Japanischer Aktienmarkt im Aufwind: Zeit für internationale Anleger?

An der Börse hat die Pandemie auch in Japan im Frühjahr des vergangenen Jahres zu einem starken Rücksetzer geführt. Doch der der japanische Leitindex konnte jedoch mit über 16 Prozent Kurssteigerung den höchsten Stand seit beinahe 30 Jahren erreichen. Der Haupttreiber für diesen von der Realwirtschaft scheinbar losgelösten Börsenfrühling war, wie in den anderen Industrieländern auch, die expansive Geld- und Fiskalpolitik der Notenbank. Kommt jetzt das japanische Jahrzehnt der Weltwirtschaft? Was die künftige Entwicklung der japanischen Konjunktur und deren Niederschlag in den Börsenkursen für internationale Anleger bedeuten könnte.

Für die Wirtschaft in Japan hat das neue Jahr genauso begonnen wie das alte geendet hat. Mit 47,1 nach 48,5 Punkten im Dezember signalisieren die Einkaufsmanagerindizes erneut einen Rückgang der wirtschaftlichen Aktivität. Dies gilt, anders als in vielen anderen Industrieländern, sowohl für das verarbeitende Gewerbe als auch für den Dienstleistungssektor. Hoffnungsvolle Ansätze einer robusten Erholung wurden letztlich durch die zweite Pandemiewelle empfindlich gestört.

Schätzungen für Konjunktur und Inflation weiter nach unten korrigiert

Die Volkswirte der Bank of Japan haben inzwischen ihre Schätzungen für Konjunktur und Inflation weiter nach unten angepasst, wenn auch nur minimal. Für das traditionell am 31. März ablaufende Fiskaljahr 2020 dürfte das BIP aufgrund der Pandemie-bedingten Einschränkungen um 5,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr einbrechen, und die Preissteigerungsrate mit minus 0,5 Prozent eine leichte Schrumpfung der Preise signalisieren.

Die Deflation als typisch japanische Krankheit ist also keineswegs besiegt.

Die Exportnation Japan setzte im vergangenen Jahr elf Prozent weniger Waren und Dienstleistungen auf den Weltmärkten ab und verringerte die Importe sogar um 14 Prozent.

Warum bleibt die Wirtschaft weiter anfällig?

An der japanischen Notenbank dürfte es nicht liegen. Bereits zwei Monate vor der offiziellen Neubewertung ihrer Geldpolitik hat die Zentralbank ihren extrem lockeren monetären Kurs zum wiederholten Mal bestätigt.
Leitzins, Negativzinsen auf Bankeinlagen und auch die Zielrendite für zehnjährige Staatsanleihen blieben nach der Januar-Sitzung der Entscheidungsgremien der Bank unverändert. Von der wichtigen März-Sitzung sollten dann auch lediglich homöopathische Änderungen der Geldpolitik und kein Kurswechsel erwartet werden. Die wegen der Pandemie angehobenen Maximalgrenzen für Wertpapierkäufe wurden bisher erst zu etwa 55 Prozent ausgeschöpft (11 Billionen Yen vs. 20 Billionen), und die Geschäftsbanken haben bislang erst etwa 53 Billionen Yen aus dem 90 Billionen Topf an Sonderkrediten abgerufen.

Zumindest von dieser Seite dürften also Kontinuität und Planungssicherheit ausgehen.

Regierung und Notenbank bemühen sich verbal und mit koordinierten Maßnahmen den aktuell negativen Datenkranz als Corona-bedingte Ausnahmesituation zu erklären und zeigen sich optimistisch für das laufende Jahr und darüber hinaus.

Konjunktur & Inflation: Optimismus seitens der Regierung und Notenbank

Gerade wurde die Wachstumserwartung für 2021 von 3,6 Prozent auf 3,9 Prozent angehoben und auch 2022 soll die Wirtschaft nun mit 1,8 Prozent statt 1,6 Prozent wachsen. Die Kernrate der Inflation wird in diesem Jahr bei 0,5 Prozent erwartet, und für 2023 zeigt sich die Zentralbank optimistisch die Zwei-Prozent-Marke zu erreichen. Manch ein sehr optimistischer Lokalpatriot spricht sogar schon von einem unmittelbar bevorstehenden japanischen Jahrzehnt der Weltwirtschaft.

Gabriela Rieks

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Kommt die flächendeckende Impfung der Bevölkerung gegen das Corona-Virus?

