Coronavirus: Wie geht es mit der Wirtschaft und den Kapitalmärkten weiter?

Der Coronavirus verbreitet sich weiter, eine Konsequenz: der Ölpreis brach weiter ein, die Abwärtsbewegung an den Börsen wurde verstärkt. Selten zuvor sind die Aktienkurse in solch einer Geschwindigkeit gesunken. Wie geht es mit der Wirtschaft und den Kapitalmärkten weiter?

Wir alle erleben derzeit außergewöhnliche Zeiten. Das persönliche Wohlergehen, sowohl die eigene Gesundheit als auch die der Familie und der Freunde haben jetzt den höchsten Stellenwert. Die Prognose von Konjunkturverläufen, Zinsentwicklungen und Aktienmarktbewegungen tritt in diesen Tagen in den Hintergrund und wird für viele Menschen zweitrangig. Dennoch wollen wir auch jetzt für all diejenigen da sein, die sich fragen, wie es mit der Wirtschaft und den Kapitalmärkten weitergeht.

Es kommt vielen von uns schon länger vor, aber es ist erst gut drei Wochen her, dass die meisten Indizes auf historischen Höchstständen notierten.

Der DAX ist in kurzer Zeit von fast 13.800 auf rund 8.500 Punkte eingebrochen.

Den meisten anderen Indizes erging es nicht besser.

Konjunktur- und Kapitalmarktprognosen bedürfen ständiger Überarbeitung

Nachdem wir die Erwartungen schon zu Beginn des Monats nach unten angepasst haben, veranlassen uns die aktuellen Entwicklungen zu einer noch vorsichtigeren Einschätzung. Doch weiterhin gilt, dass alle Prognosen im Moment mit sehr großen Unsicherheiten behaftet sind. Das liegt daran, dass die im Moment verfügbaren Daten – von sehr wenigen Ausnahmen abgesehen – die sich abzeichnenden Konjunktureffekte der Quarantänemaßnahmen, Reisebeschränkungen und Lieferkettenverzögerungen nur unzureichend widerspiegeln. Hinzu kommt der Ölpreiskollaps, der durch den Preiskrieg zwischen Saudi-Arabien und Russland ausgelöst wurde.

Wird es eine globale Rezession geben?

Unseres Erachtens nach wird sich eine globale Rezession in diesem Jahr nicht mehr abwenden lassen – offen ist hingegen, ob es sich nur um eine kurze „technische“ Rezession handeln wird oder ob ein längerer Konjunkturabschwung bevorsteht. Die sich Anfang des Jahres abzeichnende Konjunkturerholung ist damit vom Tisch. Vor allem Länder wie Japan, Italien und Deutschland, die schon vor dem Ausbruch des Coronavirus in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckten, werden eine zumindest „technische“ Rezession nicht mehr verhindern können.

Notenbanken reagierten auf die drohende wirtschaftliche Abschwächung mit Zinssenkungen und Liquiditätshilfen

Die US-amerikanische Federal Reserve hat gestern Abend erneut den Leitzins gesenkt und weitere Liquiditätshilfen beschlossen.

Die EZB hat zwar das Volumen ihres Anleiheaufkaufprogramms bis zum Jahresende um 120 Milliarden Euro erhöht und ebenfalls weitere Liquiditätsmaßnahmen (LTROs und noch günstigere Bedingungen für die schon beschlossenen TLTRO III-Maßnahmen) beschlossen. Jedoch wurden trotzdem die Markterwartungen enttäuscht. Frau Lagarde hat sich zudem einen schweren verbalen Fauxpas geleistet, in dem sie in der Pressekonferenz davon sprach, dass es nicht die Aufgabe der EZB sei, sich um ausweitende Renditespreads zu kümmern.
Vor allem in Italien sind die Renditen für Staatsanleihen darauf hin stark angestiegen, aber ähnliches ist auch an fast allen anderen europäischen Staatsanleihemärkten zu beobachten. Die damit verbundene Verschlechterung der Finanzierungsbedingungen belastet die ökonomischen Rahmenbedingungen in der Eurozone zusätzlich.
Die EZB wird wahrscheinlich versuchen, diesen Fehler in der nächsten Zeit wieder zu korrigieren.

Die Bundesregierung hat angekündigt, den von der Pandemie betroffenen Unternehmen unbegrenzte Hilfen zur Verfügung zu stellen. Notfalls kann auch noch ein zusätzliches Konjunkturprogramm beschlossen werden.

