Warum die aktuelle Erholung für Aktien spricht (Teil 2)
9. Oktober 2020Nicht nur in den USA und in China hat sich die Wirtschaft in den vergangenen Monaten wieder deutlich erholt, auch bei uns in Deutschland und in den anderen Ländern der Eurozone ist es im dritten Quartal zu einer deutlichen konjunkturellen Belebung gekommen. Allerdings haben sich seit dem Sommer und der aufgrund der Ferienzeit wieder verstärkten Reisetätigkeit vieler Menschen die Corona-Neuinfektionen fast überall in Europa deutlich erhöht.
Wie ist die Corona Situation aktuell?
Derzeit werden in nahezu allen Ländern neue Rekorde bei den Fallzahlen berichtet, die einzigen Ausnahmen hier-von sind (noch) Italien und Deutschland. Besonders prekär stellt sich die Situation momentan in Frankreich, Großbritannien und Spanien dar, wenngleich sich die Lage in Spanien in den letzten Tagen etwas entspannt hat.
Im Vergleich zum Frühjahr gibt es dennoch wichtige Unterschiede:
Zum einen wird in vielen Ländern vermehrt getestet, dies gilt vor allem für Großbritannien, weniger allerdings für Italien. Und zum anderen ist die Zahl der Todesfälle in allen Ländern wesentlichniedriger als es im April und Mai der Fall war.
Wie sieht es in Deutschland aus?
Deutschland ist bislang vergleichsweise gut durch die Corona-Krise gekommen.
Der wirtschaftliche Einbruch im zweiten Quartal fiel beispielsweise wesentlich glimpflicher aus als in Frankreich, Italien oder Spanien, und im dritten Quartal ist ein erheblicher Teil der zuvor erlittenen wirtschaftlichen Verluste wieder aufgeholt worden. Hierauf deuten nicht nur die wichtigsten konjunkturellen Frühindikatoren hin, sondern auch realwirtschaftliche Zeitreihen, wie die Einzelhandelsumsätze oder die Auftragseingangsdaten, die entweder über ihrem Niveau von Mitte Februar (Einzelhandel) oder nur noch knapp darunter (Aufträge) liegen.
Noch ein etwas weiter Weg für Industrieproduktion und Exporte
Einen etwas weiteren Weg zurück zum Vorkrisenniveau haben noch die Industrieproduktion und die Exporte zurückzulegen, wobei sich auch für diese beiden volkswirtschaftlichen Kerngrößen die Rahmenbedingungen verbessert haben. Dies ist insbesondere auf die konjunkturelle Erholung in China zurückzuführen, von der vor allem die Automobil- und die Chemieindustrie sowie der Maschinenbau profitieren.
Alles in allem lässt sich auch für die deutsche Wirtschaft das positive Zwischenfazit einer „V“-förmigen Konjunkturerholung ziehen.
Vergleicht man die aktuelle Entwicklung mit der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 so zeigt sich beispielsweise, dass die Auftragseingänge im April 2020 um 37 Prozent unter ihrem Vorjahreswert lagen, vier Monate später im August 2020 aber nur noch ein Rückstand von zwei Prozent gegenüber dem Vorjahr zu verzeichnen ist. Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise betrug der Rückgang der Bestellungen im Februar 2009 36 Prozent und es dauerte damals zehn Monate bis dieser Einbruch kompensiert war. Ganz ähnlich verhält es sich mit der Industrieproduktion, die 2009 ebenfalls neun Monate benötigte, um einen ähnlichen Wert wie diesmal schon nach vier Monaten zu erreichen.
Somit dürfte die deutsche Wirtschaft im dritten Quartal um bis zu sechs Prozent gegenüber dem Vorquartal gewachsen sein, womit mehr als die Hälfte des Einbruchs aus dem Vorquartal aufgeholt wäre.
Wir glauben die wirtschaftliche Erholung in Deutschland wird auch in Q42020 weitergehen
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch der „wöchentliche Aktivitätsindex“ der Deutschen Bundesbank. Diese experimentelle Zeitreihe versucht auf Basis von neun hochfrequenten Indikatoren eine verlässliche vierteljährliche Schätzung des Bruttoinlandsproduktes abzuleiten.
