Was eine Trump-Wahl für die deutsche Wirtschaft bedeutet
30. Oktober 2024In wenigen Tagen, am 5. November, wird in den USA ein neuer Präsident oder eine neue Präsidentin gewählt. Laut Umfragen liefern sich die Demokratin Kamala Harris und der Republikaner Donald Trump ein Kopf-an-Kopf-Rennen. In vielen Meinungsumfragen führt Kamala Harris mit einem hauchdünnen Vorsprung, der jedoch im Bereich der statistischen Unschärfe liegt und keine verlässliche Aussage über den Wahlausgang zulässt.
Nach ihrer Nominierung auf dem Parteitag der Demokraten Anfang August konnte Frau Harris in den Umfragen deutlich zulegen und Donald Trump überholen. Auch in den wichtigen „Swing States“, in denen beide großen politischen Parteien gleich gute Chancen haben, die Mehrheit der Stimmen zu gewinnen, weil die Wähler nicht traditionell mit deutlicher Mehrheit demokratisch oder republikanisch wählen, sah es gut für sie aus.
Seit Anfang Oktober scheint sich das Momentum in der Wählergunst jedoch wieder zugunsten Trumps verschoben zu haben.
In sechs der sieben „Swing States“, darunter Michigan, Pennsylvania, Arizona, Wisconsin, Nevada, North Carolina und Georgia, liegt der polarisierende Ex-Präsident inzwischen wieder vor seiner Herausforderin. Noch deutlicher fällt das Urteil der Wettbüros aus: Hier liegt Trumps Siegeswahrscheinlichkeit sogar bei über 60 Prozent.
Was wäre, wenn?
Wenn die US-Wahlen bei uns in Deutschland stattfänden, wäre das Ergebnis wohl klar: Kamala Harris würde die Wahl gewinnen und neue US-Präsidentin werden.
Denn Donald Trump kommt mit seiner Rhetorik und seiner Art, Politik zu machen, bei uns (und in vielen anderen Ländern) nicht an.
Aber Politik ist kein Wunschkonzert, schon gar nicht, wenn die Entscheidungen woanders getroffen werden. Deshalb sollte sich die deutsche Wirtschaft ebenso wie die Politik und die Öffentlichkeit darauf vorbereiten, dass wir es ab dem 20. Januar 2025, dem Tag der Amtseinführung des neuen Präsidenten, wieder mit Trump zu tun haben werden.
Wiederwahl von Trump schlecht für Deutschland
Gerade für die exportabhängige deutsche Wirtschaft wäre eine Wiederwahl von Donald Trump eine schlechte Nachricht. Zwar konnte eine „technische“ Rezession, also zwei Quartale in Folge mit rückläufigem realen Bruttoinlandsprodukt, bislang wie durch ein kleines Wunder vermieden werden, doch mit Trump als neuem US-Präsidenten könnte sich dies spätestens im nächsten Jahr ändern. Noch gehen die meisten Konjunkturprognosen davon aus, dass die deutsche Wirtschaft im kommenden Jahr zumindest ein Mini-Wachstum erzielen wird. So prognostiziert der Internationale Währungsfonds in seinem jüngst veröffentlichten World Economic Outlook für 2025 ein Wirtschaftswachstum von 0,8 Prozent. Allerdings basiert diese Prognose unter anderem auf der Annahme, dass sich das Wachstum des Welthandels im kommenden Jahr beschleunigt.
Höhere Zölle könnten unbequem werden
Sollte der Republikaner Trump ins Weiße Haus einziehen, dürfte sich diese Erwartung jedoch nicht erfüllen. Denn es gehört zu Trumps klar formulierten politischen Vorstellungen, den Amerikanern einerseits niedrige Steuern zu versprechen, die er andererseits durch höhere Zölle gegenfinanzieren will.
So sagte er kürzlich, dass „Zoll“ das schönste Wort im Wörterbuch sei, abgesehen von „Glaube“ oder „Liebe“.
In diesem Glauben scheint er konsequent zu sein. Wir sollten daher sein Wahlkampfversprechen ernst nehmen, einen Pauschalzoll von 10 oder 20 Prozent auf alle in die USA importierten Güter zu erheben und Zölle von mindestens 60 Prozent auf Importe aus China einzuführen. Derzeit liegt der durchschnittliche Zollsatz auf alle US-Importe nach Angaben der Tax Foundation bei rund zwei Prozent. Setzt Trump seine Pläne wie angekündigt um, könnte der durchschnittliche US-Zollsatz auf fast 20 Prozent steigen, der höchste Wert seit der Großen Depression in den 1930er Jahren.
US-Außenhandelsdefizit soll minimiert werden
Trump hat angekündigt, das hohe US-Außenhandelsdefizit von gut einer Billion US-Dollar im Jahr 2023 (entspricht einem Anteil am US-BIP von 3,8 Prozent) durch hohe Zölle reduzieren zu wollen. Daraus ließe sich zumindest saldenmechanisch ein enormes Wachstumspotenzial ableiten, denn alle Güter, die nicht mehr importiert, sondern im eigenen Land produziert werden, führen theoretisch zu mehr Wirtschaftswachstum.
Trumps einfache, wenn auch ökonomisch falsche Rechnung lautet, dass ohne US-Außenhandel das Defizit auf Null sinken und die US-Wirtschaft daher deutlich stärker wachsen würde.
