Wir leben das, was wir kommunizieren

Wir sprachen mit Thimo Drews und Andreas Wessel-Ellermann, Gründer und geschäftsführende Gesellschafter der Speicherstadt Kaffeerösterei. 2006 haben Sie zu zweit die Kaffeerösterei im Zentrum des historischen Lagerhauskomplexes der Speicherstadt gegründet. Heute zählt das mittelständische Unternehmen mit rund 100 Mitarbeitenden zu den Big Playern der deutschen Spezialitätenkaffeeszene. Von Hamburg aus beliefern Sie Kunden, Einzelhandelsketten, Restaurants und Hotels in Deutschland und europaweit.

Was zeichnet Sie als Unternehmen aus, und was würden Sie als ihr „Erfolgsgeheimnis“ bezeichnen?

Andreas Wessel-Ellermann: Wir leben das, was wir kommunizieren. Unsere Lieferanten in den Kaffeeregionen der Erde sehen wir als Partner, zu denen wir langfristige und faire Beziehungen auf Augenhöhe aufbauen. Neben dem Transfer von Kapital für Investitionen der Kaffeebauern liegt unser Schwerpunkt vielmehr im Transfer von Know-How. Nichts ist besser für einen Hersteller, als wenn er ein konstruktives und ehrliches Feedback zu seinem Produkt erhält. Mit unseren Partnern reden wir daher vor allem über Qualität, Perspektiven und die Vorfinanzierung. Hieraus entsteht schließlich ein für alle Beteiligten fairer Preis.

Eine Verbesserung der Qualität bedeutet, dass wir zufriedenere Kunden haben und neue Stammkunden gewinnen, denen wir im kommenden Jahr ein noch besseres Produkt bieten.

So können wir auch langfristig die Preise für unsere Lieferanten erhöhen. Ebenso gehen wir auf die Bedürfnisse der Kaffeebauern vor Ort ein. Nehmen Sie zum Beispiel die Situation im Kongo. Da gab es im Mai 2023 einen Erdrutsch, mit verheerenden Schäden. Keiner von uns wusste, ob der zuvor von uns bestellte Rohkaffee jemals am Hafen zur Verschiffung ankommen würde. Die Zahlung wurde dennoch von uns ausgelöst; einige Wochen später erhielten wir hervorragenden Rohkaffee.

Oder auch unser Orang-Utan-Projekt auf Sumatra, wo über 10 Jahre eine tolle Entwicklung stattgefunden hat.

Damals lebten unsere Partner in selbst gebastelten Häusern aus Stöcken, Kuhmist und Lehm. Heute haben viele von ihnen ihre eigenen Häuser aus Stein. Einige konnten sich inzwischen sogar ein Moped leisten, mit dem sie für Arzt- oder Krankenhausbesuche hinunter in die Stadt fahren können. Unseren Lieferanten geht es um eine langfristige Kooperation. Schnelles Geld kann man auf anderen Wegen verdienen.

Thimo Drews: Wir leben von Langfristigkeit und Zuverlässigkeit. Wir wollen nicht nur etwas verkaufen, sondern auch etwas liefern. Wenn Sie eine Marke aufbauen wollen, dann steckt dahinter auch ein Versprechen.

Ihre Marke generieren Sie nicht über Marketing und Influencer, sondern indem Sie langfristig den Beweis antreten. Dafür braucht es Zeit.

Wo wir können, stellen wir zudem auf Direkthandel um. Da ist man gut beraten, wenn man sich seine Partner vorher sehr genau anguckt. Das machen Sie als Banker vermutlich nicht anders. Auch in Ihrer Branche ist Vertrauen ja Kern der Unternehmensphilosophie.

Bei der Gründung damals, was waren da die wichtigsten Herausforderungen? Hätten Sie vielleicht ein paar Tipps für zukünftige Gründer?

Wessel-Ellermann: Jede Branche ist anders. Den unbedingten Willen setzt man voraus. Dabei sollte man jedoch nie den klaren Blick für die Situation verlieren. Die Finanzierung lässt sich lösen, wenn die Geschäftsidee entsprechend überzeugend ist. Sie brauchen dafür einen kompetenten Partner, der Ihre Idee versteht, und an das Projekt glaubt. Oft kommt es tatsächlich darauf an, auf welchen konkreten Bankberater Sie treffen.

Drews: Wenn Sie ein Unternehmen gründen wollen, müssen Sie sich in Ihrem Gebiet wirklich exzellent auskennen.

  1. Sie müssen Fachmann für Ihre Branche sein.
  2. Zweitens braucht es eine gründliche kaufmännische Planung.
  3. Drittens müssen Sie sich auf die Risiken fokussieren und die Probleme nacheinander lösen. Wenn Sie wirklich gründlich geplant haben, dann kommt irgendwann der Punkt, wo sie intuitiv spüren, dass das Risiko der Umsetzung geringer ist als das Risiko, das Projekt nicht durchzuführen.
  4. Viertens braucht es Leidensfähigkeit.

Sie können nicht aus der Bequemlichkeit Erfolg haben.

Wessel-Ellermann: In Notsituationen müssen Sie dahin schauen, wo Platz ist, und wo Sie hinwollen, nicht dahin, wo der Abgrund liegt. Manchmal ist es tatsächlich eng, aber mit etwas Glück kommt man durch.

