Welthandel: Die Fronten verhärten sich

Nachdem die globale Wirtschaft Anfang der 2000er Jahre einen kräftigen Globalisierungsschub verzeichnete – unter anderem bedingt durch den Beitritt Chinas zur Welthandelsorganisation WTO – stagnierte die Offenheit der Weltwirtschaft in den letzten Jahren (vgl. Abbildung).

Darüber hinaus haben sich die Rahmenbedingungen für einen weiteren Globalisierungsschub verschlechtert. Zum einen hat die Corona-Pandemie die Verwundbarkeit von globalen Lieferketten aufgezeigt, und zum anderen hat der Angriff Russlands auf die Ukraine geopolitische Risiken wieder in den Fokus politischer Entscheidungsträger gerückt. Damit einhergehend hat sich die Blockbildung zwischen den USA und Europa auf der einen und Russland und China auf der anderen Seite verschärft.

Dadurch erhöht sich gleichzeitig die Gefahr eines Handelskrieges.

Strafzölle auf chinesische Elektroautos

Ein sehr gutes und aktuelles Beispiel für den sich verschärfenden handelspolitischen Ton ist die Erhöhung der Zölle seitens der Biden-Administration gegenüber ausgewählten chinesischen Produkten. Von der Vervierfachung des Zollsatzes auf 100 Prozent waren vor allem Elektroautos betroffen. Was zunächst nach einer drastischen Maßnahme klingt, hat realwirtschaftlich kaum einen Effekt, denn lediglich 12.000 chinesische Elektroautos werden jährlich in die USA importiert.[1] Damit hat die Erhöhung der Zölle vielmehr einen symbolischen Charakter und ist mit Blick auf die US-Präsidentschaftswahl im November wohl eher innenpolitisch motiviert.

Wie sieht die Lage in der EU aus?

Während der US-amerikanische Markt für Elektroautos aus chinesischer Sicht kaum von Relevanz ist, entfallen mit 500.000 Stück rund ein Drittel aller chinesischen Exporte von Elektroautos auf den europäischen Markt. Das bedeutet, dass die EU zwar grundsätzlich eine bessere Verhandlungsmacht hat, gleichzeitig aber deutlich abhängiger von China ist. Trotz Bedenken der heimischen Autohersteller droht die EU, Zölle auf bis zu 38 Prozent auf Elektroautos aus China zu erhöhen.

Was spricht für diesen Schritt?

Da europäische Autohersteller in einem unfairen Preiswettbewerb mit chinesischen Autoherstellern stehen, müssten diese geschützt werden. So werden chinesische Unternehmen schon seit längerem massiv mit staatlichen Geldern unterstützt. Vor allem Hersteller von Elektroautos profitieren von den Subventionen.

Allein für den Autohersteller BYD beliefen sich die Subventionen laut einer Studie vom IfW Kiel im Jahr 2022 auf über zwei Milliarden Euro.[2]

Was spricht gegen höhere Zölle? Zum einen profitiert die EU von den günstigen chinesischen Elektrofahrzeugen, die für die grüne Transformation essentiell sind, und gleichzeitig stammen viele der in die EU importierten Fahrzeuge von europäischen Herstellern in China. Zum anderen droht im ungünstigsten Fall ein Handelskrieg, denn Peking hat bereits angekündigt, mit Gegenmaßnahmen zu reagieren.

Handelsbeziehungen zu China

Anstatt mit China in einen Handelskrieg zu treten, sollten Deutschland und die EU ihre Abhängigkeit von der chinesischen Wirtschaft reduzieren. Dabei ist die Bedeutung Chinas für den deutschen Außenhandel bereits etwas zurückgegangen. So liegt der Anteil aller deutschen Exporte in das Reich der Mitte nach über acht Prozent in der Spitze aktuell bei rund sechs Prozent. Allerdings dürften die Statistiken die tatsächliche Abhängigkeit tendenziell unterschätzen, da viele europäische Unternehmen ihre Produktionsstandorte in den letzten Jahren nach China verlagert haben.

