Ist das das Ende der Globalisierung?

Die Globalisierung, vor allem die zunehmende Verflechtung des internationalen Handels, war in den vergangenen dreißig Jahren einer der dominierenden Faktoren, der die Entwicklung der Weltwirtschaft geprägt hat. Heute sieht es anders aus. Welche Auswirkungen können Entscheidungen auf dem nahenden G20-Gipfel auf die Globalisierung und letztlich auf Anleihen haben?

Das Argument der „Alternativlosigkeit“ bekommt angesichts immer niedrigerer Zinsen neue Nahrung. Da Anleihen immer teurer werden, könnten sich auch die Bewertungsmultiplikatoren für Aktien erhöhen. Dies spricht für höhere Aktienkurse. Allerdings werden die Unternehmensgewinne zukünftig wohl weniger stark ansteigen, denn weniger Wirtschaftswachstum führt im Trend auch zu geringeren Gewinnen – es sei denn, den Unternehmen gelingt es, ihre Margen mit geringeren Kosten zu verteidigen.

Die zunehmende Bedeutung des Internets, die rasante Zunahme der Digitalisierung, aber auch die Erschließung neuer Verkehrswege und die effizientere Nutzung von Transportmitteln haben die Globalisierung vorangetrieben. Ausschlaggebend für ihren großen Erfolg war zum einen die zunehmende Liberalisierung des Welthandels, die zu einem Abbau von Zöllen und nicht-tarifären Handelshemmnissen führte und zum anderen die positive Unterstützung durch die größte Wirtschaftsmacht der Welt. Ohne den „Schutz“ der USA hätte die Globalisierung niemals stattfinden können.

Die seit dem Jahr 2000 zu beobachtende Phase der Hyperglobalisierung führte zu einer zunehmenden Fragmentierung der Produktion und der internationalen Wertschöpfungsketten, von der vor allem die Schwellenländer und hier in erster Linie China, das der Welthandelsorganisation (WTO) im Jahr 2001 beitrat, profitierten.

Zustimmung Globalisierung: Sinkt sie aufgrund wachsenden Zuspruchs an populistischen Parteien?

Doch seit der Finanz- und Wirtschaftskrise in den Jahren 2008 und 2009 wird die Globalisierung von vielen Bürgern und zunehmend auch von der Politik in Frage gestellt. Dies hängt insbesondere damit zusammen, dass die Bewältigung der Krisenfolgen in den marktwirtschaftlich orientierten westlichen Demokratien wesentlich mehr Zeit erforderte als dies in vielen autokratischen Ländern der Fall gewesen ist.

  • So ist die Weltwirtschaft zwischen 1990 und 1999 um durchschnittlich 3,1 Prozent im Jahr gewachsen. Die Industrieländer wuchsen in diesem Zeitraum um 2,8 Prozent, die Schwellenländer um 3,6 Prozent.
  • In der Phase der Hyperglobalisierung zwischen den Jahren 2000 und 2008 beschleunigte sich das globale Wachstum auf 4,3 Prozent pro Jahr. Dies lag aber nicht an den Industrieländern, deren durchschnittliche Wachstumsrate auf 2,4 Prozent sank, sondern allein an den Schwellenländern, deren wirtschaftliche Dynamik in dieser Zeit deutlich zunahm und deren Wachstum im Mittel 6,5 Prozent pro Jahr erreichte.
  • Abgesehen von der schweren Rezession im Jahr 2009 wächst die Weltwirtschaft zwar weiter, doch hat sich das globale Wachstum in den vergangenen zehn Jahren auf 3,4 Prozent verlangsamt. In diesem Zeitraum wuchsen die Industrieländer nur noch um durchschnittlich 1,5 Prozent, die Schwellenländer hingegen noch um 5,0 Prozent.

Dieser Sachverhalt, der kontinuierliche Abstieg der alten Industrieländer und der nahezu ungebremste Aufstieg der Schwellenländer, vor allem Chinas, hat in vielen westlichen Demokratien dazu geführt, dass liberale politische Ansichten bei den Wählern an Unterstützung verloren haben und stattdessen Politiker und Parteien, die populistische und nationale Ideen vertreten, an Zuspruch gewinnen.

Am offensichtlichsten ist dies im November 2016 der Fall gewesen als Donald Trump zum 45. US-Präsidenten gewählt wurde. Spätestens mit seiner Wahl ist eine neue politische Doktrin zu beobachten:

Die Abkehr von Wohlstand und Wachstum als wichtigste politische Ziele, hin zur Verteidigung und Kontrolle der Macht.

Strategie Trumps in den USA:  Zölle und Handelsbeschränkungen sind Mittel zum Zweck

Die bisher nach vorne gerichtete politische Strategie wird umgedreht; in der Fußballersprache würde man vom „Umschalten von Angriff auf Verteidigung“ sprechen. Von daher dürfte es den USA bei dem von Trump angezettelten Handelsstreit mit China auch nur vordergründig um die Reduzierung des Handelsbilanzdefizits gehen. Viel entscheidender für den US-Präsidenten ist dagegen die Verteidigung der eigenen geostrategischen Vormachtstellung. Zölle und Handelsbeschränkungen sind Mittel zum Zweck, um die wirtschaftliche, militärische und technologische Vormachtstellung zu verteidigen.

