Kommt jetzt die Inflation und was ist mit der Staatsverschuldung?

Wird es angesichts der aktuellen Entwicklungen zu einem Anstieg der Inflationsrate kommen? Muss das viele Geld nicht irgendwo hin?

Diese Frage wird derzeit häufig gestellt, da die Geld- und Fiskalpolitik derzeit Vollgas gibt. Wir gehen allerdings nicht davon aus, dass die Preissteigerungsraten in den nächsten Monaten nach oben schnellen werden.

Im Gegenteil: Die derzeitige wirtschaftliche Situation ist durch vier Schocks gekennzeichnet, die alle tendenziell deflationär wirken.

Neben einem Angebotsschock (Produktionsstilllegungen, Lieferkettenunterbrechungen) haben wir es zeitgleich mit einem Nachfrageschock (Vertrauensverlust, Quarantänemaßnahmen, Einkommensverlust), einem Liquiditätsschock (eingeschränkte Funktion der Geld- und Kreditmärkte, Notverkäufe von Aktien und Anleihen, eingeschränktes Market-Making) und einem Ölpreisschock (Preiskrieg zwischen Russland und Saudi-Arabien) zu tun.

Von daher werden die Inflationsraten in den nächsten Monaten wahrscheinlich deutlich sinken.

Allein aufgrund des Ölpreisverfalls wird sich die Inflationsrate in der Eurozone in den nächsten Monaten auf etwa null Prozent abschwächen. Bleibt der Ölpreis längere Zeit auf seinem derzeitigen Niveau, wird die Inflationsrate wohl sogar leicht in den negativen Bereich abrutschen.

Aber nicht nur der Ölpreisverfall wirkt deflationär, auch der zu erwartende massive wirtschaftliche Einbruch wird auf die Preise drücken.

Für Deutschland und die Eurozone gehen wir mittlerweile von einem Rückgang des realen BIPs von etwa sieben Prozent in diesem Jahr aus.

Diese Nachfrageschwäche hat das Zeug, die Preise noch weiter nach unten zu drücken. Allerdings gibt es auch Güter, bei denen die Preise aufgrund der Angebotsverknappung steigen werden. Diese dürften allerdings in den Warenkörben keine so große Rolle spielen.

Kommt es 2021 dann zu der von uns erwarteten schnellen und starken Konjunkturerholung (BIP-Zuwachs von fünf Prozent), werden sich die Inflationsraten ebenfalls wieder normalisieren. Sogar ein zweitweises Überschießen über die Marke von zwei Prozent ist dann möglich. Dies ist ein Szenario, das analog zur Situation während und nach der Finanzkrise 2008/2009 ablaufen dürfte. Damals lag die Inflationsrate im Sommer 2009 im Tief bei -0,6 Prozent, gut zwei Jahre später lag sie dann für einige Monate bei drei Prozent, ehe sie sich danach wieder auf einem deutlich niedrigeren Niveau einpendelte. Nur das diesmal der Tief- und Hochpunkt noch extremer sein könnten.

Negative Auswirkungen auf die Staatsverschuldung

Im Vergleich zur Inflation dürfte die Coronakrise deutlich nachhaltigere Auswirkungen auf die Staatsverschuldung haben. Unterstellen wir, dass keine weitere fiskalische Unterstützung notwendig wird, führt die deutsche Neuverschuldung von 156 Milliarden Euro dazu, dass die Staatsschuld von 2.036 auf 2.192 Milliarden Euro ansteigt. Die Schuldenquote würde sich in diesem Fall von 59 auf 64 Prozent erhöhen – allerdings nur bei einer unveränderten Wirtschaftsleistung. Geht man dagegen von einem nominalen Rückgang des deutschen BIPs in Höhe von acht Prozent aus (sieben Prozent real zuzügliche eines deflationären Effekts von einem Prozentpunkt), steigt die Schuldenquote in diesem Jahr um zehn Prozentpunkte auf 69 Prozent an. Nicht schön, aber immer noch verkraftbar.

Allerdings ist die Haushaltssituation nicht in jedem unserer europäischen Nachbarländer so komfortabel wie bei uns.

So hat Italien eine Staatsverschuldung von 136 Prozent. Geht man davon aus, dass das Haushaltsdefizit in diesem Jahr auf vier Prozent ansteigt, kämen zu den bestehenden Staatsschulden von gut 2.430 Milliarden Euro gut 70 Milliarden Euro hinzu. Bei einem unveränderten italienischen BIP würde die Schuldenquote auf 140 Prozent ansteigen. Geht man aber davon aus, dass das italienische BIP in diesem Jahr ebenfalls um acht Prozent schrumpft, steigt die Schuldenquote auf 152 Prozent an – ein neuer Rekord. Unterstellt man, dass für Griechenland ähnliche Rahmenbedingungen wie für Italien gelten (wir gehen von einer Neuverschuldung von drei Prozent und einem BIP-Rückgang von acht Prozent aus), steigt die Schuldenquote von 175 auf 194 Prozent an. In den USA dürfte die Staatsverschuldung gemessen am BIP von 110 auf 130 Prozent ansteigen.

Diese Berechnungen zeigen, dass die staatlichen Fiskalprogramme in fast allen Länder zu einem sehr starken Anstieg der Verschuldung führen werden.

Dies könnte für die Eurozone die Saat für eine neue Staatsschuldenkrise sein.

Die EZB wird sich mit aller Macht gegen ein Auseinanderbrechen der Eurozone stemmen, aber man benötigt schon etwas Phantasie, um zu dem Ergebnis zu kommen, dass dieses Vorhaben erneut erfolgreich sein wird.

Im Kern läuft es darauf hinaus, dass die Notenbank auch in den nächsten Jahren Staatsschulden aufkauft und die Zinsen auf null setzt.

Nur damit kann die Schuldentragfähigkeit dauerhaft aufrechterhalten werden. Dass dies einer eigentlich verbotenen Staatsfinanzierung gleichkommt, wird dann vielleicht erneut die Gerichte beschäftigen. Gut möglich, dass die EZB wie die Bank of Japan auch zu einer direkten Zinssteuerung übergeht, in dem sie eine Obergrenze für die Rendite von Staatsanleihen festsetzt. Wie man es auch dreht und wendet: Die ökonomischen Probleme, die das Coronavirus SARS-CoV-2, mit sich bringt, werden uns noch lange beschäftigen. Selbst dann, wenn das Virus längst eingedämmt ist.

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Autor: Carsten Klude

Carsten Klude studierte nach seiner Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Deutschen Bank VWL mit Schwerpunkt Ökonometrie in Kiel. 1996 kam er zu M.M.Warburg & CO, für die er zunächst die europäischen Kapitalmärkte analysierte und später mit der Leitung des Makro-Research betraut wurde. Seit dem Jahr 2009 ist Herr Klude Mitglied im Investmentrat von M.M.Warburg & CO und verantwortet seit dem Sommer 2013 das Asset Management der Bank. Zusätzlich ist Herr Klude seit dem Jahr 2010 Mitglied im Ausschuss für Wirtschafts- und Währungspolitik des Bundesverbandes deutscher Banken e.V., dessen Vorsitz er von 2015 bis 2018 inne hatte.

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