Trump oder Harris: Wer gewinnt die US-Wahl 2024?

Man mag sich in vielerlei Hinsicht die Augen reiben über das, was sich im amerikanischen Wahlkampf abspielt – allerdings muss man schon zugeben: Langweilig ist es nicht.

Eine erste Änderung in der Einschätzung der Wahlchancen war notwendig, nachdem Biden in einer TV-Debatte erhebliche Konzentrationsdefizite offenbarte und Trump sich gegen Biden als geradezu jugendlicher und vitaler Mann präsentieren konnte. Spätestens ab diesem Zeitpunkt war klar, dass sich die Chancen (weiter) zu Trumps Gunsten verschoben hatten und Trump mit einer recht hohen Wahrscheinlichkeit eine zweite Amtszeit als US-Präsident erleben könnte. Dieser Trend verstärkte sich noch, nachdem Trump das Attentat auf ihn mit einem Kratzer am Ohr überlebte und mit einer instinktsicheren Reaktion unmittelbar nach den Schüssen für geradezu ikonische Fotos sorgte.

Spätestens zu diesem Zeitpunkt schien die Wahl entschieden

Da es Biden auch in den folgenden Tagen nicht gelang, die Gerüchte um seinen Gesundheitszustand zu zerstreuen, wurde zunehmend diskutiert, ob es für die Demokraten nicht besser wäre, kurz vor der Wahl noch einmal das Pferd zu wechseln und auf einen anderen Kandidaten oder eine andere Kandidatin zu setzen.

Der endgültige Wendepunkt in dieser Entwicklung waren dann die Fernsehbilder des US-Präsidenten, wie er – von einer COVID-Infektion gezeichnet – kaum noch die Treppe der Air-Force One hinabsteigen konnte.

Nachdem sich der Präsident in sein Haus in Rehoboth Beach zurückgezogen hatte, reifte wohl im Kreise der Familie die Entscheidung, das Amt des Präsidenten zwar bis zur Wahl auszuüben, aber nicht mehr als Kandidat zur Verfügung zu stehen.

Gemischte Gefühle bei den Demokraten

Einerseits Erleichterung darüber, dass man nun auf einen Kandidaten setzen konnte, der bessere Chancen hatte, die Wahl zu gewinnen; andererseits die Sorge, dass die Kandidatenkür im Chaos enden könnte. Genau das war 1968 schon einmal passiert und sollte unbedingt vermieden werden.

Die natürliche Kandidatin in dieser Situation (und das war schon vorher klar) ist natürlich die US-Vizepräsidentin Kamala Harris.

Dennoch ist eine Abstimmung notwendig, und diese soll nun laut Berichten der Washington Post und CNN ab dem 1. August auf virtuellem Wege beginnen. Mögliche Kandidaten haben also nur noch bis Ende Juli Zeit, ihre Kandidatur einzureichen.

Das US-amerikanische Wahlsystem

In den USA werden die Kandidaten nicht auf Parteitagen, sondern technisch gesehen in Vorwahlen bestimmt. Die Parteitage sind dann ein rein formaler Akt, die Delegierten sind weisungsgebunden. An den Vorwahlen nehmen aber vor allem politisch stark (und oft extrem) motivierte Bürger teil. Es ist daher sehr schwierig, auf diese Weise Mainstream-Kandidaten auszuwählen. Dies erklärt wohl auch, dass die beiden großen Parteien in den USA seit vielen Jahren den Wählern Kandidaten präsentieren, die in der Summe wenig Begeisterung auslösen.

Auch jetzt gaben in Umfragen 47% der Wähler an, dass sie sowohl mit Biden als auch mit Trump als Kandidaten wenig oder gar nichts anfangen können.

Vielleicht noch erstaunlicher: 14% der demokratischen Wähler würden Biden gerne durch einen anderen Kandidaten ersetzen, 12% der republikanischen Wähler würden Trump gerne durch einen anderen Kandidaten ersetzen. Von Begeisterung oder Zustimmung für die Kandidaten kann also keine Rede sein, auch wenn die Fernsehbilder von jubelnden Anhängern immer wieder anderes suggerieren.

