Kursentwicklung: schwächer als üblich – Gewinnrezession in den USA?

Die Aktienmärkte sind mit viel Schwung und positiver Energie in das neue Jahr gestartet. War der Dezember 2018 aus Anlegersicht noch ein Monat des Grauens, sieht die Entwicklung vier Wochen später deutlich erfreulicher aus.

Das dicke Minus aus dem Vormonat konnte im Januar fast komplett wieder aufgeholt werden. Dabei fällt auf, dass fast alle Verlierer des Vorjahres im Moment zu den großen Gewinnern gehören. Im DAX gehören beispielsweise die Deutsche Bank, Continental, HeidelbergCement und Covestro zu den Werten mit der besten Kursentwicklung in diesem Jahr, während sie 2018 mit Verlusten zwischen 40 und 56 Prozent das Ende des Kurszettels schmückten. Aber wird sich diese Entwicklung auch so fortsetzen?

Kursentwicklung 2018

Die Kursverluste des Vorjahres schienen nicht nur aus unserer Sicht übertrieben zu sein. Denn derartige Entwicklungen spielen sich normalerweise nur dann ab, wenn es große wirtschaftliche Probleme gibt.

Vor allem in Rezessionen muss man als Anleger mit deutlichen Kursverlusten rechnen – doch 2018 ist die Weltwirtschaft trotz aller Probleme solide gewachsen.

Allerdings war zu beobachten, dass die konjunkturellen Probleme im Verlauf des letzten Jahres kontinuierlich zugenommen haben. Vor allem in China und in Europa lief die Wirtschaft nicht mehr rund, weil die politischen Unsicherheiten, die vom Handelsstreit zwischen den USA und China sowie den chaotischen Brexit-Verhandlungen herrühren, zu einer massiven Verunsicherung der Unternehmen und Konsumenten geführt haben. Die deutsche Wirtschaft ist im zweiten Halbjahr nur knapp an einer Rezession vorbeigeschrammt, während Italien weniger Glück hatte: die dortige Wirtschaft ist sowohl im dritten als auch im vierten Quartal 2018 geschrumpft.

Wirtschaft: Geht’s ab jetzt wieder bergauf?

Auch zu Beginn des Jahres 2019 ist leider nicht zu erkennen, dass der Tiefpunkt der wirtschaftlichen Entwicklung erreicht ist. Da sich fast alle wichtigen Konjunkturdaten weiter abgeschwächt haben, steht die Aktienmarkterholung auf einem fundamental wackligen Fundament. Unsere Konjunkturmodelle signalisieren jedenfalls, dass die Prognosen für das wirtschaftliche Wachstum in diesem Jahr vielfach noch zu optimistisch sind.

Die Aktienkurse können zwar auch dann steigen, wenn die Wirtschaft schwächelt. Allerdings sollten die Erwartungen für die Gewinnentwicklung der Unternehmen schon hinreichend skeptisch sein und die Frühindikatoren müssen erkennen lassen, dass die wirtschaftliche Talfahrt bald beendet ist.

Gewinne der Unternahmen 2018

Wie es um die Unternehmensgewinne bestellt ist, zeigt die Berichtssaison für das vierte Quartal 2018. Aus dem S&P 500 haben mittlerweile gut 200 Firmen ihr Zahlenwerk vorgelegt.

  • 74% der Firmen konnten die Gewinnprognosen übertreffen. Das ist ein etwas besserer Wert als im langjährigen Mittel (71%), jedoch deutlich weniger als in den vergangenen Quartalen.
  • Bei der Umsatzentwicklung konnten 60% der Unternehmen positiv überraschen, verglichen mit 62% im langjährigen Mittel. Dabei darf man nicht vergessen, dass die Unternehmensanalysten ihre Schätzungen im Vorfeld der Berichtssaison deutlich reduziert haben:
  • Im Oktober 2018 wurde noch ein Gewinnanstieg gegenüber dem Vorjahresquartal von knapp 18 Prozent prognostiziert, mittlerweile zeichnet sich ab, dass das Plus bei rund 12 Prozent liegen dürfte.

Prognosen für 2019

Allerdings werden die Prognosen für die kommenden Quartale weiter nach unten revidiert: Für Q1 2019 wird nur noch mit einem Gewinnzuwachs von rund einem Prozent gerechnet, für Q2 und Q3 mit jeweils drei Prozent und für Q4 mit elf Prozent. Da aber die Gewinnerwartungen zu Beginn eines Jahres fast immer zu optimistisch sind – vor allem in Jahren mit nachlassender Konjunkturdynamik – besteht ein erhebliches Risiko für eine sogenannte „Gewinnrezession“. Darunter versteht man, dass die Gewinne in mindestens zwei aufeinanderfolgenden Quartalen unter dem Vorjahreswert liegen.

