Staatsfonds: Unterschätzte Akteure an den Kapitalmärkten

Staatsfonds gehören zu den größten Akteuren auf den globalen Finanzmärkten. Ihre Herangehensweisen und Ziele unterscheiden sich je nach Herkunft des verwalteten Kapitals, doch eines verbindet sie: Sie verwalten enorme Vermögenswerte. Wie groß ist ihr Einfluss auf die Kapitalmärkte und wofür werden diese Fonds eingesetzt?

Das verwaltete Vermögen der Staatsfonds wächst

Im Gegensatz zu Pensionsfonds hat der Staat bei Staatsfonds die volle Kontrolle über das investierte Kapital und ist nicht an bestimmte Zwecke gebunden. Ein gutes Beispiel hierfür ist der irische Staatsfonds, dessen Mittel während der Finanzkrise zur Bankenrettung eingesetzt wurden, anstatt wie ursprünglich geplant für Rentenzahlungen verwendet zu werden.

Staatsfonds sind eine relativ neue Erscheinungsform auf den Finanzmärkten und unterscheiden sich deutlich von traditionellen Finanzakteuren wie Banken, Versicherungen oder Investmentfonds. Im Jahr 2000 verwalteten Staatsfonds weltweit rund 1,2 Billionen US-Dollar. Bis 2024 ist dieser Betrag auf beeindruckende 12,3 Billionen US-Dollar gestiegen.

Grundsätzlich wird zwischen rohstoffbasierten und nicht-rohstoffbasierten Staatsfonds unterschieden.

Oftmals dienen sie dazu, Schwankungen in den Staatseinnahmen abzufedern und die negativen Effekte wirtschaftlicher Zyklen auf die Staatsfinanzen und die Volkswirtschaft zu reduzieren.

Das Paradebeispiel für den Nutzen eines Staatsfonds bietet Norwegen

Nach der Entdeckung von Öl in den 1960er-Jahren stellte sich die Frage, wie die gesamte Bevölkerung von diesem Reichtum profitieren könne. Die Ölpreisschwankungen in den 1970er-Jahren und der Rückgang der Nachfrage machten klar, dass eine langfristige Strategie notwendig war, um den Wohlstand Norwegens zu sichern, unabhängig von den Entwicklungen auf den Rohstoffmärkten.

Ein Staatsfonds zur Sicherung des Ölreichtums

So wurde in den 1990er-Jahren der norwegische Ölfonds mit einem Startkapital von zwei Milliarden norwegischen Kronen (ca. 200 Millionen Euro) gegründet. Seitdem werden die Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft erfolgreich an den internationalen Finanzmärkten investiert. Die Regierung darf pro Jahr maximal drei Prozent des Fondsvolumens für den Staatshaushalt nutzen, während der Rest des Kapitals geschützt bleibt.

Jeder Norweger ist Millionär

Heute ist der norwegische Staatsfonds mit über 18.500 Milliarden Kronen (über 1.500 Milliarden Euro) der größte Aktionär der Welt. Rein rechnerisch ist jeder der 5,5 Millionen Einwohner Norwegens Millionär – in Kronen gemessen. In Euro entspricht dies einem Vermögen von fast 300.000 Euro pro Kopf. Der Fonds wird von der Norges Bank Investment Management (NBIM) verwaltet, einer Einheit der norwegischen Zentralbank, während das Parlament die strategische Ausrichtung vorgibt. Allein im ersten Halbjahr dieses Jahres erzielte der Fonds einen Gewinn von 125 Milliarden Euro.

Die meisten Staatsfonds profitieren von Rohstoffen

Das norwegische Modell hat dazu geführt, dass in den letzten Jahren immer mehr rohstoffreiche Länder ähnliche Staatsfonds gegründet haben. Eines der jüngsten Beispiele ist Mosambik, das nach der Entdeckung großer Erdgasvorkommen einen Staatsfonds auflegte. Auch Länder des Nahen Ostens sichern sich mit ihren Staatsfonds für den Fall ab, dass die Einnahmen aus fossilen Rohstoffen zurückgehen. Unter den zehn größten Staatsfonds der Welt finden sich allein vier aus den Golfstaaten: Katar, Kuwait, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate.

Nicht alle Staatsfonds basieren auf Rohstoffen.

In der Liste der größten Fonds finden sich auch vier chinesische und ein Fonds aus Singapur, die sich aus Devisenreserven, Exportüberschüssen und hohen Steuereinnahmen speisen und zur Absicherung gegen wirtschaftliche Schwankungen genutzt werden.

Wie stark werden die Märkte beeinflusst?

Staatsfonds haben durch ihre enormen Investitionsvolumina die Möglichkeit, durch ihre Anlageentscheidungen erheblichen Einfluss auf Unternehmen und Branchen zu nehmen – etwa in Bezug auf Nachhaltigkeit.

Der norwegische Fonds hält durchschnittlich 1,5 Prozent der Anteile an allen börsennotierten Unternehmen weltweit und nutzt sein Stimmrecht aktiv, um die Firmenpolitik zu beeinflussen.

Das Abstimmungsverhalten basiert auf transparenten Abstimmungsrichtlinien, die öffentlich einsehbar sind. Die meisten Staatsfonds investieren breit gestreut und haben daher nur begrenzten Einfluss auf Preise an Finanzmärkten.

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Diese Transparenz ist entscheidend, da Kritiker oft warnen, dass große Staatsfonds für politische Zwecke missbraucht werden könnten. Eine Vermischung von Politik und Wirtschaft könnte zu Fehlallokationen führen. Der norwegische Fonds wird hier häufig als Vorbild genannt, da die Entscheidungen von einer regierungsunabhängigen Verwaltung nach strikten Vorgaben getroffen werden, um politischen Einfluss zu minimieren.