Hauptgrund für dieses optimistische Szenario ist die Hoffnung auf eine schnelle flächendeckende Impfung der Bevölkerung und eine Reihe von weiteren Konjunkturpaketen.
Sorgenvoll stimmt die Notenbank in diesem Zusammenhang die Aufwertung des Yen infolge der noch von den Weichenstellungen Donald Trumps beeinflussten Wirtschaftspolitik der USA. Zwar hat Janet Yellen als neue amerikanische Finanzministerin angekündigt, die Politik eines schwachen US-Dollar zu beenden – viel geändert hat sich in der Kürze der Zeit allerdings nichts.
Jüngst erreichte der Wechselkurs fast die psychologisch wichtige Marke von 100 Yen je USD – ein Punkt, an dem die japanischen Export-Unternehmen regelmäßig in Unruhe geraten und ihre Ertragserwartungen reduzieren. Belastungen durch die Währung kommen gerade jetzt zur Unzeit, da erstmals seit fast zwei Jahren im Dezember die Exporte um gut zwei Prozent stiegen. Allein nach China betrug das Exportwachstum rund zehn Prozent.

Politik in Japan: Zustimmungswerte von Nachfolger von Shintaro Abe auf einem Tiefpunkt

Der Umgang mit der Covid-19 Krise durch die regierende LDP (Liberaldemokratische Partei Japans) könnte der japanischen Politik italienische Verhältnisse bescheren. Der erst seit fünf Monaten in der Nachfolge von Shintaro Abe regierende Premierminister Yoshihide Suga kämpft seit Wochen um sein politisches Überleben. Beim Machtwechsel im vergangenen September noch von etwa zwei Drittel der Bevölkerung begrüßt, haben sich seine Zustimmungswerte im Zeitraffer auf nur noch knapp über 30 Prozent halbiert. Sein Vorgänger, der Namensgeber der auch über die Grenzen Japans hinaus beachteten liberalen Wirtschaftspolitik unter dem Oberbegriff „Abenomics“, hatte in acht Jahren Regierungszeit nie derart schlechte Werte.

Yoshihide Suga: Kommt der doppelte Führungswechsel?

Bisher war es in Tokio üblich bei einer unter 30 Prozent schwindenden Unterstützung der Bevölkerung zurückzutreten und sich auf einen gut bezahlten Posten mit wenig öffentlichem Interesse einzurichten. Keine so furchtbaren Aussichten also, zumal in modernen Zeiten auch nicht mehr unbedingt ein Harakiri erwartet wird. Da Suga im September turnusgemäß auch den Vorsitz der regierenden LDP abgeben muss, werden nun bereits die Messer gewetzt und Szenarien für einen doppelten Führungswechsel durchdekliniert.

Wer bügelt die verfehlt eingeschätzte Krisenbewältigung des Premierministers aus?

Mindestens fünf potentielle Nachfolger für beide Ämter haben sich bereits mehr oder weniger offensiv in Stellung gebracht und ihre Ambitionen angemeldet. Allen bisher bekannten Kandidaten ist jedoch gemein, dass sie als Minister oder Staatssekretäre mitverantwortlich sind für die als verfehlt eingeschätzte Krisenbewältigung des Premierministers.
Drei Viertel der Befragten haben in Umfragen ihr Unverständnis über die laxe Pandemiebekämpfung ausgedrückt. Nur in elf der 47 japanischen Provinzen gilt ein Ausnahmezustand, und die Impfung der Bevölkerung startet planmäßig erst Ende Februar. Zwar konnten stark betroffene Haushalte und kleine Unternehmen direkte Liquiditätsspritzen beantragen und Unternehmen, die trotz der Krise ihre Belegschaft halten wollten mit Subventionen rechnen.

Was fehlt ist jedoch ein klarer Fahrplan zum Umgang mit der Krise für die Gesamtwirtschaft und eine Vision für die Zeit danach.

Der Premier hat mit einem kommentarlosen „Nein“ die Berufung von unabhängigen Wissenschaftlern in den nationalen Wissenschaftsrat verhindert und ist in Pressekonferenzen autoritär und besserwisserisch aufgetreten, wo eher Demut und Volksnähe angebracht gewesen wäre. Das hat ihm unter den Journalisten in Erinnerung an Stalin den wenig rühmlichen Beinamen Sugalin eingebracht.

Auch wenn Herr Suga offenbar in den letzten Tagen etwas Kreide zu fressen begonnen hat und neuerdings alle populären Forderungen, wie beispielsweise den Einsatz des Militärs zur Stärkung des Gesundheitswesens befürwortet, könnte es zu spät für ihn selbst sein. Seine Partei muss sich bereits jetzt für die Wahlen im Oktober positionieren, und dies scheint mit dem angeschlagenen Premierminister eher problematisch. Insgesamt ist damit aber auch die Führung der stolzen Industrienation für Monate geschwächt. Kein gutes Umfeld in einer der schlimmsten Krisen der letzten Jahrzehnte.

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Wie reagiert die japanische Börse?

An der Börse hat die Pandemie auch in Japan im Frühjahr des vergangenen Jahres zu einem starken Rücksetzer geführt. Im weiteren Jahresverlauf konnte der Nikkei 225 jedoch mit über 16 Prozent Kurssteigerung (gemessen in Yen) den höchsten Stand seit beinahe 30 Jahren erreichen. Auch in Japan spielten Technologiewerte dabei eine wichtige Rolle. Unter anderem wegen des höheren Anteils an High-Tech Unternehmen konnte sich der Nikkei 225 deutlich besser schlagen als der marktbreite Topix-Index.

