Ein stürmischer Herbst: glätten sich jetzt die Wogen im Zollkrieg?

Die Aktienmärkte haben in diesem Jahr mit einer beeindruckenden Wertentwicklung geglänzt. Dabei haben es die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen, mit denen es Anleger zu tun haben, durchaus in sich. Immer weiter eskaliert der Konflikt zwischen den USA und China. Dennoch: die Marktteilnehmer hoffen auf ein baldiges Ende des Zollkrieges. Aber wie realistisch ist diese Erwartung? 

Hätte man es mit einem rational handelnden US-Präsidenten zu tun, wäre der Streit vielleicht schon beigelegt, da Trump im nächsten Jahr wiedergewählt werden möchte. Doch solange sich die USA und China nicht einigen, muss man davon ausgehen, dass die globale wirtschaftliche Abschwächung auch an den USA nicht spurlos vorbeigehen wird, worunter die Wiederwahlchancen des amtierenden Präsidenten leiden könnten.

So impulsiv und unberechenbar ist die US-Politik mittlerweile geworden

Nachdem China auf die vor einigen Wochen beschlossenen neuen US-Zölle Gegenmaßnahmen ankündigte, geriet der US-Präsident derart in Rage, dass er den US-Unternehmen „befahl“, sich aus China zurückzuziehen. Dieses politische Gebaren erweckt den Eindruck, dass man es nicht mehr mit den Vereinigten Staaten, sondern mit der Volksrepublik Amerika zu tun hat. Doch nicht nur China empfindet Donald Trump als Feind, viel schlimmer ist aus seiner Sicht das Verhalten der US-amerikanischen Notenbank zu bewerten. Statt wie vom Präsidenten gewünscht die Zinsen deutlich zu senken, halten sich Fed-Präsident Powell und seine Kollegen bedeckt, was die weiteren Schritte angeht. Nicht zuletzt der Druck des Präsidenten führt dazu, dass die US- Notenbank langsamer reagiert als sie es sonst vielleicht täte.

Aber nicht nur die politischen Nachrichten aus den USA halten die Anleger in Atem, gleiches gilt auch für den näher rückenden Brexit.

Mit seinem Coup, das Parlament bis Mitte Oktober in eine vierwöchige Pause zu schicken, löst Premier Boris Johnson eine veritable Verfassungskrise in Großbritannien aus. An deren Ende könnten sowohl ein No-Deal-Brexit als auch sein Sturz und anschließende Neuwahlen stehen. Doch selbst im letzten Fall könnte ein Ausscheiden Großbritanniens aus der EU ohne einen Vertrag quasi als Unfall passieren, da Neuwahlen vor dem 31. Oktober kaum stattfinden werden. Dies wäre mit erheblichen negativen wirtschaftlichen Konsequenzen verbunden. Ob die EU für diesen Fall einer erneuten Verlängerung des Austritts zustimmen würde, ist völlig offen.

Die wirtschaftlichen Konsequenzen dieser anhaltenden politischen Unsicherheiten treten immer deutlicher zutage. So schwächt sich das globale Wirtschaftswachstum weiter ab. Einer der Hauptleidtragenden dieser Entwicklung ist die deutsche Wirtschaft.

Dies liegt zum einen daran, dass für Deutschland die Industrie und der Außenhandel nach wie vor eine sehr wichtige Rolle für das Wachstum spielen. So beträgt der Anteil des verarbeitenden Gewerbes an der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung mehr als 20 Prozent, die Exporte machen rund 40 Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus. In den USA liegen diese Anteile dagegen nur bei 12 bzw. bei acht Prozent. Zum anderen befindet sich Deutschland in einer unangenehmen Sandwichposition zwischen den Streithähnen USA und China: Während die USA unser wichtigster Exportpartner sind (fast neun Prozent der Ausfuhren gehen in die USA), ist China unser wichtigster Handelspartner, wenn man die Im- und Exporte zusammenrechnet. Dies macht es auch so schwierig, im Handelskrieg klar Stellung zu beziehen.

 „Keine Angst vor der Rezession: Wie Ihr Portfolio fit gemacht wird“

  • Carsten Klude im Radio-Interview mit der Börse Stuttgart
Carsten Klude – Chefsvolkswirt und Leiter Asset Management

Was bedeutet dies für den Anleger?