Tricks der Vorwahlen

Um diesen Systemfehler der Vorwahlen so weit wie möglich zu beheben oder zumindest zu begrenzen, arbeiten die Parteien wiederum mit mehr oder weniger großen „Tricks“. Um z.B. die Wahl Bidens als Kandidat der Demokraten zu begünstigen (und extremere, noch weniger Mainstream-orientierte Kandidaten zu verhindern), fanden die ersten Vorwahlen in den Staaten statt, in denen Biden am besten abschneiden würde, um so die Stimmung für die nächsten Staaten zu beeinflussen.

Durch das geschickte Management der Demokraten ist davon auszugehen, dass Harris in jedem Fall nominiert wird, so dass man nun mit hinreichender Sicherheit von einem Duell zwischen Harris und Trump ausgehen kann.

Für die Trump-Kampagne ist das keine gute Nachricht.

Aus einem sicher geglaubten Sieg ist für Trump wieder eine Zitterpartie geworden – entsprechend genervt und gereizt sind seine Reaktionen. Das Problem aus unserer Sicht ist nun, zum jetzigen Zeitpunkt schon Wahrscheinlichkeiten zu äußern, wie eine solche Wahl ausgehen könnte.

Unsicherheiten des Duells zwischen Trump und Harris

Die erste Unsicherheit besteht darin, dass es derzeit kaum belastbare Umfragen auf der Ebene einzelner Bundesstaaten über ein Duell zwischen Trump und Harris gibt. Die zweite Unsicherheit liegt in der Besonderheit des amerikanischen Wahlsystems, bei dem manchmal einige Zehntausend Stimmen in zwei oder drei einzelnen Bundesstaaten den Unterschied zwischen Sieg und Niederlage ausmachen können. Gäbe es in den USA wie in Deutschland ein Mehrheitswahlrecht, hätte Harris gewisse Chancen, die Wahl zu gewinnen. Ganz aktuelle Umfragen sehen Trump (46%) nur knapp vor Harris (45%), wobei die Zahl der Unentschlossenen noch sehr hoch ist.

In welchen Punkten überzeugt Harris?

Harris punktet mit ihrem Alter (verglichen mit Harris ist Trump ein alter Mann), mit ihrer Geschichte (vom Einwandererkind zur Generalstaatsanwältin von Kalifornien und dann zur Vizepräsidentin), mit ihrem sympathischen Auftreten, ihrer Schlagfertigkeit, ihrem guten Humor, ihrer Sachkenntnis und ihrer klaren Positionierung bei den Themen Frauenrechte, Bürgerrechte, Polizeigewalt oder auch Klimawandel.

Wo zeigen sich inhaltliche Defizite?

Inhaltliche Defizite zeigen sich jedoch bei den Themen Wirtschaft, Finanzen, Geopolitik, Verteidigung und Handel. Gelegentlich verheddert sie sich zudem in endlosen und floskelhaften Wortsalat-Sätzen. Hinzu kommt, dass man Harris durchaus zum oft wenig geschätzten demokratischen Establishment zählen kann; ihre Kontakte zu milliardenschweren Unterstützern der Demokraten mögen ihr finanziell helfen – imagefördernd muss das nicht unbedingt sein.

Aber selbst wenn Harris am Ende mehr Stimmen als Trump auf sich vereinen könnte (bei einem pannenfreien Wahlkampf wäre das unsere derzeitige Prognose), muss das noch lange nicht bedeuten, dass Harris auch die Wahl gewinnt.

Das liegt an den vielen Besonderheiten des US-Wahlsystems, bei dem letztlich entscheidend ist, in welchen Bundesstaaten man gewinnt.

Denn wer in einem Bundesstaat gewinnt, gewinnt alle Stimmen der Wahlmänner, die von diesem Bundesstaat entsandt werden. Die meisten Bundesstaaten sind relativ klar entweder den Demokraten oder den Republikanern zuzuordnen. In diesen Staaten ist es dann völlig unerheblich, ob der Sieger ein paar Prozentpunkte mehr oder weniger bekommt.