Dass China die eigenen Ambitionen auf diesen wichtigen Gebieten zurückstellen wird, ist jedoch unwahrscheinlich.

Wir gehen deshalb davon aus, dass der Handelsstreit zwischen den beiden Ländern anhalten wird.

Die Hoffnung, dass es bei dem Treffen zwischen Trump und Xi am Freitag auf dem G20-Gifel in Osaka zu einem Durchbruch kommen wird, teilen wir nicht. Allerdings könnten beide Präsidenten Gesprächsbereitschaft signalisieren, sodass die Verhandlungen wieder aufgenommen werden. Dies dürfte die Börsen erfreuen, eine wirkliche Lösung des Problems ist aber nicht in Sicht.

Investoren führen gerne einen emotional geführten Streit über die Frage, ob der Aktien- oder der Rentenmarkt effizienter sei. Welche Seite damit aktuell dann ein Problem hätte.

Welche Implikationen ergeben sich aus diesen Einschätzungen?

  1. Der Streit zwischen den USA und China geht weiter und wird nicht schnell gelöst. Da auch die Demokraten ein Problem mit China haben, wird dieses Thema unabhängig vom Ausgang der US-Präsidentschaftswahl im nächsten Jahr die Märkte weiter beschäftigen. Der Ton könnte zwar bei einem demokratischen US-Präsidenten im Vergleich zu Trump etwas versöhnlicher klingen, inhaltlich sind aber keine großen Zugeständnisse der Amerikaner zu erwarten.
  2. Das Handelsbilanzdefizit der USA nimmt weiter zu. Einem rückläufigen Fehlbetrag mit China stehen höhere Defizite mit Ländern wie Vietnam, Taiwan, Indien, Indonesien etc. gegenüber.
  3. Der Aufstieg Chinas zur größten Volkswirtschaft der Welt ist dennoch nicht aufzuhalten. Das Wirtschaftswachstum Chinas wird zwar in den nächsten Jahren kontinuierlich zurückgehen, dennoch bleibt es allein aufgrund der Demografie höher als in den USA. China und auch Indien werden also in den kommenden Jahren (China) und Jahrzehnten (Indien) zu dominierenden wirtschaftlichen Mächten – so wie es schon vor Beginn der industriellen Revolution bis Anfang des 19. Jahrhunderts der Fall war.
  4. Die Globalisierung geht zu Ende. Die mit ihr verbundenen Wachstums- und Wohlfahrtseffekte verringern sich, sodass auch die globale Wachstumsrate in den nächsten Jahren vom Trend her zurückgehen wird. Länder, deren Wachstum stark von den Ausfuhren bestimmt wird, haben überdurchschnittlich viel zu verlieren. Dazu gehören Schwellenländer wie Singapur, Malaysia, Südkorea, Russland und Südafrika, aber auch Industrieländer wie die Niederlande, die Schweiz, Deutschland und Italien.
    Für die Kapitalmärkte bedeutet das Szenario eines global geringeren Wachstums, dass die Inflationsraten niedrig bleiben und man zukünftig mehr über Deflation als über Inflation sprechen wird. Die globale Niedrigzinsphase wird sich fortsetzen, der im Moment zu beobachtende Rückgang der Kapitalmarktrenditen ist nicht nur ein temporäres Phänomen sondern dauerhaft – Japan lässt grüßen!

Was heißt diese Entwicklung für Aktien?

Das Argument der „Alternativlosigkeit“ bekommt angesichts immer niedrigerer Zinsen neue Nahrung. Da Anleihen immer teurer werden, könnten sich auch die Bewertungsmultiplikatoren für Aktien erhöhen. Dies spricht für höhere Aktienkurse. Allerdings werden die Unternehmensgewinne zukünftig wohl weniger stark ansteigen, denn weniger Wirtschaftswachstum führt im Trend auch zu geringeren Gewinnen – es sei denn, den Unternehmen gelingt es, ihre Margen mit geringeren Kosten zu verteidigen.

Grüne und Liberale gewinnen bei der Europawahl hinzu. Ist die bisher von den Grünen forcierte Ausrichtung der deutschen Klimapolitik überhaupt zielführend?

Effiziente Klimapolitik? Nicht in Deutschland.

Zunächst einmal das Gute vorweg: Die Europawahl hätte schlimmer ausfallen können. Viele europaskeptische und populistische Parteien haben quer durch alle Länder „Achtungserfolge“ erzielt, aber…

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Da die deutsche Wirtschaft mit ihrer hohen Exportquote von fast 40  Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung zu den potenziellen Verlieren der neuen weltpolitischen Ordnung gehören könnte, dürfte es für die meisten Unternehmen im DAX eine besondere Herausforderung sein, ihre Erträge in der bislang gekannten Form zu steigern. Anleger müssen von daher die Gewinnentwicklung besonders im Blick behalten. Dies gilt aber nicht nur für den DAX, sondern für viele europäische Aktien und Indizes.

Foto: imaginima ©istockphoto.com

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