Wachstumsregion Asien: Wirtschaft in China wächst rasant weiter

In Asien ist das Wirtschaftswachstum weiter überdurchschnittlich hoch, und eine Abschwächung der Konjunkturdynamik ist keineswegs sicher. Selbst unsere aktuelle Prognose könnte noch übertroffen werden. Welche Länder die besten Wachstumsperspektiven aufweisen und was Anleger in diesen Zeiten im Auge behalten sollten.

Der Internationale Währungsfonds hat jüngst seine globale Wachstumsprognose für dieses Jahr von 5,5 auf 6,0 Prozent nach oben revidiert. Im nächsten Jahr soll sich der Aufschwung mit etwas schwächerer Dynamik fortsetzen – erwartet wird ein Wachstum von 4,4 Prozent. Im Vergleich zum durchschnittlichen Weltwirtschaftswachstum der Jahre 2009 bis 2019 von 3,3 Prozent ist dies immer noch ein überdurchschnittlich guter Wert.

Gründe für die angepasste Wachstumsprognose des Internationalen Währungsfonds

Ausschlaggebend für die Prognoseanpassung ist vor allem die expansive Fiskalpolitik in den Industrieländern, allen voran die in den USA. Aber auch das hohe Impftempo und die damit verbundene Erwartung, dass Corona-bedingte wirtschaftliche Lockdowns schon bald der Vergangenheit angehören könnten, haben den IWF veranlasst, die Wachstumsprognose für die Industrieländer in diesem Jahr von 4,3 auf 5,1 Prozent und im Jahr 2022 von 3,1 auf 3,6 Prozent anzuheben.

Im Unterschied zu den Industrieländern wurden die Erwartungen für das Wachstum in den Schwellenländern nur geringfügig angepasst: von 6,3 auf 6,7 Prozent in diesem Jahr, während die Prognose für 2022 mit 5,0 Prozent unverändert ausfällt. Dabei zeigen sich jedoch deutliche regionale Unterschiede. Das mit Abstand stärkste Wachstum verzeichnet Asien (2021: 8,6 Prozent, 2022: 6,0 Prozent), während Lateinamerika, Osteuropa, der Mittlere Osten sowie Afrika in den kommenden beiden Jahren ähnliche Wachstumsraten von etwa vier Prozent aufweisen sollen.

Prägend für die Weltwirtschaft sind dabei vor allem zwei Länder: USA und China

USA steht stellvertretend für die Industrie- und China für die Schwellenländer – wobei man darüber streiten kann, ob China angesichts seiner bereits erreichten wirtschaftlichen Größe überhaupt noch als Schwellenland zu bezeichnen ist. Allerdings ist das Pro-Kopf-Einkommen in China mit rund 10.000 US-Dollar trotz der starken Zunahme in den vergangenen Jahren (2000: 950 US-Dollar, 2010: 4.500 US-Dollar) immer noch viel niedriger als in Deutschland (46.000 US-Dollar) oder in den USA (63.000 US-Dollar).

China wird in diesem Jahr der wichtigste Motor für die Weltwirtschaft sein

Die Konjunkturdaten waren im ersten Quartal äußerst stark, auch wenn die Wachstumsrate von 18 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal aufgrund des Konjunktureinbruchs zu Beginn des Jahres 2020 optisch überzeichnet ist. Zwar war in Zusammenhang mit der Veröffentlichung der BIP-Zahlen zu lesen, dass diese „enttäuschend“ ausgefallen seien, da der Zuwachs gegenüber dem Vorquartal geringer als erwartet ausfiel. Allerdings liegt dies vor allem daran, dass es in China verschiedene Datensätze gibt, mit denen die Regierung in der Lage ist, ein ihr passendes Bild der Lage zu zeichnen.

Möglicherweise hält man es in Peking im Moment nicht für opportun zu zeigen, wie stark die Wirtschaft wirklich ist, schließlich sieht man sich als Auslöser für den größten Konjunktureinbruch der vergangenen hundert Jahre ­international vielfach an den Pranger gestellt.

Dass die chinesische Wirtschaft in der Lage ist, den Corona-Einbruch in kürzester Zeit abzuschütteln, während die meisten anderen Länder immer noch mit den Folgen der Pandemie zu kämpfen haben, käme vermutlich nicht gut an.

Die von uns ausgewerteten Daten für die chinesische Wirtschaftsleistung zeigen jedenfalls, dass sich das Wachstum im ersten Quartal 2021 auch gegenüber den ohnehin schon positiv verlaufenden Vorquartalen nochmals verbessert hat. Selbst unter der Annahme, dass sich das Quartalswachstum für den Rest des Jahres abschwächt und nur noch Zuwachsraten wie vor der Corona-Pandemie erzielt werden, erhöht sich dank des guten Jahresstarts unsere Wachstumsprognose für das chinesische Bruttoinlandsprodukt von bisher zehn auf nun elf Prozent – womit wir weiterhin deutlich optimistischer sind als der IWF und die meisten anderen Volkswirte.