Spannend wird es dagegen vor allem in den Swing States Michigan, Pennsylvania, Wisconsin, Arizona, Georgia, Nevada und North Carolina, denn hier deuten die Umfragen auf ein äußerst knappes Rennen hin. Wer hier gewinnt, wird am Ende wohl auch die US-Wahlen gewinnen.

Hat der Wechsel von Biden zu Harris die Situation verändert?

Es stellt sich die Frage, ob der Wechsel von Biden zu Harris die Situation in diesen speziellen Swing States verändert haben könnte. Diese Frage kann an dieser Stelle noch nicht seriös beantwortet werden, aber es gibt einige interessante Details, die nicht unerwähnt bleiben sollten. Schließlich müssen sich die Bemühungen von Harris und Trump darauf konzentrieren, die unentschlossenen und nicht als Demokraten oder Republikaner registrierten Wähler in den Swing States für sich zu gewinnen.

Schaut man sich nun an, welche Themen gerade für die unabhängigen Wähler von zentraler Bedeutung sind, so sind dies Inflation, Korruption, Drogenkriminalität, Obdachlosigkeit, Sorge um die Demokratie, Sorge um bezahlbaren Wohnraum, Waffengewalt oder Ungerechtigkeiten im Justizsystem.

Zumindest bei einigen dieser Themen könnte Harris durch ihr Auftreten, ihre Biografie und auch ihre Erfahrung vielleicht etwas authentischer wirken und besser punkten als Biden. Das könnte dann in der Summe sogar das Pendel zugunsten von Harris ausschlagen lassen. Aber dafür müsste der Wahlkampf ab jetzt nach einem nahezu perfekten Drehbuch ablaufen, und das wird er wohl nicht. Wären wir gezwungen, eine Prognose abzugeben, würde sie derzeit so aussehen:

Es bleibt spannend bis zum Schluss, aber am Ende gewinnt Trump, wenn auch knapp.

Kapitalmarktausblick mit Chief Investment Officer Dr. Christian Jasperneite

Was passiert aktuell eigentlich am Kapitalmarkt? Wie steht es wirklich um Inflation und Geldpolitik? Dr. Christian Jasperneite gibt Ihnen einen 30-minütigen Einblick zur aktuellen Lage am Kapitalmarkt und einen Ausblick für den kommenden Monat. Bringen Sie gern auch Ihre Fragen mit!

Von „objektiven“ Wahrheiten und „subjektiven“ Wahrnehmungen

Wie in jedem Wahlkampf spielen auch in der aktuellen Debatte wirtschaftliche Themen eine wichtige Rolle. Unvergessen ist der Slogan „It’s the economy, stupid!“, mit dem Bill Clinton 1992 die US-Präsidentschaftswahlen aufgrund der damals schlechten Wirtschaftslage gewann.

Doch wie gut oder schlecht steht es heute um die US-Wirtschaft?

Ein Blick auf die Fakten zeigt, dass sich die USA im Vergleich zu vielen anderen Volkswirtschaften in einer geradezu beneidenswerten Situation befinden. So wurde der konjunkturelle Einbruch im Zuge der Finanzkrise dank expansiver geld- und fiskalpolitischer Maßnahmen sehr schnell überwunden. Die US-Wirtschaft schrumpfte 2020 um 2,2 Prozent (in Deutschland sank das reale Bruttoinlandsprodukt um 4,2 Prozent, in der gesamten Eurozone sogar um 6,2 Prozent), befindet sich aber seit 2021 auf Wachstumskurs.

Im Jahr 2021 wuchs das reale US-BIP um 5,8 Prozent, 2022 um 1,9 Prozent und 2023 um 2,5 Prozent.

Und auch in diesem Jahr ist ein Wachstum von 2,5 Prozent realistisch. Gleichzeitig ist die Arbeitslosigkeit sehr niedrig, die Arbeitslosenquote lag zuletzt bei 4,1 Prozent, verglichen mit einem Durchschnitt seit 1970 von 6,1 Prozent. Auch wenn jeder diese Zahlen anders interpretieren mag, lässt sich relativ objektiv feststellen, dass die wirtschaftliche Lage in den USA gut ist.

