Sinkende Aktienkurse: Droht das Ende der Hausse an den Aktienmärkten?

Das Wetter beschert uns derzeit zwar einen goldenen Oktober, doch mit Blick auf die Aktienmärkte herrscht Tristesse. Der DAX hat seit Monatsbeginn rund sechs Prozent verloren, seit Jahresbeginn beläuft sich das Minus auf gut zehn Prozent. Worauf ist der Kursrutsch zurückzuführen und wie sind die weiteren Aussichten zu beurteilen?

Nachdem die Börsen in Europa und in den Schwellenländern schon seit geraumer Zeit den Rückwärtsgang eingelegt haben, kam es nun auch an den US-Aktienmärkten zu einer scharfen Kurskorrektur. Vor allem Technologiewerte, die die in diesem Jahr so positive Wertentwicklung der US-Aktien getragen haben, stehen besonders unter Druck. Die im Nasdaq-Index enthaltenen Unternehmen haben im Oktober bislang fast zehn Prozent an Wert eingebüßt.

Ursachen des Kursrutsches

Einen unmittelbaren Auslöser für den aktuellen Ausverkauf an den Aktienmärkten zu finden, fällt uns schwer. In den USA ist der Stimmungsumschwung der vergangenen Tage auf verschiedene Faktoren zurückzuführen. Der wichtigste Grund ist wohl darin zu sehen, dass viele Anleger stärkere Zinserhöhungen der US-Notenbank befürchten, die zwangsläufig zu einem Abwürgen der bislang noch sehr gut laufenden US-Wirtschaft führen würde.

Die jüngsten Äußerungen von Federal Reserve (Fed) – Präsident Jerome Powell, dass die US-Notenbank noch weit von einer neutralen Zinspolitik entfernt sei, wurde als klare Ansage verstanden, dass es mehr oder weniger automatisch zu einer weiteren Straffung der Geldpolitik kommen wird und dass diese stärker ausfallen könnte, als es bislang erwartet wurde.

Klude im Video: Aktienmärkte: Stimmung schlechter als die Lage

Ist jetzt mit einer Zinserhöhung der US-Notenbank zu rechnen?

Aus unserer Sicht gibt es jedoch wenig konkrete Hinweise, die für ein aggressiveres Vorgehen der Notenbank sprechen. Dies wäre in erster Linie dann zu erwarten, wenn die Inflationsrate ansteigen würde. