Stürmische Zeiten: Trump siegt, die Koalition in Berlin fällt

Die vergangene Woche war geprägt von zwei wichtigen politischen Ereignissen, die noch dazu am selben Tag stattfanden. Am Mittwochmorgen (unserer Zeit) stand fest, dass der Republikaner Donald Trump mit einer überraschend deutlichen Mehrheit erneut zum US-Präsidenten gewählt wurde.

Nach dem aktuellen Stand der Stimmenauszählung hat Donald Trump 312 Wahlmänner hinter sich, Harris nur 226. Auch beim „popular vote“, also der Zahl der abgegebenen Stimmen, liegt Donald Trump mit 75,9 Millionen zu 72,9 Millionen Stimmen klar vorne. Verlierer der Wahl ist neben der demokratischen Kandidatin Kamal Harris erneut die Demoskopie, denn die Umfragen hatten ein Kopf-an-Kopf-Rennen prognostiziert.

„Rote Welle“: Trump kann durchregieren

Entgegen den Umfragen vor der Wahl haben die Republikaner unter Trump die US-Wahlen klar gewonnen. Nicht nur der nächste Präsident wird ein Republikaner sein, auch im Senat konnte die Partei vier Sitze hinzugewinnen und verfügt nun über eine Mehrheit von 53 zu 47 Senatoren. Abgerundet wird der Wahlerfolg durch die Mehrheit im Repräsentantenhaus, wo die Republikaner ebenfalls die Mehrheit von 218 Sitzen erringen konnten (bei acht noch nicht ausgezählten Wahlbezirken).

Die ersten Personalien wurden verkündet

Inzwischen hat Trump eine ganze Reihe von Namen für sein neues Kabinett bekannt gegeben. Darunter sind viele Newcomer, einige kommen direkt aus der Wirtschaft (wie Elon Musk), aber nur wenige aus dem politischen Establishment. Damit ist Trump dabei, sein erstes Wahlversprechen einzulösen.

Es ist kaum zu bezweifeln, dass er auch den Rest seiner Ankündigungen umsetzen wird.

Dies betrifft beispielsweise die Senkung der Unternehmenssteuern von 21 auf 15 Prozent oder die Abschiebung illegaler Einwanderer. Auch wenn derzeit noch nicht ganz klar ist, welche seiner Wahlkampfversprechen Trump wie genau umsetzen wird, ist es plausibel anzunehmen, dass die ohnehin gut laufende US-Wirtschaft zusätzliche positive Impulse erhalten wird. Eine seiner zentralen wirtschaftspolitischen Aussagen war die Ankündigung von Zöllen auf alle in die USA importierten Güter. Er sprach von einem generellen Zoll von 10 bis 20 Prozent, auf chinesische Importe sogar von 60 Prozent ­ oder mehr.

Ein weiterer Name kursiert bereits

Zum „Handelszar“ könnte Trump seinen ehemaligen Handelsbeauftragten Robert Lighthizer machen. Lighthizer war während Trumps erster Amtszeit einer seiner wichtigsten Berater und half dem Präsidenten bei der Umsetzung seiner Zollpolitik. Ein „Trade Czar“ (meist die Position des United States Trade Representatives, USTR) ist zwar kein Minister im traditionellen Sinne, hat aber dennoch eine sehr wichtige Machtposition innerhalb der US-Regierung ­- insbesondere im Bereich der Handelspolitik. Die Macht des USTR kann mit der eines Ministers verglichen werden, allerdings sind seine Befugnisse in bestimmten Bereichen noch umfassender und direkter. So hat der USTR Kabinettsrang und berät den Präsidenten direkt in Handelsfragen.

Der Zugang und die Nähe zum Präsidenten verleihen dem Amt oft erhebliches politisches Gewicht, insbesondere bei Themen mit hoher Priorität wie Handelskriegen, Zöllen oder internationalen Abkommen.

Im Gegensatz zu vielen Ministerien, die in der Regel ein breites Ressort betreuen, konzentriert sich der USTR ausschließlich auf den Bereich Handel. Diese Spezialisierung verleiht der Position oft einen größeren Einfluss auf handelspolitische Entscheidungen, da die Person eine entscheidende Rolle bei Handelsverhandlungen und -strategien spielt und diese direkt umsetzen kann.

Der USTR verfügt über weitreichende Befugnisse in Wirtschaftsfragen

Ein USTR hat das Recht, eigenständig Maßnahmen zu ergreifen, z.B. Zölle oder Sanktionen zu verhängen, wenn Handelspraktiken anderer Länder als unfair angesehen werden. Diese Befugnis kann schneller und gezielter eingesetzt werden als in anderen Ressorts, in denen mehrere Behörden an Entscheidungen beteiligt sind. Der USTR vertritt die USA auch in internationalen Handelsgremien wie der WTO. Diese Rolle verleiht dem Amt eine globale Sichtbarkeit und Verantwortung, die nur wenige andere Ministerien haben. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der USTR über mehr direkte und spezifische Befugnisse in der Handelspolitik verfügt als andere Minister, obwohl er nicht über die umfassende Verwaltungsstruktur eines Ministeriums verfügt. In seinem Spezialgebiet verfügt der „Trade Czar“ jedoch über weitreichende und oft sehr autonome Befugnisse. Die Handelspartner der USA sollten sich darauf einstellen, dass der neue USTR die handelspolitischen Vorstellungen Trumps sehr schnell umsetzen wird.