Was sagen Umfragen?

Umfragen zeigen, dass die Inflation aus Sicht der Wähler/-innen das größte Problem darstellt. Laut einer YouGov-Umfrage vom Juni 2024 ist dies für 64 Prozent aller befragten US-Amerikanerinnen und -Amerikaner das wichtigste Thema, wobei es für demokratische Wähler (47 Prozent) weniger wichtig ist als für republikanische (82 Prozent). Vor allem in den für die Wahl wichtigen Swing States ist eine große Mehrheit der Meinung, dass sich die Inflation in den letzten Monaten in die falsche Richtung entwickelt hat. Ein Blick auf die verfügbaren Statistiken zeigt jedoch ein anderes Bild:

So ist die PCE-Inflationsrate, an der die US-Notenbank ihre Zinsentscheidungen ausrichtet, von einem Höchststand von 5,6 Prozent im Februar 2022 auf zuletzt 2,6 Prozent gesunken.

Die Kerninflationsrate, die Energie- und Nahrungsmittelpreise ausklammert, sank von 7,1 auf ebenfalls 2,6 Prozent. Damit ist die Zentralbank ihrem Ziel der Preisstabilität (die bei einer Inflationsrate von 2,0 Prozent als erreicht gilt) sehr nahe gekommen. Subjektives Empfinden und objektive Fakten stehen sich hier also diametral gegenüber. Das ist natürlich eine schlechte Nachricht für Kamala Harris und eine sehr gute Nachricht für Donald Trump, der mit alternativen Fakten par excellence umzugehen weiß.

Diese (Fehl-)Einschätzung vieler Amerikaner lässt sich vielleicht damit erklären, dass der Begriff „Inflation“ mit dem Begriff „Preisniveau“ verwechselt wird.

Schließlich führt auch eine sinkende Inflationsrate zu einem weiteren Anstieg des Preisniveaus – zumindest solange sie nicht negativ ist.

Die Diskrepanz zwischen Stimmung und Fakten zeigt sich aber nicht nur beim Thema Inflation.

So zeigt eine relativ aktuelle Umfrage auch, dass eine Mehrheit der Befragten der Meinung ist, dass sich die eigene Geldanlage bzw. Altersvorsorge im vergangenen Jahr in die falsche Richtung entwickelt hat. Angesichts stark gestiegener Aktienkurse, stabiler Immobilienpreise und deutlich höherer Sparzinsen ist dies schwer nachvollziehbar. Dazu passt auch die Beobachtung, dass in Umfragen der Zustand der US-Wirtschaft mehrheitlich als schlecht eingeschätzt wird, während umgekehrt die wirtschaftliche Lage des eigenen Bundesstaates positiv beurteilt wird.

Dieses Bild kennen wir auch aus vielen Stimmungsumfragen in Deutschland: Während Verbraucher und Unternehmen die allgemeine Lage häufig negativ einschätzen, ist es bei der eigenen Situation oft umgekehrt.

Dieser allgemein zu beobachtende Hang zum Pessimismus könnte damit zusammenhängen, dass in den Medien viel häufiger negative als positive Nachrichten verbreitet werden. Untersuchungen zufolge hängt dies damit zusammen, dass negative Schlagzeilen mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen und sich daher besser „verkaufen“.

Vielleicht gibt es aber auch eine andere Erklärung für die vermeintlich „falsche“ Einschätzung der Inflation in der Öffentlichkeit. Inflation wird in der Volkswirtschaftslehre als prozentuale Veränderung des Preisniveaus im Vergleich zum Vorjahr definiert. Die meisten Menschen vergleichen aber das heutige Preisniveau nicht mit dem von vor 12 Monaten, sondern vielleicht eher mit dem Preisniveau vor der Pandemie.