Mit Blick auf die Länderverteilung, aus denen Deutschland Waren importiert, fällt die Abhängigkeit zu China allerdings noch zu hoch aus. So bleibt China nach der EU die größte Importquelle für die deutsche Wirtschaft. Zu den wichtigsten Importgütern zählen neben Elektroautos insbesondere Solarmodule und elektronische Produkte wie beispielsweise Laptops oder Handys. Aber auch Rohstoffe für die Herstellung von Batteriezellen werden zum großen Teil aus China importiert.

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Wie lautet unsere Handlungsempfehlung?

Deutschland und die EU sind gut damit beraten, ihre wirtschaftliche Abhängigkeit von China in den kommenden Jahren abzubauen und Handelsrisiken zu diversifizieren. Auch wenn der Warenaustausch mit China günstige Importe ermöglicht, ist die Abhängigkeit aus geoökonomischen Überlegungen bedenklich. So hat die Corona-Pandemie eindrucksvoll gezeigt, welche schwerwiegenden Folgen ein Eingriff des chinesischen Politbüros in die Wirtschaft haben kann. Auch wenn uns eine neue Pandemie (hoffentlich) nicht bevorsteht, bleibt ein Handelsabbruch mit China ein nicht unrealistisches Szenario. Schließlich haben die geopolitischen Spannungen zwischen China und Taiwan in den letzten Monaten weiter zugenommen. Eine Eskalation würde zu einer eine deutliche Reduzierung der Handelsbeziehungen mit China führen.

Dieses Szenario dürfte für Deutschland und die EU kurz- bis mittelfristig enorme wirtschaftliche Kosten zur Folge haben, da wichtige Inputprodukte nicht so schnell durch andere Länder substituiert werden können.

Deutschland und die EU sollten sich aber auch nicht von den USA instrumentalisieren und in einen Handelskrieg drängen lassen. Viel wichtiger ist es, die Unabhängigkeit und die eigene Verhandlungsmacht im globalen Kontext zu stärken. Auch wenn die USA als Verbündeter auftreten, verfolgen sie ihre eigenen Interessen und führen, wenn notwendig, auch Handelszölle gegen die EU ein. „America Frist“ wird die Handlungsmaxime bleiben – egal ob der künftige US-Präsident Joe Biden oder Donald Trump heißen wird. Umso wichtiger ist es, dass die EU Freihandelsabkommen beispielsweise mit Australien oder den Mercosur-Staaten ausbaut. Eine Intensivierung dieser Handelsbeziehungen würde nicht nur die Handelskosten reduzieren und einen Zugang zu Rohstoffen wie Seltenen Erden ermöglichen, sondern auch die Planbarkeit und Versorgungssicherheit erhöhen. Letztere sind insbesondere in Zeiten hoher geopolitischer Risiken ein kostbares Gut.

Foto von Unsplash von Roadtrip with Raj


[1] Quelle: https://www.ifw-kiel.de/de/publikationen/aktuelles/verhaengte-us-zoelle-haben-fuer-sich-genommen-kaum-auswirkungen-auf-eu-china-handel/, 13.06.2024.

[2] Quelle: https://www.ifw-kiel.de/de/publikationen/aktuelles/chinas-massive-subventionen-fuer-gruene-technologien/, 13.06.2024.

Simon Landt

Autor: Simon Landt

Simon Landt hat einen Bachelor der Volkswirtschaftslehre der Universität Kiel sowie einen Master in Quantitative Finance und in Quantitative Economics an der Universität Kiel und an der School of Economics and Business der Universität Ljubljana absolviert. Nach seinem einjährigen Traineeprogramm startete er als Analyst im Makro Research. Seit Oktober 2021 arbeitet Simon Landt im Makro Research zusammen mit Carsten Klude und Dr. Christian Jasperneite. Er ist spezialisiert auf Analysen des aktuellen Marktumfeldes und die Bedeutung für Aktien- und Anleihenmärkte. Seit März 2024 unterrichtet Simon Landt den Masterkurs „Portfolio- und Assetmanagement“ an der Northern Business School.

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