Beim S&P 500 kam es das letzte Mal zwischen dem zweiten Quartal 2015 und dem zweiten Quartal 2016 zu einer Gewinnrezession, davor war dies zwischen dem vierten Quartal 2007 und dem dritten Quartal 2009 acht Quartale in Folge zu beobachten.

Meistens gehen Gewinnrezessionen mit einer negativen Aktienmarktentwicklung einher. So legte der S&P 500 zwischen Oktober 2007 und März 2009 den Rückwärtsgang ein, und auch zwischen Februar 2015 und Februar 2016 gingen die Kurse zurück. 2019 könnte es über drei Quartale (Q1 – Q3 2019) hinweg zu sinkenden Gewinnen kommen. Auf Sektorebene gibt es vier Branchen, in denen die Analysten schon jetzt eine Gewinnrezession prognostizieren: für Energie (Q1 – Q4 2019), Technologie (Q1 – Q3 2019), Rohstoffe (Q4 2018 – Q2 2019) und für Versorger (Q4 2018 – Q2 2019).

Prognosen 2019 für  S&P 500 und DAX

Während für den S&P 500 auf Gesamtjahressicht für dieses Jahr ein Gewinnanstieg von sechs Prozent (2020: 11 Prozent) erwartet wird, sind die Prognosen für den DAX mit einer Zuwachsrate von neun Prozent in diesem Jahr (2020: 10 Prozent) sogar noch optimistischer.

Die langfristig erwarteten Steigerungsraten liegen für den S&P 500 bei sechszehn und beim DAX bei 10 Prozent.

Angesichts der derzeitigen makroökonomischen Entwicklungen fällt es uns aber schwer, diesen Optimismus für die Mikroökonomie zu teilen. So erwarten wir für die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr eine reale Wachstumsrate des BIP von rund einem Prozent, während die USA etwa doppelt so stark wachsen sollten. Vor einem Jahr wurde für die 2018er Gewinne der DAX-Unternehmen ebenfalls ein Zuwachs von neun Prozent gegenüber dem Vorjahr prognostiziert, mittlerweile weiß man, dass die Firmenerträge im letzten Jahr sogar gesunken sind. Auch wenn wir nicht davon ausgehen, dass sich dies 2019 wiederholen wird, würden wir im Moment allenfalls eine Gewinnsteigerungsrate von fünf Prozent für dieses und nächstes Jahr erwarten.

Um unser Jahresendziel von 11.800 DAX-Punkten zu erreichen, müsste in diesem Szenario das KGV von derzeit knapp 12 auf 12,5 Punkte ansteigen. Ein leichter Gewinnanstieg zuzüglich eines etwas höheren Bewertungsmultiplikators würde aber das Eintreten unseres Basisszenarios voraussetzen: keine globale Rezession, sondern „nur“ eine wirtschaftliche Abschwächung in den Industrie- und in den meisten Schwellenländern. Eine entscheidende Annahme ist hierbei, dass es zu einem Handelsabkommen zwischen den USA und China kommt, sodass sich die wirtschaftliche Lage im Reich der Mitte stabilisiert. Dies wäre gerade für große Exportnationen wie Deutschland und Japan, für die China mittlerweile der wichtigste Handelspartner ist, eine gute Nachricht. Zudem müsste ein harter Brexit vermieden werden, unter denen alle europäischen Volkswirtschaften stark leiden würden.

Unser Fazit

Solange diese beiden politischen Hürden nicht gemeistert sind, dürfte einerseits die konjunkturelle Schwächephase anhalten und andererseits weiterer Revisionsbedarf bei den Unternehmensgewinnen bestehen. Von daher werten wir die derzeitige Erholung an den Aktienmärkten vor allem als technische Gegenreaktion auf die starken Kursverluste des Jahres 2018. Aus fundamentaler Sicht kann jedoch keine Entwarnung gegeben werden, sodass Anleger noch nicht zu euphorisch werden sollten.

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Bildcredit: pixelliebe / photocase.de
Christian Jasperneite

Autor: Dr. Christian Jasperneite

Dr. Christian Jasperneite studierte an der Universität Passau VWL und promovierte anschließend an der Universität Passau am Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik. Nach einem Forschungsaufenthalt an der Harvard University begann er im Jahr 2000 als Analyst im Makro-Research von M.M.Warburg & CO. Seit Anfang 2009 ist Dr. Jasperneite Chief Investment Officer bei M.M.Warburg & CO und verantwortet dort u.a. Fragen der strategischen und taktischen Allokation sowie der Portfoliokonstruktion und der Produktentwicklung.

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