Betrachtet man die Veränderungsraten der letzten vier Jahre, so zeigt sich, dass diese mit knapp 17 Prozent für den PCE-Preisindex und 18,5 Prozent für die Kernrate bis zuletzt angestiegen sind und zudem so hoch sind wie zuletzt Anfang der 1990er Jahre.

Auch bei den Lohnsteigerungen gibt es Unterschiede

Zwar sind auch die Löhne insgesamt in den letzten vier Jahren um rund 20 Prozent gestiegen, allerdings mit erheblichen Unterschieden zwischen den einzelnen Lohngruppen: Besserverdienende mit hohem Bildungsniveau konnten deutlich höhere Einkommenszuwächse erzielen als Geringverdienende mit niedrigem Bildungsniveau. Zur ersten Gruppe gehören weniger Menschen als zur zweiten, und die erste Gruppe wählt eher demokratisch, die zweite eher republikanisch.

Dies spricht aus heutiger Sicht sehr stark für einen Wahlerfolg von Donald Trump und gegen Kamala Harris.

Denn die für die Demokraten wichtigen Themen, die für Frau Harris im Mittelpunkt des Wahlkampfes stehen dürften und mit denen sie gegen Trump punkten könnte – Klimawandel, Abtreibung, Waffengewalt – interessieren die republikanischen Wähler tendenziell kaum. Deren Fokus liegt, wie erwähnt, vor allem auf den Themen Inflation und illegale Einwanderung. 

Quelle: Uni Michigan Consumer Sentiment, Presidential Election Expectations, 22. Juli 2024

Mögliche wirtschaftliche Konsequenzen des Wahlausgangs

Auch wenn Kamala Harris und der ehemalige Präsident Donald Trump im Falle ihrer Wahl eine unterschiedliche Wirtschaftspolitik verfolgen würden, dürften sich die wirtschaftlichen Auswirkungen in Grenzen halten. Bei Frau Harris ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht ganz klar, welche wirtschaftspolitischen Schwerpunkte sie im Falle einer Präsidentschaft setzen würde.

Wir gehen daher derzeit davon aus, dass sie ähnliche Ziele wie Joe Biden verfolgen würde.

Wie steht es um die Fiskalpolitik?

Was die Fiskalpolitik angeht, kann man bei beiden davon ausgehen, dass sie nicht zur Sparsamkeit neigen. Trump steht für die uneingeschränkte Beibehaltung der niedrigen Einkommens- und Unternehmenssteuern, die er 2017 durchgesetzt hat. Bei einem möglichen Wahlsieg der Republikaner könnten die Unternehmenssteuern sogar noch weiter gesenkt werden (im Gespräch sind 15 statt bisher 21 Prozent). Harris will den niedrigeren Steuersatz nur bis zu einem Jahreseinkommen von 400.000 US-Dollar beibehalten und ansonsten die Einkommens- und Unternehmenssteuern erhöhen.

Bei ihr steht die Verteilungspolitik klar im Vordergrund, sodass Trumps Wirtschaftspolitik auf den ersten Blick zu mehr Wachstum führen könnte.

Trumps Vorstellungen in der Handels- und Einwanderungspolitik könnten den fiskalpolitischen Vorteil gegenüber Harris jedoch wieder wettmachen. Höhere Zölle (10 Prozent auf alle Importwaren, 60 Prozent auf Waren aus China) verteuern die Preise der betroffenen Waren. Auch wenn unter den Demokraten bestehende Zölle beibehalten werden dürften, sind zusätzliche Zölle gegenüber befreundeten Staaten unwahrscheinlich. Gegenüber China dürfte die protektionistische Handelspolitik aber ebenfalls verschärft werden. Auch wenn der Ton der Demokraten hier etwas versöhnlicher klingt, sind inhaltlich keine großen Unterschiede zu den Republikanern gegenüber China zu erkennen.

Das Risiko eines neuen Handelskrieges ist dennoch unter Trump deutlich höher als unter Harris.