Die Nachhaltigkeitsorientierung nimmt zu  

Viele Staatsfonds achten nicht nur auf wirtschaftliche Kriterien, sondern berücksichtigen auch ökologische, soziale und ethische Faktoren bei ihren Investitionen. Laut einer Umfrage des OMFIF orientieren sich derzeit rund zwei Drittel der Staatsfonds an ESG-Kriterien.

Oft geht es dabei nicht nur um moralische Überlegungen: Staatsfonds möchten vermeiden, dass sie in sogenannte „Stranded Assets“ investieren – also in Vermögenswerte, die durch den Wandel hin zu einer nachhaltigeren Wirtschaft stark an Wert verlieren könnten.

Der norwegische Staatsfonds gilt als Vorbild für einen global agierenden Investor, der sich an Umwelt- und Sozialzielen sowie guter Unternehmensführung orientiert. Seit 2015 müssen Unternehmen, deren Umsatz zu mehr als 30 Prozent aus Kohleenergie stammt, aus dem Portfolio entfernt werden. Auch Tabakunternehmen, Hersteller von Massenvernichtungswaffen und Firmen, die gegen Menschenrechte verstoßen, werden konsequent ausgeschlossen. Diese Richtlinien werden kontinuierlich weiterentwickelt und müssen vom Parlament genehmigt werden.

Ein Staatsfonds für Deutschland?

Laut einer Umfrage aus dem Jahr 2021 befürworten 58 Prozent der Deutschen die Einführung eines staatlichen Aktienfonds für die Altersvorsorge. Im Gegensatz zu rohstoffreichen Ländern verfügt Deutschland jedoch nicht über nennenswerte Einnahmen aus Rohstoffvorkommen, die zur Finanzierung eines solchen Fonds genutzt werden könnten.

Die Idee für einen deutschen Staatsfonds…

Das ifo-Institut hatte 2019 einen Vorschlag erarbeitet, Deutschlands gute Bonität und Rolle als stabiler Finanzanker in der Eurozone während der Niedrigzinsphase zu nutzen. Die Idee war, sich zu günstigen Konditionen zu verschulden und das aufgenommene Kapital in einem staatlichen Fonds anzulegen.

…wird nun mit dem Generationenkapital umgesetzt

Diese Überlegungen finden nun ihren Niederschlag in der Idee des „Generationenkapitals“, auf das sich die Ampelkoalition im Rahmen des Rentenpakets II im Sommer dieses Jahres geeinigt hat. Neben Beiträgen und staatlichen Zuschüssen soll die gesetzliche Rentenversicherung künftig durch eine neue Finanzierungssäule gestützt werden, die von einer unabhängigen Stiftung des öffentlichen Rechts verwaltet wird. Hierfür sollen zunächst die operativen Strukturen des bereits etablierten KENFO, die den Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung verwaltet, genutzt werden.

Für das Jahr 2024 plant der Bund, anfänglich zwölf Milliarden Euro für den Aufbau der Aktienrente bereitzustellen, mit einer schrittweisen Erhöhung der Mittel bis 2028.

Zur Finanzierung wird der Bund neue Schulden aufnehmen, die nicht unter die Schuldenbremse fallen. Darüber hinaus sollen bis 2028 weitere 15 Mrd. Euro aus dem Vermögen des Bundes, z.B. aus Unternehmensbeteiligungen, zur Verfügung gestellt werden. Bis 2035 soll ein Kapitalstock von mindestens 200 Milliarden Euro durch Anlagen an den Finanzmärkten Rendite erwirtschaften. Die Erträge sollen dann in die Rentenversicherung fließen und so den Anstieg des Beitragssatzes dämpfen.

Begrenzter Einfluss durch verändertes Zinsumfeld

Allerdings ist die Niedrigzinsphase inzwischen vorbei und die deutsche Staatsverschuldung hat sich etwas verschlechtert und liegt leicht über dem Maastricht-Referenzwert von 60 Prozent des BIP. Es ist daher zu berücksichtigen, dass die Renditeerwartung des Generationenkapitals geringer ausfallen wird als bei einem Staatsfonds, der seine staatlichen Einnahmen aus Rohstoffgewinnen bezieht.

Die Zinslast reduziert die Entlastung für die Aktienrente

Denn zur Finanzierung des Generationsfonds muss Geld am Kapitalmarkt aufgenommen werden, für das Zinsen zu zahlen sind. Auch wenn die Zinsen des Staates für Anleihen deutlich unter den zu erwartenden Renditen des Generationenkapitals liegen, dürfte die Entlastung durch diese Form der Aktienrente überschaubar bleiben.

Daher wäre zu erwägen, in Zukunft auch einen Teil der Rentenbeiträge direkt in einen Staatsfonds einzuspeisen.

So gibt es in der Wissenschaft zum Beispiel Überlegungen, dass Rentenbeitragszahler, die keine Kinder haben (und damit indirekt das Umlageverfahren der Rentenversicherung unterhöhlen), einen Zusatzbeitrag in einen derartigen Fonds einzahlen, um daraus einige Jahrzehnte später einen Teil ihrer Rente zu finanzieren. Es stellt sich allerdings die Frage, ob es dazu den politischen Mut und Willen gäbe.

Foto by unsplash Rob Wicks

Autor: Jan Mooren

Jan Mooren hat einen Bachelor der Volkswirtschaftslehre der Universität Hamburg sowie einen Master in Financial Management der Universität Trier. Während seines Studiums absolvierte er drei Auslandsaufenthalte in den USA, Italien und Slowenien. Nach seinem Traineeprogramm bei M.M.Warburg & CO startete er als Analyst im Team Portfolio Solutions.

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