Drews: Drei Jahre lang haben wir unsere Gründung geplant. Der wirtschaftliche Erfolg ergibt sich aus der Planung. Aber wenn man nur den Erfolg im Fokus hat, rechnet man sich die Dinge schön. Das Jahresendergebnis, das ganz am Ende unter dem Strich steht, schauen Sie sich erst an, wenn Sie alle Berechnungen durchgeführt und alle Ihre Annahmen hinterfragt haben. Wenn Sie Ihre Kalkulation rückwärts aufbauen und mit dem gewünschten Endergebnis anfangen, betrügen Sie sich selbst. Der Fokus sollte auf dem Produkt liegen.

Was zeichnet für Sie Hamburg als Wirtschaftsstandort aus?

Wessel-Ellermann: Hamburg ist einer der größten Drehpunkte für Kaffee in Europa. Wir sitzen hier mitten im Zentrum. Viele Importeure, Makler, Rohkaffee-Agenten, auch der deutsche Kaffeeverband sind hier ansässig. Man kennt und schätzt sich, macht nach wie vor Geschäfte per Handschlag und steht zu seinem hanseatischen Kaufmannswort. Die Stadt Hamburg hat uns damals immens unterstützt, als wir den Zuschlag für das Gebäude bekommen haben. Die Speicherstadt wäre ja fast abgerissen worden. Inzwischen ist sie UNESCO-Welterbe und ein Magnet für Besucher aus aller Welt. Das Schöne ist, dass die Stadt so weitläufig ist, dass die Hamburger sich eigentlich nicht gestört fühlen vom wachsenden Tourismusanteil. Wir profitieren sehr vom Tourismus. Das ist auch eine Herausforderung für uns, weil für uns die Qualität immer an erster Stelle stehen soll.

Drews: Weltoffenheit ist für mich ein Schlüsselbegriff. Und Toleranz.

Die Stadt würde nicht funktionieren, wenn die Menschen nicht weltoffen wären.

Gleichzeitig aber auch Integrität und Ehrlichkeit. Dass man ein Geheimnis bewahren kann. Der Hamburger verliert ungern unnötige Worte. Er versucht, auf den Punkt zu kommen. Das alles hat viel mit der Geschichte der Stadt zu tun. Der einzige Grund, warum hier zwei Millionen Menschen leben, ist, dass es einen Fluss gibt, der tief genug ist, dass Schiffe 100 Kilometer ins Landesinnere fahren können. Um unter diesen Umständen eine Lebensgrundlage für so viele Menschen zu schaffen, muss man nachhaltig und langfristig denken.

Wessel-Ellermann: Wenn man in den 60er Jahren unterwegs in den Kaffeeanbau-Gebieten war, wo keiner einen kannte, reichte es aus, wenn auf der Visitenkarte „Am Sandtorkai“ stand. Diese Adresse hatte sich damals schon weltweit herumgesprochen als Zeichen für einen vertrauenswürdigen Geschäftspartner in der Kaffeebranche. Der Name ist das wichtigste in der Kaffeebranche.

Es braucht Vertrauen, um jetzt zu investieren in ein Geschäft, das erst in ein paar Monaten abgeschlossen wird.

Was sind aktuelle standortspezifische Herausforderungen für Sie?

Wessel-Ellermann: Vor Ort in der Speicherstadt ist der begrenzte Parkraum ein großes Problem. Wir haben eine große Zahl von Touristen aus Dänemark und Schweden, die oft mit kleinen Kindern anreisen. Gerade für diese Kunden ist die Anreise mit der Bahn leider oft sehr kompliziert. Für viele unserer Mitarbeitenden ist der begrenzte Wohnraum in Hamburg ein Thema. Investitionen in Sozialstrukturen wie z.B. Kitas scheinen uns dringend erforderlich. Es kann nicht sein, dass Ungeborene schon in Krippen angemeldet werden müssen. Wir unterstützen unsere Mitarbeitenden aktuell, indem wir die HVV Karte subventionieren.

Eine große Herausforderung ist die Bürokratie.

Hier fehlt aus meiner Sicht oft das Augenmaß und vor allem das Interesse der Politik, sinnvolle Lösungen für kleine und mittlere Unternehmen und für Existenzgründer zu finden. Dabei gilt es doch, weitere Unternehmensschließungen oder Abwanderungen ins Ausland zu verhindern, statt mit bürokratischen Anforderungen zu blockieren. Auch die Energiepreise treffen unser Unternehmen enorm, zumal wir bereits seit 12 Jahren unseren Strom aus teureren regenerativen Quellen beziehen. Durch die Inflation sehen wir uns mit höheren Lohnforderungen unserer Mitarbeitenden konfrontiert, die zwar nachvollziehbar sind, jedoch zwangsläufig zu einer Preisspirale führen und die Inflation befeuern.

In der Investmentbranche sind die ESG-Kriterien ein allgegenwärtiges Thema. Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Erfolgsfaktoren, um Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit zu verbinden?

Wessel-Ellermann: Langfristiger Unternehmenserfolg ist zentral für Nachhaltigkeit. Nur dann habe ich die finanzielle Masse, die ich umverteilen kann. Neben den von uns begleiteten Ursprungs-Kaffeeprojekten kaufen wir daher wo es geht regional geht ein, versuchen unser Angebot auf Bio- oder sogar DEMETER-Produkte umzustellen und unterstützen vor allem lokale Vereine und Organisationen. Das geht nur, weil wir wirtschaftlich erfolgreich sind, und bewusst einen Teil unseres Gewinns in nachhaltige Projekte investieren.

Vielen Dank Ihnen beiden für das spannende und inspirierende Gespräch. Das Interview führte Tobias Haunhorst

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