Chaostage in Berlin

Am selben Tag, an dem Trump als neuer US-Präsident feststand, zerbrach in Deutschland die Ampel-Koalition. Dies war ein von vielen lange erwarteter und auch überfälliger Schritt, da die Regierungskoalition in den wichtigsten politischen Fragen schon lange und offensichtlich zerstritten war. Damit bleibt Deutschland ­ hoffentlich ­ ein politisches Vakuum erspart, das bis September 2025 gedroht hätte.

Bundeskanzler Scholz will am 16. Dezember im Bundestag die Vertrauensfrage stellen.

Es ist das fünfte Mal in der deutschen Geschichte, dass ein Bundeskanzler zu diesem Instrument greift. Zweimal wurde dem jeweils amtierenden Kanzler das Vertrauen ausgesprochen (Februar 1982 Helmut Schmidt, November 2001 Gerhard Schröder), dreimal nicht (September 1972 Willy Brandt, Dezember 1982 Helmut Kohl, Juli 2005 Gerhard Schröder).

Erhält Scholz keine Mehrheit (367 von 733 Stimmen), kann und wird Bundespräsident Steinmeier den Bundestag auflösen, so dass am 23. Februar 2025 Neuwahlen stattfinden könnten.

Auch wenn es sehr wahrscheinlich ist, dass Scholz die Vertrauensfrage verliert, besteht ein gewisses „Restrisiko“, dass es Abgeordnete gibt, die kein Interesse an einer vorzeitigen Auflösung des Parlaments haben. Diese könnten für Scholz stimmen und damit eine vorzeitige Auflösung des Bundestages verhindern. Sollte es zu einem solchen ­ zugegebenermaßen unwahrscheinlichen ­ Szenario kommen, wäre das politische Chaos vorprogrammiert. Aber auch im Falle einer Bundestagswahl am 23. Februar befinden sich Deutschland und Europa in einer prekären Situation. Trumps Amtsantritt wird am 20. Januar 2025 sein, also zu einem Zeitpunkt, an dem die beiden größten Volkswirtschaften der Eurozone, Deutschland und Frankreich, keine handlungsfähige Regierung haben.

Wie wird man reagieren, wenn die USA Zölle oder andere Handelshemmnisse einführen?

Realistischerweise muss man davon ausgehen, dass es frühestens Anfang Mai eine neue Bundesregierung geben wird. Sollte das Wahlergebnis hingegen zu schwierigen Koalitionsverhandlungen führen (ähnlich wie bei der Bundestagswahl 2017), könnte es bis zum Sommer dauern, bis eine neue Regierung steht.

Wir betrachten die Konjunkturprognosen als zu positiv

Vor diesem Hintergrund dürften sich die meisten Konjunkturprognosen für das Jahr 2025 als zu optimistisch erweisen. Der Sachverständigenrat prognostiziert für das kommende Jahr ein Wirtschaftswachstum von 0,4 Prozent, der Mittelwert der knapp 30 Prognosen von Consensus Economics liegt bei 0,6 Prozent. Da allein der Handelsbilanzüberschuss mit den USA 1,5 Prozent des nominalen Bruttoinlandsprodukts ausmacht, könnte ein Rückgang der Exporte in die USA das deutsche BIP-Wachstum empfindlich treffen. Aus Deutschland werden vor allem Fahrzeuge, Pharmazeutika und Maschinen in die USA exportiert. Sollte China im kommenden Jahr verstärkt billige Waren nach Deutschland exportieren, weil die USA ihren Handelskrieg mit dem Reich der Mitte verschärfen, droht ein deutlich negativer Wachstumsbeitrag des Außenhandels.

Der Wirtschaftsstandort Deutschland steht vor verschiedenen Herausforderungen

Die Schwäche des Industriestandorts Deutschland wird durch mangelnde Wettbewerbsfähigkeit verschärft. Hohe Produktionskosten (Energiepreise, Lohnstückkosten) und geringe Produktivität führen dazu, dass deutsche Unternehmen zu wenig im Inland investieren; gleichzeitig ist Deutschland für ausländische Direktinvestitionen unattraktiv. Im jährlichen World Competetivness Ranking des IMD (International Institute for Management Development) belegte Deutschland zuletzt Platz 24 von 67 Nationen.

