unter den Januar-Werten lagen.

Hinzu kommt, dass der starke Preisanstieg zu Jahresbeginn auf einige wenige Gütergruppen beschränkt war, wie z.B. Bekleidung und Schuhe. Angesichts der Tatsache, dass fast alle Einzelhändler aus diesen beiden Branchen ihre Geschäfte geschlossen halten mussten, stellt sich die Frage, wie akkurat die Preise hier überhaupt gemessen werden konnten. Gut möglich, dass der starke Anstieg die tatsächliche Situation überzeichnet. Dies zeigt unseres Erachtens nach, dass die EZB nicht mehr lange nur reden, sondern wirklich bald handeln sollte, damit der Renditeanstieg das fragile Wachstum nicht abwürgt.


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Autor: Carsten Klude

Carsten Klude studierte nach seiner Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Deutschen Bank VWL mit Schwerpunkt Ökonometrie in Kiel. 1996 kam er zu M.M.Warburg & CO, für die er zunächst die europäischen Kapitalmärkte analysierte und später mit der Leitung des Makro-Research betraut wurde. Seit dem Jahr 2009 ist Herr Klude Mitglied im Investmentrat von M.M.Warburg & CO und verantwortet seit dem Sommer 2013 das Asset Management der Bank. Zusätzlich ist Herr Klude seit dem Jahr 2010 Mitglied im Ausschuss für Wirtschafts- und Währungspolitik des Bundesverbandes deutscher Banken e.V., dessen Vorsitz er von 2015 bis 2018 inne hatte.

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