  1. Nach der Veröffentlichung der BIP-Zahlen für das zweite Quartal haben wir unsere 2019er Wachstumsprognose für Deutschland auf 0,5 Prozent nach unten revidiert, wobei eine technische Rezession, also zwei Quartale in Folge mit einer rückläufigen Wirtschaftsleistung, wahrscheinlich ist. 2020 erwarten wir ein Wachstum von 1,0 Prozent, doch sollte sich von der Verdoppelung des Wachstums 2020 niemand blenden lassen. Dies ist allein ein statistischer Effekt aufgrund der höheren Zahl an Arbeitstagen. Lässt man diesen außen vor, würde das Wirtschaftswachstum 2020 ungefähr auf demselben niedrigen Niveau verharren wie in diesem Jahr.
  2. Wir revidieren unsere DAX-Prognose zum Jahresende von bislang 12.600 auf 11.000 Punkte nach unten. Dieser drastisch anmutende Schritt ist darauf zurückzuführen, dass von der prognostizierten Konjunkturerholung nichts in Sicht ist und wir deshalb davon ausgehen, dass die Erwartungen für die Unternehmensgewinne deutlich zu hoch sind. Die Prognosen für das Jahr 2019 sind kontinuierlich nach unten revidiert worden, sodass der Gewinn je Aktie mittlerweile auf einem niedrigeren Niveau liegt – so wie es im letzten Jahr, als auch 2017 der Fall gewesen ist. Doch für das Jahr 2020 zeigen die DAX-Konsensschätzungen lt. IBES und Factset, dass die Analysten einen Gewinnanstieg von 14 Prozent erwarten. Aus Makrosicht halten wir dagegen nur ein Gewinnplus von bestenfalls fünf Prozent für wahrscheinlich und selbst dafür müsste es in absehbarer Zeit zu einer Verbesserung der konjunkturellen Frühindikatoren kommen. Bislang zeigen diese – wie der in dieser Woche veröffentlichte Ifo-Geschäftsklimaindex – aber weiter nach unten. Das KGV als Bewertungsmultiplikator setzten wir mit 12,5 auf dem aktuellen Niveau an.
  3. Anleger sollten nicht den Mut verlieren, denn dies ist kein generelles Votum gegen Aktien. Deutschland und der DAX sind von der gegenwärtigen politischen und ökonomischen Gemengelage besonders negativ betroffen. Dies könnte sich ändern, wenn es zu einem Handelsabkommen zwischen den USA und China kommt oder ein No-Deal-Brexit verhindert werden kann. Da die Gewinnerwartungen für das kommende Jahr für die Unternehmen im (Euro) Stoxx 50 mit rund zehn Prozent etwas weniger ambitioniert sind, halten wir Aktien aus diesen Indizes derzeit für fair bewertet. Defensive Titel, wie Nahrungsmittel- oder Konsumgüterhersteller oder Gesundheits- und Pharmawerte, versprechen sogar weiteres Kurspotenzial, während konjunktursensitive Titel unter Druck bleiben dürften.
  4. US-amerikanische Aktien halten wir trotz der höheren Bewertung weiterhin für attraktiver als europäische Werte. Trotz zuletzt aufziehender dunklerer Wolken am Konjunkturhimmel hält sich die US-Wirtschaft deutlich besser als die meisten anderen Volkswirtschaften. Dies liegt vor allem an der Stärke des privaten Verbrauchs, aber auch an der Technologieführerschaft vieler US-Unternehmen. Deren dominante Marktposition führt zu monopol- oder zumindest zu oligopolartigen Gewinnmargen. Solange diese nicht durch eine stärkere Regulierung oder höhere Besteuerung in Frage gestellt werden, bleibt die Dominanz dieser Unternehmen erhalten.
Inverse Zinsstruktur: Kommt jetzt die Rezession?

Schwache Konjunkturdaten deuten bereits seit geraumer Zeit darauf hin, dass der Zustand der Weltwirtschaft besorgniserregend ist. Unser hauseigenes Konjunkturzyklusmodell signalisiert schon seit Jahresbeginn, dass…

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Chinesische Wirtschaft: Peking vollführt weitere Schritte im Handelskrieg

Im Handelskrieg zwischen den USA und China hat Peking nun neben Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen eine weitere Waffe ins Feld geführt. Nachdem die chinesische Zentralbank ihre Währung bereits Anfang August auf über 7,00 CNY/USD abwertete, lässt sie den Yuan weiter auf einen Kurs von mittlerweile 7,15 fallen. Damit hat die Währung den tiefsten Wert seit 2008 erreicht. Eine gewisse Abwertung der Währung ließe sich noch aus der Schwächephase der chinesischen Wirtschaft und weiteren geldpolitischen Schritten der Zentralbank herleiten. Diese so rasante Abwertung deutet aber eindeutig auf eine chinesische Intervention hin. Mit der günstigeren Währung möchten die Chinesen die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Exporte verbessern und damit den Strafzöllen seitens der USA entgegenwirken. Auch der zeitliche Zusammenhang mit den jüngsten Zollanhebungen durch die USA ist augenfällig. Gleichzeitig kann es sich China jedoch nicht leisten, seine Währung zu stark abzuwerten. In diesem Fall nämlich würden die Importe teurer werden und die Gefahr der Kapitalflucht bestehen. Außerdem würde dies nur weitere Reaktionen durch Trump provozieren. Auch wenn der Trend der letzten Wochen anders aussieht, sollte der Yuan aus diesen Gründen nicht unter 7,25 abwerten.

Autor: Carsten Klude

Carsten Klude studierte nach seiner Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Deutschen Bank VWL mit Schwerpunkt Ökonometrie in Kiel. 1996 kam er zu M.M.Warburg & CO, für die er zunächst die europäischen Kapitalmärkte analysierte und später mit der Leitung des Makro-Research betraut wurde. Seit dem Jahr 2009 ist Herr Klude Mitglied im Investmentrat von M.M.Warburg & CO und verantwortet seit dem Sommer 2013 das Asset Management der Bank. Zusätzlich ist Herr Klude seit dem Jahr 2010 Mitglied im Ausschuss für Wirtschafts- und Währungspolitik des Bundesverbandes deutscher Banken e.V., dessen Vorsitz er von 2015 bis 2018 inne hatte.

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