Der Haupttreiber für diesen von der Realwirtschaft scheinbar losgelösten Börsenfrühling war, wie in den anderen Industrieländern auch, die expansive Geld- und Fiskalpolitik der Notenbank. Um mehr als 20 Prozent wuchs infolge einer Vielzahl spezieller Pandemie-Hilfsprogramme und fortgesetzter Wertpapierkäufe die Bilanzsumme der Notenbank. Heute ist Nippon mit einer Verschuldung in Höhe von 266 Prozent der Wirtschaftsleistung laut IWF das Land mit der höchsten Staatsverschuldung weltweit.

Was sind die Gründe für die positive Entwicklung an der Börse in Japan?

Aber auch die überaus enge Verflechtung mit dem großen Nachbarn China und die rasante Erholung der Konjunktur dort ist mitverantwortlich für die positive Entwicklung an der Börse.
Der Anteil Chinas an den Exporten aus dem Land der aufgehenden Sonne hat sich innerhalb der letzten 20 Jahre mehr als verdreifacht. Darüber hinaus haben japanische Firmen in den letzten Jahren erhebliche Kosteneinsparungen vorgenommen und große Fortschritte in Bezug auf ihre Corporate Governance machen können. Dies hat bereits anlässlich der Vorlage der Halbjahresberichte bei vielen Unternehmen zu einer unerwartet positiven Korrektur der Gewinnerwartungen geführt.

Nicht zuletzt hat die japanische Notenbank selbst mit einer Ausweitung des Limits für den Kauf von Indexfonds dazu beigetragen, dass die japanische Börse den Einbruch vom Frühjahr zum Jahresende mehr als wettgemacht hat.

Angesichts der deutlich höheren Kurse zum Jahresende hat sich die Notenbank damit selbst belohnt und erhebliche Zugewinne verbucht.

Erstmals wurde der große japanische Pensionsfond GPIF als größter Halter japanischer Dividendentitel durch die Zentralbank abgelöst.

Warum internationale Anleger sich zunehmend für japanische Aktien interessieren

All diese Veränderungen lockten im Jahresverlauf auch die internationalen Anleger wieder an die Tokioter Börse. Rund 30 Prozent der japanischen Aktien befinden sich in ausländischer Hand. Mehr als zwei Drittel des täglichen Handelsvolumens wird durch internationale Anleger verursacht und damit der Markt von diesen dominiert.

Trotz einer Rückkehr des Interesses dieser Kapitalgeber in der zweiten Jahreshälfte hat der Aktienmarkt am Kabuto Cho jedoch auf das Gesamtjahr bezogen über 60 Mrd. USD Abflüsse globaler Adressen verkraften müssen und damit den Trend seit 2015 bestätigt.

Börse und Konjunktur: Bietet Japan für Anleger Potenzial?

Was heißt das nun alles für die künftige Entwicklung der japanischen Konjunktur und deren Niederschlag in den Börsenkursen? Einerseits ist Japan alles andere als der oft belächelte älteste Dauerpatient der Weltwirtschaft. Der seit den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts immer wieder postulierte unausweichliche Niedergang Nippons wurde mindestens ebenso häufig abgesagt wie seine Wiedergeburt als Produktivitätswunder.

Wahrscheinlich ist Nippon tatsächlich einfach inzwischen ein reiches, altes Industrieland mit saturierten Gepflogenheiten, lieb gewonnenen Traditionen und einem nur noch bescheidenen Wachstum. Als Europäer kennt man die Symptome und dieses Umfeld recht gut. Die langsame Konjunkturerholung dürfte sich in Japan ebenso fortsetzen wie in den anderen „alten“ Industrieländern. Die Deflation dürfte zäher sein als anderswo und die Empfindlichkeit für Veränderungen an der Währungsfront ebenso. Auch künftig wird es hervorragend positionierte Unternehmen und lohnende Investitionsziele geben.

Aber ein japanisches Jahrzehnt der Weltwirtschaft dürfte noch eine Zeitlang auf sich warten lassen.

Foto: Unsplash @tianshu

Autor: Carsten Klude

Carsten Klude studierte nach seiner Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Deutschen Bank VWL mit Schwerpunkt Ökonometrie in Kiel. 1996 kam er zu M.M.Warburg & CO, für die er zunächst die europäischen Kapitalmärkte analysierte und später mit der Leitung des Makro-Research betraut wurde. Seit dem Jahr 2009 ist Herr Klude Mitglied im Investmentrat von M.M.Warburg & CO und verantwortet seit dem Sommer 2013 das Asset Management der Bank. Zusätzlich ist Herr Klude seit dem Jahr 2010 Mitglied im Ausschuss für Wirtschafts- und Währungspolitik des Bundesverbandes deutscher Banken e.V., dessen Vorsitz er von 2015 bis 2018 inne hatte.

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