Höhere Inflation und steigende Zinsen: Ein Giftcocktail für Zinsanleger

Während die Aktienmärkte rund um den Globus von Rekord zu Rekord eilen, gucken die meisten Zinsanleger in diesem Jahr in die Röhre. Dies gilt vor allem für Staatsanleihen, aber auch für viele Unternehmensanleihen. Was ist der Grund für diese Entwicklung und erwarten wir jetzt einen dauerhaften Preisanstieg? Worauf Anleger sich vor allem bei Staatsanleihen jetzt einstellen müssen.

Vor allem diejenigen, die nur wenig Risiken eingehen können oder wollen, müssen feststellen, dass sie in den ersten fünf Monaten des Jahres bei der Wertentwicklung ein ordentliches Minus eingefahren haben.

Dies gilt vor allem für Staatsanleihen, aber auch für viele Unternehmensanleihen mit einem Investmentgrade-Rating. Bei einem Vergleich der Wertentwicklung von gut 30 Staatsanleihen mit einer Restlaufzeit von 10 Jahren stellt man fest, dass bis auf Südafrika, China und Griechenland die Anleihen aller anderen Länder seit Jahresbeginn eine negative Performance von im Mittel 3,5 Prozent aufweisen. Europäische Firmenanleihen haben im Durchschnitt ein Prozent, US-Corporates fast drei Prozent an Wert verloren.

Die Weltwirtschaft erholt sich, die Inflationsraten steigen an

Der Grund für diese Entwicklung: Die sich abzeichnende Erholung der Weltwirtschaft, gepaart mit einem kräftigen Anstieg der Inflationsraten und der Inflationserwartungen. Diese Kombination sorgt dafür, dass sich die in den vergangenen Jahren erfolgsverwöhnten Zinsanleger die Frage stellen müssen, ob und wann die Geldpolitik der Notenbanken wieder restriktiver wird. Denn vor allem die seit vielen Jahren rückläufige Inflation und die darauf beruhende expansive Geldpolitik hat den Rentenmärkten Rückenwind verliehen.

Zwar ist 2021 geldpolitisch noch nicht viel passiert, doch stehen seit Jahresbeginn drei Zinssenkungen immerhin schon vier Erhöhungen gegenüber (in der Ukraine, Russland, Island und in Brasilien).

Kommt jetzt die Zeitenwende bei der Preisentwicklung?

Angesichts der in den vergangenen Monaten kräftig anziehenden Inflationsraten sehen einige Beobachter bereits eine Zeitenwende bei der Preisentwicklung eingeläutet. Drei sich zum Teil vermischende Effekte sind Ursache dafür, dass die Preise derzeit so stark steigen wie seit vielen Jahren nicht mehr.

  1. Zum einen haben sich in den vergangenen Monaten viele Rohstoffe stark verteuert, angefangen bei Rohöl, über Industriemetalle, Holz bis hin zu Nahrungsmitteln.
  2. Zum anderen hat das Abklingen der Corona-Pandemie in Verbindung mit der sehr unterstützenden Geld- und Fiskalpolitik zu einem starken wirtschaftlichen Aufschwung beigetragen, der zu einem massiven Nachfrageschub bei Vorprodukten führt. Dieser erfolgt so schnell, dass das Angebot derzeit nicht mithalten kann und Lieferengpässe entstehen.
  3. Und der dritte Effekt sind Basiseffekte, die darauf beruhen, dass bei der Inflationsmessung die heutigen hohen Preise mit den niedrigen von vor 12 Monaten verglichen werden. So lag beispielsweise der durchschnittliche Ölpreis im April 2020 bei rund 15 US-Dollar, während er im April 2021 mehr als 60 US-Dollar betrug; dies entspricht einem Anstieg von 300 Prozent. Ähnliche Entwicklungen sind auch bei Kupfer (+100 Prozent), Eisenerz (+160 Prozent), Holz (+400 Prozent) oder Weizen (+150 Prozent) zu beobachten.

Da sich die Rohstoffpreise aber ab Mai 2020 wieder erholten, bilden sich die Preissteigerungsraten nun wieder zurück.

Preisdruck in der Eurozone

Die Energiepreise, die maßgeblich vom Ölpreis beeinflusst werden (in Deutschland zusätzlich von der seit Jahresbeginn erhobenen CO2-Abgabe), sind hoch in den Warenkörben zur Ermittlung der Verbraucherpreisinflation gewichtet und haben diese in den vergangenen Monaten maßgeblich beeinflusst. Dies ist vor allem in der Eurozone der Fall, wo die Inflationsrate im Mai 2021 den Wert von 2,0 Prozent erreicht hat.