Dabei übersieht er jedoch, dass ohne Handel auch Arbeitsplätze und Kaufkraft in den USA verloren gingen, da höhere US-Importzölle mit Sicherheit zu Gegenmaßnahmen bei den Handelspartnern führen würden, so dass auch die US-Exporte zurückgehen würden. Vom erhofften Wachstumsschub durch weniger Importe bliebe dann nicht mehr viel übrig. Zudem wäre mit einem Anstieg des Preisniveaus in den USA zu rechnen, da die höheren Kosten der teureren Importe von den Unternehmen an die Verbraucher weitergegeben würden.
Rezession in Deutschland wird wahrscheinlicher
Der deutsche Außenbeitrag war in den vergangenen Jahren häufig eine Quelle des Wirtschaftswachstums, da die Exporte kräftiger als die Importe gewachsen sind. 2023 trug der Außenbeitrag 0,2 Prozentpunkte zum realen Wirtschaftswachstum bei, in diesem Jahr könnte es sogar etwas mehr sein.
Vor allem die Ausfuhren in die USA tragen maßgeblich zum Überschuss in der deutschen Handelsbilanz bei.
So sind die USA mit einem Exportvolumen von 157 Milliarden Euro im vergangenen Jahr unser wichtigstes Exportland, weit vor Frankreich (120 Mrd. Euro), den Niederlanden (115 Mrd. Euro) und China (97 Mrd. Euro). Die Einfuhren aus den USA beliefen sich 2023 auf 95 Mrd. Euro, sodass sich der Handelsbilanzüberschuss mit den Vereinigten Staaten auf mehr als 63 Mrd. Euro belief; dies entspricht 1,5 Prozent des (nominalen) deutschen Bruttoinlandsproduktes.
Welches sind die wichtigsten Branchen für Export in die USA?
Rund 75 Prozent der deutschen Exporte in die USA entfielen 2023 auf fünf Branchen. Das mit Abstand wichtigste Exportgut in die USA sind deutsche Autos (34 Mrd. Euro), gefolgt von Maschinen (32 Mrd. Euro), pharmazeutischen Erzeugnissen (25 Mrd. Euro), Elektrotechnik (15 Mrd. Euro) und optischen Erzeugnissen (12 Mrd. Euro). Vom gesamten deutschen Handelsbilanzüberschuss mit den USA in Höhe von 63 Milliarden Euro entfallen allein 24 Milliarden Euro auf den Automobilsektor. Dies dürfte Trump ein besonderer Dorn im Auge sein, so dass die Einführung von Strafzöllen auf Autos aus unserer Sicht sehr wahrscheinlich ist ¬ was die Krise der deutschen Automobilindustrie weiter verschärfen dürfte. Es scheint, dass weder die deutsche Politik noch die deutschen Unternehmen auf ein solch apokalyptisches Szenario vorbereitet sind.
Welche Länder sind noch gefährdet?
Sollte Trump Präsident werden, wird er sich sicherlich genau ansehen, mit welchen Ländern die USA besonders hohe Handelsbilanzdefizite aufweisen.
Den größten Negativsaldo weist der US-Handel mit China auf, mit einem Defizit von 279 Milliarden US-Dollar im Jahr 2023.
Im Vergleich zu 2018, dem Jahr mit dem bisher höchsten Defizit von 418 Mrd. US-Dollar, hat sich die Situation aus Sicht der USA aufgrund der von Trump eingeführten und von der Regierung Biden nahtlos fortgeführten protektionistischen Maßnahmen verbessert. Dies wird besonders deutlich, wenn man das Handelsdefizit mit China in Relation zum Bruttoinlandsprodukt setzt: 2018 lag es bei zwei Prozent des BIP, 2023 beträgt es nur noch ein Prozent, dies ist der niedrigste Wert seit mehr als 20 Jahren.
Auch stark betroffen sind Mexiko und Kanada
Besonders stark gewachsen ist das Handelsbilanzdefizit der USA in den letzten Jahren mit Mexiko und Kanada. Dies dürfte auch Donald Trump auf den Plan rufen, der 2018 dafür sorgte, dass das alte Freihandelsabkommen NAFTA (North American Free Trade Agreement) durch das neue USMCA (United States-Mexico-Canada-Agreement) ersetzt wurde. Besonders heikel für Mexiko und Kanada ist die Tatsache, dass die US-Exporte rund 25 Prozent (im Falle Mexikos) bzw. 20 Prozent (im Falle Kanadas) des gesamten BIP der beiden Länder ausmachen.
Höhere Zölle könnten sich daher besonders verheerend auf die Wirtschaftsleistung dieser beiden Länder auswirken.
Ähnliche Hochrisikoländer mit einer hohen Außenhandelsabhängigkeit von den USA sind z.B. Malaysia und Singapur sowie die Schweiz und Südkorea. In all diesen Ländern dürften die US-Wahlen und ihr Ausgang mit Argusaugen beobachtet werden. Wie heißt es doch so schön: Mit dem Schlimmsten rechnen, auf das Beste hoffen. Nächste Woche wissen wir hoffentlich mehr.
Autor: Carsten Klude
Carsten Klude studierte nach seiner Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Deutschen Bank VWL mit Schwerpunkt Ökonometrie in Kiel. 1996 kam er zu M.M.Warburg & CO, für die er zunächst die europäischen Kapitalmärkte analysierte und später mit der Leitung des Makro-Research betraut wurde. Seit dem Jahr 2009 ist Herr Klude Mitglied im Investmentrat von M.M.Warburg & CO und verantwortet seit dem Sommer 2013 das Asset Management der Bank. Zusätzlich ist Herr Klude seit dem Jahr 2010 Mitglied im Ausschuss für Wirtschafts- und Währungspolitik des Bundesverbandes deutscher Banken e.V., dessen Vorsitz er von 2015 bis 2018 inne hatte.
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