Im Unterschied zu früheren geldpolitischen Lockerungsmaßnahmen sind diese an der Börse bislang verpufft. Das ist zum einen darauf zurückzuführen, dass es sich beim Coronavirus um ein gesundheitspolitisches Problem handelt, das nicht durch niedrigere Zinsen kuriert werden kann.

Erst wenn das Virus eingedämmt ist, kann die Geldpolitik ihre Stärken ausspielen.

Zum anderen könnte es sein, dass viele Marktteilnehmer die generelle Wirksamkeit der Geldpolitik mittlerweile anzweifeln, schließlich sind die Zinsen schon so niedrig wie niemals zuvor. Käme es also trotz einer expansiveren Geldpolitik der Notenbanken zu einer Rezession, wäre es falsch für Anleger wie sonst üblich nach dem Motto „buy the dip“ zu verfahren. Denn in einer Rezession kommt es normalerweise zu einem starken Rückgang der Unternehmensgewinne und deswegen zu stark fallenden Aktienkursen.

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Was bedeutet die aktuelle Corona-Krise für den Anleger?

Wir haben die Aktienquote in unseren Vermögensverwaltungsportfolios seit dem 24. Februar in mehreren Schritten sehr deutlich reduziert. Das war genau der Moment, in dem das Coronavirus begann, sich in Europa auszubreiten. Im Gegenzug haben wir zum Teil europäische Staatsanleihen gekauft, aber vor allem die Liquiditätsquote deutlich erhöht.

Derzeit warnen wir noch davor, zu früh in das fallende Messer zu greifen.

Auch wenn es sehr viele sehr gute Gründe dafür gibt, dass der kommende Aufschwung an den Aktienmärkten durchaus dynamisch ausfallen könnte – man sollte nicht darauf wetten, dass der Startschuss für die Erholung schon in den nächsten Tagen erfolgt. Die Konjunkturdaten werden sich in der nächsten Zeit verschlechtern, die Zahl der am Coronavirus Erkrankten wird in Europa und in den USA wohl noch eine ganz Zeit lang weiter ansteigen – vielleicht auch deutlich.

Wie schnell erholt sich die Konjunktur?

Für die Kapitalmärkte dürften zumindest Argumente für eine – eventuell schnelle – Erholung der Konjunktur sprechen, auch wenn wir diese Auffassung im Moment nicht teilen: Die expansiven geld- und fiskalpolitischen Maßnahmen sowie der positive Effekt, den der gesunkene Ölpreis für die verfügbaren Einkommen der Privathaushalte bedeutet.

Da Kapitalmärkte normalerweise immer schneller reagieren als die Realwirtschaft, werden Anleger mit einem starken Fokus auf Fundamentaldaten den Wendepunkt an den Märkten wahrscheinlich verpassen.

Aus diesem Grund raten wir nicht dazu, alle Aktienanlagen zu verkaufen.

Auch wenn aktuell noch nicht der Zeitpunkt gekommen, an denen die Kurse ihren Tiefpunkt erreicht haben und man die Aktienquote wieder aufstocken sollte, könnten sich gerade für langfristig orientierte Anleger bald erste Einstiegschancen bieten. Beim DAX wird die Marke von 8.000 Punkten sehr wichtig sein. Da dieses Niveau ungefähr mit dem Buchwert der DAX-Unternehmen zusammenfällt, verläuft hier eine wichtige Unterstützungsmarke. Sollte diese halten, könnte von diesem Niveau aus eine Bodenbildung erfolgen, von der ab sich die Kurse wieder erholen. Wir behalten diese Entwicklung genau im Auge, um gegebenenfalls die geschaffene Liquidität zu reinvestieren.

Autor: Carsten Klude

Carsten Klude studierte nach seiner Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Deutschen Bank VWL mit Schwerpunkt Ökonometrie in Kiel. 1996 kam er zu M.M.Warburg & CO, für die er zunächst die europäischen Kapitalmärkte analysierte und später mit der Leitung des Makro-Research betraut wurde. Seit dem Jahr 2009 ist Herr Klude Mitglied im Investmentrat von M.M.Warburg & CO und verantwortet seit dem Sommer 2013 das Asset Management der Bank. Zusätzlich ist Herr Klude seit dem Jahr 2010 Mitglied im Ausschuss für Wirtschafts- und Währungspolitik des Bundesverbandes deutscher Banken e.V., dessen Vorsitz er von 2015 bis 2018 inne hatte.

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