Von den 129 verschiedenen Gütergruppen, für die Eurostat Preisindizes ermittelt, weisen nur 17 Prozent eine Preissteigerungsrate von mehr als zwei Prozent auf, 57 Prozent der Indizes zeigen eine Inflation zwischen null und zwei Prozent und 26 Prozent der Gütergruppen weisen im Vergleich zum Vorjahr eine negative Preisentwicklung auf. Den immer noch geringen Preisdruck in der Eurozone spiegelt die Kerninflationsrate von nur 0,9 Prozent wider.

Preisentwicklung in den USA

In den USA sieht es dagegen etwas anders aus. Dort ist die Inflationsrate im April auf 4,2 Prozent angestiegen und selbst die Kerninflation liegt mit 3,0 Prozent deutlich über der Zielmarke von zwei Prozent. Die im Vergleich zur Eurozone höhere Preissteigerungsrate ist auf den größeren Einfluss der Rohstoffpreise (ohne Energie) und einige „Sonderfaktoren“ zurückzuführen. So haben sich beispielsweise die Preise für Gebrauchtwagen im April um mehr als 20 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat erhöht. Aber auch die Preise für Ärzte, Telekommunikationsdienstleistungen, Freizeitaktivitäten oder Flugreisen sind deutlich höher als vor einem Jahr.

Bedeutet dies nun, dass die Inflation außer Kontrolle geraten könnte?

Wir halten dies für sehr unwahrscheinlich. Zwar werden die Inflationsraten zunächst noch hoch bleiben, doch mit dem Auslaufen der Basiseffekte nimmt der Inflationsdruck wieder ab.

Gegen einen dauerhaften Preisanstieg sprechen zwei Argumente:

  1. Zum einen ist die Kapazitätsauslastung mit 75 Prozent in den USA und 80 Prozent in der Eurozone noch niedrig. Da die Unternehmen in diesem und im nächsten Jahr viel investieren werden, entstehen sogar weitere Kapazitäten. Die Signal- und Lenkungsfunktion der hohen Preise wird automatisch dafür sorgen, dass gerade dort mehr Produktionskapazitäten entstehen, wo derzeit die größten Knappheiten vorhanden sind.
  2. Zudem droht im Unterschied zu den 1970/1980er Jahren keine Lohn-Preis-Spirale, denn sowohl in den USA als auch in der Eurozone ist die Arbeitslosigkeit immer noch höher als vor Ausbruch der Corona-Pandemie. In den USA wird der Inflationshöhepunkt im Sommer mit einer Preissteigerungsrate von etwa 4,5 Prozent erreicht werden. In Deutschland und in der Eurozone sorgt ein weiterer Basiseffekt (die Mehrwertsteuersenkung vom 1. Juli 2020) dafür, dass die Preise noch bis in den Spätherbst hinein ansteigen. Im November sollte dann aber das Maximum mit knapp vier Prozent in Deutschland und knapp drei Prozent in der Eurozone erreicht sein. Zu Beginn des Jahres 2022 dürfte sich die Inflationsrate dann ungefähr halbieren.

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Worauf sich Anleger aktuell einstellen sollten

Für Anleihen bleiben die Perspektiven somit zunächst unerfreulich, auch wenn die US-Notenbank und die EZB dieses und nächstes Jahr nicht die Leitzinsen erhöhen werden. Anleger müssen sich vor allem bei Staatsanleihen dennoch auf weitere Kursverluste einstellen.

Unternehmensanleihen dürften sich dagegen besser schlagen, vor allem diejenigen, die ein schlechteres Rating aufweisen. Hier wiegen die geringeren Ausfallwahrscheinlichkeiten aufgrund der besseren Konjunktur schwerer als der negative Einfluss der Inflation.

Solange die Inflation und insbesondere die Inflationserwartungen ansteigen, können Anleger auch mit inflationsindexierten Anleihen (sogenannten Linkern) Geld verdienen. Dabei gilt zu beachten, dass die Inflationserwartungen sehr stark von der aktuellen Inflationsentwicklung beeinflusst wird. Da die Inflation in der Eurozone noch längere Zeit ansteigen wird, dürfte dieses Marktsegment für die nächsten Monate interessant bleiben.

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Autor: Carsten Klude

Carsten Klude studierte nach seiner Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Deutschen Bank VWL mit Schwerpunkt Ökonometrie in Kiel. 1996 kam er zu M.M.Warburg & CO, für die er zunächst die europäischen Kapitalmärkte analysierte und später mit der Leitung des Makro-Research betraut wurde. Seit dem Jahr 2009 ist Herr Klude Mitglied im Investmentrat von M.M.Warburg & CO und verantwortet seit dem Sommer 2013 das Asset Management der Bank. Zusätzlich ist Herr Klude seit dem Jahr 2010 Mitglied im Ausschuss für Wirtschafts- und Währungspolitik des Bundesverbandes deutscher Banken e.V., dessen Vorsitz er von 2015 bis 2018 inne hatte.

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