Doch selbst unsere aktuelle Prognose könnte noch übertroffen werden

Denn eine Abschwächung der Konjunkturdynamik ist keineswegs sicher. War es bislang vor allem die chinesische Industrie, die für das starke Wachstum der vergangenen Monate verantwortlich war, sieht es mittlerweile so aus, als ob auch die Dienstleister und die Konsumenten zu alter Stärke zurückfinden. Dem wirtschaftlichen Aufholprozess muss somit noch nicht so bald die Puste ausgehen.

Anleger sollten allerdings die Liquiditätsversorgung der Wirtschaft im Auge behalten: Sollten sich hier deutlichere Bremsspuren zeigen, wäre dies ein Signal dafür, dass sich das Wachstum mittelfristig abschwächen wird.

Mit einer von uns prognostizierten Wachstumsrate von elf Prozent stellt China fast alle anderen asiatischen Volkswirtschaften in den Schatten. Nur für Indien erwartet der IWF in diesem Jahr eine noch stärkere Konjunkturdynamik. Bei der Wachstumsrate von 12,5 Prozent spielen ebenfalls Basiseffekte eine wesentliche Rolle, schließlich ist das reale indische Bruttoinlandsprodukt im vergangenen Jahr um acht Prozent gesunken.

Dennoch sind wir skeptisch, ob Indien eine derartige Wachstumsrate in diesem Jahr erreichen kann. Dies liegt daran, dass Indien das Corona-Neuinfektionsgeschehen nicht in den Griff bekommt. Zuletzt wurde mit 300.000 neuen täglichen Fällen sogar ein trauriger Weltrekord aufgestellt. Dagegen sind die Corona-Neuinfektionen in den anderen asiatischen Ländern sehr niedrig, obwohl auch hier die Ansteckungen zuletzt wieder etwas zugenommen haben.

Da die meisten Asiaten aber sehr diszipliniert sind und sich stärker als andere an administrative Regeln halten, ist das Risiko von zukünftig wieder stärkeren wirtschaftlichen Beschränkungen, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen, gering – anders als beispielsweise in Brasilien oder der Türkei, die wie Indien mit stark ansteigenden Neuinfektionszahlen zu kämpfen haben.

Die konjunkturelle Dynamik ist vor allem auf die Bevölkerungsentwicklung zurückzuführen

Das starke wirtschaftliche Wachstum nicht nur in China, sondern in nahezu der gesamten asiatischen Region hat aber natürlich nur zu einem geringen Teil etwas mit dem Umgang mit der Corona-Pandmie zu tun. Langfristig ist die konjunkturelle Dynamik vor allem auf die Bevölkerungsentwicklung zurückzuführen. So lebt derzeit rund 60 Prozent der Weltbevölkerung in Asien, davon allein fast 20 Prozent jeweils in China und in Indien.

Da neben der Produktivität die zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte entscheidend für das Wachstumspotenzial einer Volkswirtschaft sind, wird deutlich, welchen Einfluss die Bevölkerungsentwicklung auf die Wirtschaft und deren zukünftige Aussichten hat. Prognosen der UN zufolge wird die Bevölkerung Asiens von derzeit 4,6 Milliarden bis auf 5,3 Milliarden Menschen im Jahr 2050 zunehmen, bevor sie dann bis zum Jahr 2100 wieder auf 4,7 Milliarden zurückgehen soll. Das bedeutet, dass Asien auch in den kommenden 30 Jahren eine dynamisch wachsende Region bleiben wird.

China trauen wir auch in den kommenden zehn Jahren hohe Wachstumsraten zu, in diesem Zeitraum dürften sie die USA als bislang noch größte Wirtschaftsmacht der Welt eingeholt haben. Doch spätestens dann rücken andere Länder aufgrund ihres Bevölkerungswachstums stärker in den Fokus: neben Indien allen voran die Philippinen, Kambodscha, Malaysia, Indonesien und Vietnam sowie je nach politischer Entwicklung auch Pakistan, der Iran und vielleicht auch Bangladesch.


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Autor: Carsten Klude

Carsten Klude studierte nach seiner Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Deutschen Bank VWL mit Schwerpunkt Ökonometrie in Kiel. 1996 kam er zu M.M.Warburg & CO, für die er zunächst die europäischen Kapitalmärkte analysierte und später mit der Leitung des Makro-Research betraut wurde. Seit dem Jahr 2009 ist Herr Klude Mitglied im Investmentrat von M.M.Warburg & CO und verantwortet seit dem Sommer 2013 das Asset Management der Bank. Zusätzlich ist Herr Klude seit dem Jahr 2010 Mitglied im Ausschuss für Wirtschafts- und Währungspolitik des Bundesverbandes deutscher Banken e.V., dessen Vorsitz er von 2015 bis 2018 inne hatte.

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