Laut Statista war die deutsche Wettbewerbsfähigkeit nur im Jahr 2006 mit Rang 25 noch schlechter.

Es wird gemessen, wie gut Länder ihre wirtschaftlichen Ressourcen und Kompetenzen nutzen, um langfristigen Wohlstand zu schaffen. Die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes wird dabei durch eine Kombination von wirtschaftlicher Leistung, Regierungseffizienz, Geschäftseffizienz und Infrastruktur bewertet. Das Ranking basiert auf einer Vielzahl von quantitativen Daten (wie Wirtschaftswachstum, Arbeitslosigkeit, Exportvolumen) sowie qualitativen Bewertungen (aus Befragungen von Führungskräften in den jeweiligen Ländern).

Insgesamt berücksichtigt das Ranking mehr als 300 Kriterien in vier Hauptkategorien: 1. Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit: Bezieht sich auf die aktuelle wirtschaftliche Situation des Landes, einschließlich BIP, Inflation und Arbeitsmarktindikatoren. 2. Regierungseffizienz: Bewertet, wie effizient die Regierung Wirtschaftspolitik umsetzt, Regulierungen handhabt und öffentliche Finanzen verwaltet. 3. Business Efficiency: Misst die Fähigkeit eines Landes, ein unternehmensfreundliches Umfeld zu schaffen, z.B. Innovationsfähigkeit, Unternehmenskultur und Managementpraktiken. 4. Infrastruktur: Untersucht die Qualität der physischen und technologischen Infrastruktur, der Bildungssysteme und der Gesundheitsversorgung, um langfristiges Wirtschaftswachstum zu ermöglichen.

Auch die Unternehmen tragen eine Verantwortung

Ein Blick in die Details der Auswertung zeigt, dass nicht nur der Staat für das schlechte Abschneiden Deutschlands verantwortlich ist, sondern auch der Faktor Business Efficiency vergleichsweise schwach abschneidet. So landet Deutschland bei den Management Practices nur auf Platz 39. Hier wird bewertet, wie gut Unternehmen und Organisationen in einem Land geführt werden und wie sich diese Praktiken auf Produktivität, Innovation und die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung auswirken. Bewertet werden beispielsweise die Faktoren Führungskompetenz, Organisationsstrukturen, Unternehmenskultur und -werte, Talentmanagement und Corporate Governance. Auch hier hat sich die Bewertung Deutschlands in den letzten Jahren deutlich verschlechtert, was zeigt, dass auch die Unternehmen selbst einen Anteil an der aktuell schlechten Situation haben.

Quelle: https://www.imd.org/entity-profile/germany-wcr/

Reformbedarf bei Einstellungen und Werten der Gesellschaft

Noch schlechter sieht es beim Punkt Attitudes & Values aus. Hier geht es um die Einstellungen und Werte einer Gesellschaft, die Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes haben. Typische Aspekte, die hier bewertet werden, sind zum Beispiel: Wie stark ist Unternehmertum in der Gesellschaft verankert? Fördert die Kultur Innovation, Risikobereitschaft und Eigeninitiative? Wie gut können sich Menschen und Unternehmen an veränderte Bedingungen anpassen? Ist die Gesellschaft offen für Veränderungen und neue Ideen? Wie engagiert und motiviert sind die Menschen, ihre Arbeit effizient und produktiv zu erledigen? Wie offen ist die Gesellschaft für Vielfalt, neue Technologien und globalen Handel?

Diese Offenheit beeinflusst die Fähigkeit, Talente anzuziehen und von der Globalisierung zu profitieren.

Insgesamt misst der Punkt Einstellungen und Werte also die sozialen und kulturellen Faktoren, die die Dynamik und Anpassungsfähigkeit einer Volkswirtschaft beeinflussen und damit ihre Wettbewerbsfähigkeit stärken oder hemmen können. Hier liegt Deutschland im Jahr 2024 nur auf Platz 60, also fast am Ende der Gesamtrangliste. Dies macht deutlich, dass wir alle als Gesellschaft in Deutschland einen großen Bedarf an Reformen und Umdenken haben, um unser Land wieder nach vorne zu bringen.

Foto von Unsplash von NOAA

Autor: Carsten Klude

Carsten Klude studierte nach seiner Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Deutschen Bank VWL mit Schwerpunkt Ökonometrie in Kiel. 1996 kam er zu M.M.Warburg & CO, für die er zunächst die europäischen Kapitalmärkte analysierte und später mit der Leitung des Makro-Research betraut wurde. Seit dem Jahr 2009 ist Herr Klude Mitglied im Investmentrat von M.M.Warburg & CO und verantwortet seit dem Sommer 2013 das Asset Management der Bank. Zusätzlich ist Herr Klude seit dem Jahr 2010 Mitglied im Ausschuss für Wirtschafts- und Währungspolitik des Bundesverbandes deutscher Banken e.V., dessen Vorsitz er von 2015 bis 2018 inne hatte.

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