Aktien, Anleihen, Wertpapiere: Warum Anleger derzeit hocherfreut sind

Im Gegensatz zu den meist mit null verzinsten Sparbüchern und Tagesgeldern weisen die meisten Aktienindizes Kursgewinne in prozentual zweistelliger Höhe auf, während mit Anleihen häufig Wertzuwächse im mittleren bis hohen einstelligen Prozentbereich zu erzielen waren. Selbst der Goldpreis ist seit Jahresbeginn um zehn Prozent gestiegen. Aber bei aller Freude über die hohen Kurszuwächse: War da nicht etwas?

Schauen wir uns in diesen Tagen die Entwicklung an den Kapitalmärkten an, werden fast alle Anleger hocherfreut sein, wenn sie ihr Vermögen in Aktien, Anleihen oder anderen Wertpapieren angelegt haben.

Dass sich sowohl Aktien, als auch Anleihen und Gold gleichzeitig und vor allem in diesem Ausmaß so positiv entwickeln ist eher unüblich und hat uns überrascht.

Denn die globale Wirtschaft zeigt mittlerweile immer deutlichere Bremsspuren. Zwar trauen sich die meisten Ökonomen bislang nicht, eine Rezession zu prognostizieren, doch hat das nicht viel zu bedeuten. Auch in der Vergangenheit wurde diese fast immer erst erkannt, wenn sie schon eingetreten war.

Wirtschaft: Naht eine Rezession?

Im Moment besteht die Schwierigkeit darin, dass die Konjunkturdaten aus dem verarbeitenden Gewerbe und aus dem Dienstleistungssektor sehr widersprüchliche Signale senden.

So sind wir uns relativ sicher, dass sich die globalen Industrieunternehmen schon in einer leichten Rezession befinden.

Diesen Rückschluss lässt der globale Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe zu, der im Juni bei 49,4 Punkten lag. Der Index ist so konstruiert, dass Werte über 50 Punkte auf Wachstum und Werte unter 50 Punkte auf ein Schrumpfen hindeuten. Auf regionaler Ebene fällt dabei vor allem die Schwäche in Europa und in vielen Schwellenländern auf.

Von den 40 Indizes, die wir monatlich für die weltweite Industrie analysieren, haben sich im vergangenen Monat nur 21 Prozent gegenüber dem Vormonat verbessert – das ist der geringste Wert seit Ende 2008. Zugleich lagen nur noch 29 Prozent der betrachteten Zeitreihen über der Wachstumsschwelle von 50 Punkten. Einen geringeren Wert hat es zuletzt im Sommer 2009 gegeben.

Deutlich besser sieht es dagegen für die Unternehmen aus dem Dienstleistungssektor aus. Der globale Einkaufsmanagerindex signalisiert mit einem Wert von 51,9 Punkten unverändert ein moderates Wachstum, der prozentuale Anteil der Länder mit einem Wert von mehr als 50 Punkten beträgt immer noch gut 80 Prozent.

Kann deswegen Entwarnung gegeben werden? Die Antwort lautet nein.

Denn auch im Vorfeld der beiden letzten großen Rezessionen 2001/2002 und 2008/2009 war es so, dass sich der Dienstleistungssektor dem konjunkturellen Abwärtsdruck länger entziehen konnte als es bei den Industrieunternehmen der Fall war. In den kleinen konjunkturellen Schwächephasen Ende 2011 und Anfang 2016 konnten sich die Dienstleister jedoch erfolgreich und dauerhaft abkoppeln, sodass es bei einer kurzen globalen Konjunkturdelle blieb. Wie das Rennen diesmal ausgehen wird, ist aus unserer Sicht im Moment noch völlig offen.

Börsianer sehen keine Rezession

Anders beurteilen die Akteure an den Aktienmärkten die Situation. Da Rezessionen und Bärenmärkte normalerweise Hand in Hand gehen, ist klar, dass die Marktteilnehmer eine Rezession bisher ausschließen. Trotz schwacher Konjunkturdaten setzt man voll auf die positiven Effekte der Geldpolitik. Nachdem sowohl die US-Notenbank als auch die Europäische Zentralbank angekündigt haben, ihre Geldpolitik in absehbarer Zeit zu lockern, haben die Börsen den Turbo eingelegt. Die Kursrallye ist damit zu begründen, dass sinkende Zinsen zu einer Verlängerung des Konjunkturaufschwungs führen und das Rezessionsgespenst vertreiben. Also: Let’s get ready to rumble!

Kann die Geldpolitik tatsächlich den wirtschaftlichen Abschwung aufhalten?

Angesichts des schon seit Jahren zu beobachtenden niedrigen Zinsniveaus beschleicht uns die Sorge, dass weitere expansive Maßnahmen für die Realwirtschaft kaum noch zu nennenswerten positiven Effekten führen werden. In der Volkswirtschaftstheorie spricht man von der so genannten Liquiditätsfalle: Das höhere Geldangebot der Zentralbank wird von den Unternehmen und Privathaushalten nicht zu Investitions- oder Konsumzwecken genutzt. Die Kreditnachfrage nimmt nicht zu, der erhoffte positive Effekt für das Wirtschaftswachstum fällt ins Wasser. Dieses Phänomen ist in Japan schon seit fast zwei Jahrzehnten zu beobachten und wird auch in der Eurozone immer offensichtlicher.

