Was steht für Deutschland bei einem Handelskrieg mit den USA auf dem Spiel?

Offene Differenzen beim G7-Treffen in La Malbaie

Auf dem G7-Treffen am vergangenen Wochenende im kanadischen La Malbaie sind die Differenzen zwischen Donald Trump auf der einen Seite und seinen (neben China) wichtigsten Handelspartnern erneut offen zutage getreten. Sah es zunächst danach aus, als ob der Gipfel überraschenderweise zu einem Erfolg werden könnte – Trump sprach von einem großartigen Treffen und sehr guten Beziehungen zu den anderen G6-Regierungschefs – eskalierte die Situation nach seiner Abreise nach Singapur. So zog Trump seine Zustimmung zur Abschluss-erklärung zurück, nachdem sich der kanadische Premierminister Trudeau auf der Abschlusspressekonferenz kritisch über Trump geäußert hatte. Zudem drohte der US-Präsident erneut mit der Einführung von Zöllen auf Autos.

Die schon bei der Einführung der Strafzölle auf Stahl und Aluminium argumentiert der US-Präsident damit, dass diese Maßnahmen notwendig seien, um die nationale Sicherheit nicht zu gefährden. Mit dieser Argumentation kann der US-Präsident nach eigenem Ermessen über die Implementierung von Handelsschranken entscheiden und benötigt nicht, wie es die US-Verfassung eigentlich vorsieht, die Zustimmung des Kongresses. Auch wenn wir der Ansicht sind, dass es Trump weniger darum geht, tatsächlich und dauerhaft den Handel zu beschränken, zeigt sich, dass der US-Präsident seine Ankündigungen auch umsetzt. Von daher sollte die Einführung von Importzöllen auf Autos nicht als reine Drohkulisse abgetan werden.

Welche Länder haben besonders enge Handelsbeziehungen zu den USA und könnten von Zöllen und anderen handelsbeschränkenden Maßnahmen überdurchschnittlich stark betroffen sein?

2017 wiesen die USA ein Handelsbilanzdefizit von fast 800 Milliarden US-Dollar auf. Dies entspricht einem Anteil von vier Prozent des US-BIP. Trumps einfache, wenn auch aus ökonomischer Sicht falsche Rechnung lautet, dass ohne US-Außenhandel das Defizit auf null sinken und die US-Wirtschaft von daher deutlich stärker wachsen würde. Dabei übersieht er allerdings, dass ohne Handel auch in den USA Arbeitsplätze und Kaufkraft fehlen würden. Die höchsten Defizite im Warenaustausch hatten die USA im vergangenen Jahr mit China (376 Mrd. USD), Mexiko (71 Mrd. USD), Japan (69 Mrd. USD) und Deutschland (64 Mrd. USD). Um die potenziellen Wachstumsauswirkungen beurteilen zu können, muss man den Handelsbilanzsaldo der US-Handelspartner in Relation zu ihrer Wirtschaftskraft setzen. Besonders bedrohlich stellt sich die Situation dann mit weitem Abstand für Mexiko dar, gefolgt von Kanada, der Schweiz, China und Deutschland.

Die Vereinigten Staaten sind immer noch der wichtigste deutsche Exportmarkt

Ein Blick in die Außenhandelsstatistik zeigt, wie und wo die deutsche Wirtschaft angreifbar ist. Berücksichtigt man die Ein- und die Ausfuhren, sind die USA seit dem Jahr 2015 von China als wichtigster deutscher Handelspartner verdrängt worden, doch sind die Vereinigten Staaten immer noch der wichtigste deutsche Exportmarkt. So wurden 2017 Güter im Wert von 111,5 Mrd. Euro in die USA ausgeführt; dies entsprach einem Anteil von 8,7 Prozent an den gesamten Ausfuhren. Importiert wurden dagegen Waren mit einem Volumen von 61,1 Mrd. Euro (Anteil von 5,9 Prozent an den gesamten Einfuhren). Der deutsche Handelsbilanzüberschuss mit den USA von 50,4 Mrd. Euro entsprach einem Anteil von 1,5 Prozent des deutschen BIP. Unter der (unrealistischen) Annahme, dass Deutschland keinen Handel mehr mit den USA betreibt und der Außenhandel mit allen anderen Ländern unverändert bleibt, würde das deutsche BIP von daher nominal um 1,5 Prozentpunkte niedriger ausfallen als es sonst der Fall wäre. Die nominale Wachstumsrate würde somit von 4,1 auf 2,6 Prozent sinken, die reale Wachstumsrate von 2,5 auf rund ein Prozent zurückgehen. Auch wenn diese Überlegungen die Realität stark vereinfachen, zeigen sie doch, welches Risiko ein potenzieller Handelskrieg mit den USA für Deutschland mit sich bringt.