Eine etwas höhere Inflationsrate unter Trump, die zu einer restriktiveren oder weniger expansiven Geldpolitik und damit zu etwas weniger Wirtschaftswachstum in den USA führt, wäre die plausibel zu erwartende Konsequenz. Aus ökonomischer Sicht wären die größten Verlierer einer Trump-Präsidentschaft die Volkswirtschaften, deren Wachstum stark vom Handel mit den USA beeinflusst wird: unter anderem Deutschland, die Eurozone und China.

Wie reagieren die Kapitalmärkte?

Den größten Unterschied zwischen Harris und Trump könnte es bei der Regulierungspolitik geben. Während unter einer demokratischen Präsidentschaft kaum Veränderungen zu erwarten sind, könnte dies bei Trump anders aussehen. Während seiner ersten Amtszeit kam es insbesondere in den Branchen Energie, Gesundheit, Technologie und Finanzen zu Deregulierungsmaßnahmen und diese Sektoren könnten nun erneut im Fokus stehen. Dies hat zuletzt bereits dazu geführt, dass Aktien von Unternehmen aus der „Old Economy“ und auch Aktien von kleineren Unternehmen mehr Interesse auf sich gezogen haben.

Comeback des „Trump-Trade“?

Denn diese waren die Gewinner nachdem Trump die Präsidentschaftswahl 2016 für sich entscheiden konnte – zumindest für eine kurze Zeit. Könnte dieser sogenannte „Trump-Trade“ ein Comeback feiern? Schauen wir uns dazu einmal die Wertentwicklung verschiedener Asset-Klassen für einen kurzen Zeitraum nach der ersten Trump-Wahl an (vom 6. November 2016 bis 31. Dezember 2016) und einmal für die gesamte Periode zwischen der Wahl 2016 und der Wahl 2020 (6. November 2016 bis 3. November 2020) an.

In den knapp zwei Monaten nach der Wahl von Donald Trump entsprach die Performance in etwa dem, was man von seinem politischen Programm erwarten konnte.

Die Gewinner

Besonders gut entwickelten sich die vermeintlichen Deregulierungsgewinner, nämlich Aktien aus den Sektoren Finanzen und Energie, aber auch Small Caps wie der Russell 2000 Index.

Die Verlierer

Zu den Verlierern zählten dagegen die Sektoren Technologie, Gesundheit und Versorger. Negativ entwickelten sich auch chinesische Aktien und die Kurse von US-Staatsanleihen. Alles wie erwartet.

Ein ganz anderes Bild ergibt sich hingegen, wenn man die gesamten vier Jahre zwischen den beiden Wahlterminen betrachtet. Dann wird die Entwicklung der ersten beiden Monate fast vollständig auf den Kopf gestellt. Energie- und Finanzwerte entwickelten sich vergleichsweise schwach, während Technologie- und Gesundheitswerte an der Spitze der Kursentwicklung standen. Selbst chinesische Aktien und die Kurse von US-Staatsanleihen entwickelten sich positiv.

Unser Fazit

Allein auf Basis von Wahlprogrammen und den daraus abzuleitenden wirtschaftlichen Entwicklungen an der Börse Geld zu verdienen, mag kurzfristig möglich sein. Um als Anleger langfristig erfolgreich zu sein, braucht es mehr, als nur auf die Politik zu achten.

Denn nach wie vor gilt: Politische Börsen haben kurze Beine.

Foto von Library of Congress auf Unsplash

Autor: Carsten Klude

Carsten Klude studierte nach seiner Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Deutschen Bank VWL mit Schwerpunkt Ökonometrie in Kiel. 1996 kam er zu M.M.Warburg & CO, für die er zunächst die europäischen Kapitalmärkte analysierte und später mit der Leitung des Makro-Research betraut wurde. Seit dem Jahr 2009 ist Herr Klude Mitglied im Investmentrat von M.M.Warburg & CO und verantwortet seit dem Sommer 2013 das Asset Management der Bank. Zusätzlich ist Herr Klude seit dem Jahr 2010 Mitglied im Ausschuss für Wirtschafts- und Währungspolitik des Bundesverbandes deutscher Banken e.V., dessen Vorsitz er von 2015 bis 2018 inne hatte.

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