Wir gehen trotz der steigenden Corona-Neuinfektionen nicht davon ausgehen, dass es in Deutschland zu einem erneuten staatlich verordneten wirtschaftlichen Lockdown kommen wird.
Daher dürfte die wirtschaftliche Erholung im vierten Quartal weitergehen, wenn auch in einem etwas langsameren Tempo. Für das Gesamtjahr 2020 gehen wir nun von einem BIP-Rückgang in Höhe von 5,3 Prozent aus (saison-, aber nicht kalenderbereinigt), das entspricht ungefähr der Entwicklung des Jahres 2009.
Für 2021 rechnen wir mit einer Fortsetzung der guten Konjunktur.
Angetrieben von der ultra-expansiven Geld- und Fiskalpolitik sowie einem hohen statistischen Überhang von fast drei Prozentpunkten könnte der in diesem Jahr erfolgte Einbruch schon im dritten Quartal 2021 komplett wettgemacht sein und das reale Bruttoinlandsprodukt 2021 um knapp sechs Prozent zulegen.
Wie sieht es in der Eurozone aus?
In der Eurozone wird der wirtschaftliche Aufholprozess dagegen mehr Zeit benötigen.
Zwar gehen wir davon aus, dass das reale Wirtschaftswachstum im dritten Quartal 2020 stärker ausfällt als in Deutschland, doch dürfte die konjunkturelle Dynamik im vierten Quartal deutlich nachlassen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass es vor allem in Spanien und Frankreich aufgrund des Coronavirus zu erneuten wirtschaftlichen Einschränkungen kommt. Diese sind zwar von den Auswirkungen her nicht mit denen aus dem Frühjahr zu vergleichen, dennoch wird der konjunkturelle Aufholprozess damit zumindest verlangsamt bzw. unterbrochen.
Insbesondere die spanische Wirtschaft gerät in erneute Schwierigkeiten.
Wie der jüngste Rückgang des Einkaufsmanagerindex für die Dienstleistungsunternehmen zeigt. Mit nur noch gut 42 Punkten liegt der Index wieder weit unter der 50-Punkte-Marke, allerdings immerhin noch deutlich über den Werten von Mai (27,9) und April (7,1).
Vor allem der Tourismus leidet darunter, dass Spanien erneut als Risikogebiet eingestuft wurde und deswegen kaum noch ausländische Reisende in das Land kommen.
Mit einem Anteil von rund 12 Prozent am gesamten BIP und etwa 14 Prozent an der Beschäftigung spielt der Tourismus für Spanien eine größere Rolle als für alle anderen OECD-Länder.
Die wirtschaftliche Entwicklung spiegelt sich auch in den Aktienkursen wider.
Während der DAX mit einem Minus von rund zwei Prozent seit Jahresbeginn zu den besten Indizes der Eurozone gehört, bildet der spanische Aktienindex IBEX mit einem Rückgang von fast 26 Prozent zusammen mit Griechenland und Portugal das Schlusslicht.
Selbst wenn sich das Coronavirus irgendwann nicht mehr negativ auf die Wirtschaft auswirkt, dürfte die Gewinndynamik vieler europäischer Unternehmen im Vergleich zu US-Firmen wie schon in der Vergangenheit geringer bleiben.
Dies ist aus unserer Sicht ein wichtiges Argument, dass auch weiterhin gegen ein zu hohes Gewicht europäischer Aktien in einem globalen Portfolio spricht.
Autor: Carsten Klude
Carsten Klude studierte nach seiner Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Deutschen Bank VWL mit Schwerpunkt Ökonometrie in Kiel. 1996 kam er zu M.M.Warburg & CO, für die er zunächst die europäischen Kapitalmärkte analysierte und später mit der Leitung des Makro-Research betraut wurde. Seit dem Jahr 2009 ist Herr Klude Mitglied im Investmentrat von M.M.Warburg & CO und verantwortet seit dem Sommer 2013 das Asset Management der Bank. Zusätzlich ist Herr Klude seit dem Jahr 2010 Mitglied im Ausschuss für Wirtschafts- und Währungspolitik des Bundesverbandes deutscher Banken e.V., dessen Vorsitz er von 2015 bis 2018 inne hatte.
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