Chart über den deutschen Außenhandel mit den USA

Autos sind wichtigster Exportartikel

Mehr als 70 Prozent der deutschen US-Exporte entfielen dabei 2017 auf nur fünf Sektoren. Der mit Abstand wichtigste Exportartikel in die USA sind deutsche Autos (27 Mrd. USD bzw. 24 Prozent aller US-Exporte), gefolgt von Maschinen (23 Mrd. USD bzw. 20 Prozent), pharmazeutischen Erzeugnissen (13 Mrd. USD bzw. 12 Prozent), Elektrotechnik (10 Mrd. USD bzw. 9 Prozent) und optischen Erzeugnissen (9 Mrd. USD bzw. 8 Prozent). Vom gesamten deutschen Handelsbilanzüberschuss mit den USA von 50 Mrd. USD entfallen allein 20 Mrd. USD auf den Automobilsektor. Kein Wunder, dass dies Trump ein besonderer Dorn im Auge ist und die Einführung von Strafzöllen auf Autos ein aus seiner Sicht probates Mittel ist, um Deutschland und Europa zu Zugeständnissen in der Handelspolitik zu bewegen. Bei isolierter Betrachtung der Exporte in die USA könnte der Pharmasektor sogar noch stärker unter Handelsbeschränkungen leiden als die Automobilbranche. Dies liegt daran, dass „nur“ 12 Prozent der gesamten Autoexporte in die USA gehen, während es bei den Herstellern von pharmazeutischen Erzeugnissen gut 17 Prozent sind.

Politik: Lösungen vorschlagen anstatt Probleme aussitzen

Aufgrund der großen Bedeutung, den der US-Handel für die deutsche Wirtschaft hat, sollte die Politik nicht versuchen, das Problem weiter auszusitzen. Stattdessen sollten den USA konkrete Lösungsvorschläge unterbreitet werden. So könnte man den USA vorschlagen, die Einfuhrzölle von 10 Prozent auf in den USA produzierte Autos komplett abzuschaffen. Ist Trump tatsächlich gegen Protektionismus und für fairen sowie freien Handel müsste er diesen Schritt eigentlich begrüßen und im Gegenzug die US-Einfuhrzölle auf europäische PKWs von 2,5 Prozent aufheben. Im Idealfall würden auch die Einfuhrzölle auf SUVs fallen, die bei der Einfuhr in den USA in Höhe von 25 Prozent und in der Eurozone mit rund 15 Prozent verzollt werden. Im Ergebnis hätte man beim Handel von Kraftfahrzeugen ein „level playing field“, sodass die weitere Entwicklung des Handelsbilanzsaldos in diesem Sektor allein Ausdruck der tarifär unverzerrten Nachfrage der Käufer in den USA und in der Eurozone wäre. Im Idealfall könnte ein solcher politischer Vorschlag sogar zu einer weiteren Reduzierung von Zöllen in anderen Wirtschaftsbereichen führen. Mehr Freihandel würde auch zu mehr Wachstum führen, sowohl in den USA, aber auch in der Eurozone und im Rest der Welt.

Auch Europa wird zukünftig einen anderen Politikstil benötigen

Aber natürlich bliebe abzuwarten, wie die Trump-Administration auf einen tarifären „Abrüstungsvorschlag“ tatsächlich reagieren würde. Sieht sich Trump primär als Dealmaker, der hält und umsetzt, was er seinen Wählern versprochen hat, könnte er auf eine solche Idee durchaus eingehen. Geht es ihm dagegen um den Grundsatz „America first“ und eine damit verbundene neue Weltordnung, die die bisherigen Verbündeten als neue Konkurrenten begreift, würde ihm ein solcher Vorschlag nicht ausreichen, und er würde weitere Forderungen erheben. Dann wüsste aber jeder, woran man bei ihm ist. Die europäischen Politiker sollten begreifen, dass sie mit Donald Trump einen US-Präsidenten als „Partner“ haben, der nicht dem europäischen Verständnis eines Elder Statesman entspricht, sondern der sehr impulsiv seine eigenen Ideen und Vorstellungen umsetzen will. Mit der jahrelang praktizierten Bedächtigkeit europäischer Politik wird man sich mit diesem US-Präsidenten aber kaum einig werden. Auch Europa wird zukünftig einen anderen Politikstil benötigen.

Autor: Carsten Klude

Carsten Klude studierte nach seiner Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Deutschen Bank VWL mit Schwerpunkt Ökonometrie in Kiel. 1996 kam er zu M.M.Warburg & CO, für die er zunächst die europäischen Kapitalmärkte analysierte und später mit der Leitung des Makro-Research betraut wurde. Seit dem Jahr 2009 ist Herr Klude Mitglied im Investmentrat von M.M.Warburg & CO und verantwortet seit dem Sommer 2013 das Asset Management der Bank. Zusätzlich ist Herr Klude seit dem Jahr 2010 Mitglied im Ausschuss für Wirtschafts- und Währungspolitik des Bundesverbandes deutscher Banken e.V., dessen Vorsitz er von 2015 bis 2018 inne hatte.

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