Doch selbst wenn die Geldpolitik wirkt, könnte es schon zu spät sein, die Rezession mit sinkenden Zinsen noch zu verhindern. An der Börse setzt man derzeit allerdings darauf, dass sich das Szenario aus den Jahren 1995 und 1998 wiederholt. In beiden Fällen hat die Federal Reserve damals den drohenden Abschwung rechtzeitig erkannt und früh genug mit einer expansiveren Geldpolitik gegengesteuert. Der wirtschaftliche Aufschwung setzte sich fort, ebenso die Rallye an den Aktienmärkten. Anders dagegen 2001 und 2008: Trotz Zinssenkungen von jeweils rund 500 Basispunkten konnte die Rezession in beiden Fällen nicht verhindert werden.

Entwicklung Kapitalmarkt: Auch Politik spielt eine wichtige Rolle

Das alte Börsensprichwort „Politische Börsen haben kurze Beine“ kann in Zeiten täglicher Tweets durch Donald Trump getrost ad acta gelegt werden. Uns erinnert die Analyse des politischen Geschehens mehr und mehr an das Fahren mit der Deutschen Bahn. Man wartet und wartet und ist zunehmend genervt, weil nichts passiert. Der Handelsstreit zwischen den USA und China ist genauso ungelöst wie die Frage, ob und in welcher Form der Brexit vollzogen wird. Statt Entscheidungen in ICE-Geschwindigkeit zu treffen, werden sie in Bummelzugmanier getroffen. Die Börsianer sind bislang noch sehr genügsam, am Bahnsteig wäre es schon längst zu einer Revolte gekommen.

EU-Kommission: Welche Folgen hat die Nominierung für die Anlagepolitik?

Aber nicht nur in den USA und Großbritannien steht die Politik im Rampenlicht der Märkte, auch in der Eurozone sorgen die jüngsten Beschlüsse aus Brüssel für Bewegung. Ob Ursula von der Leyen die notwendigen Stimmen der europäischen Parlamentarier bekommen wird, um zur neuen Präsidentin der EU-Kommission gewählt zu werden, ist völlig offen. Fällt sie bei der Wahl durch, würde Deutschland bei dem Geschachere um die wichtigsten Posten wieder einmal leer ausgehen. Denn das aus ökonomischer Sicht noch wichtigere Amt des zukünftigen EZB-Präsidenten geht erneut an Frankreich. Mit Christine Lagarde, der bisherigen Chefin des Internationalen Währungsfonds, folgt eine krisenerfahrene Managerin auf Mario Draghi, der mit seinen in Deutschland oftmals unpopulären Entscheidungen dafür gesorgt hat, dass es den Euro überhaupt noch gibt.

Welche Folgen hat die Nominierung von Frau Lagarde, die nicht vom EU-Parlament sondern vom Europäischen Rat, dem Gremium der Staats- und Regierungschefs der EU, für die Dauer von acht Jahren gewählt wird, für die Anlagepolitik?

  1. Im Unterschied zu Frau von der Leyen kann sich Frau Lagarde sicher sein, gewählt zu werden.
  2. Frau Lagarde hat während ihrer Zeit beim IWF die Geldpolitik der EZB immer positiv kommentiert. Die lockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank wird unter ihrer Führung fortgesetzt werden.
  3. Mit ihr an der Spitze werden die Zinsen vermutlich noch länger niedrig bleiben. Wir haben deswegen unsere Zinsprognose für 10-jährige Bundesanleihen nochmals um 10 Basispunkte auf -0,50 Prozent zum Jahresende gesenkt.
  4. Wer sich darüber aufregt, dass Donald Trump zunehmend versucht, auf die Geldpolitik der US-Notenbank Einfluss zu nehmen, sollte sich darüber im Klaren sein, dass es im EZB-Rat eine Reihe von Mitgliedern gibt, die direkt aus der Politik kommen und über keine Erfahrung als Notenbanker oder Wirtschaftswissenschaftler verfügen – Christine Lagarde als ehemalige französische Finanzministerin stellt da keine Ausnahme dar.
  5. Anleger, die nach dem Motto „Let’s get ready to rumble!“ ihre Aktienquote erhöht haben, sollten sich auch an den legendären „Rumble in the Jungle“ erinnern. Am 30. Oktober 1974 kam es in Kinshasa zum Weltmeisterboxkampf im Schwergewicht zwischen Titelverteidiger George Foreman und Herausforderer Muhammad Ali. Ali siegte in der achten Runde gegen seinen bis dahin ungeschlagenen Gegner durch KO. Die Lehre daraus: Auch wenn alles gut zu laufen scheint, sollte man niemals die Defensive vergessen und immer die Risiken im Blick behalten

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Foto: swissmediavision ©istockphoto.com

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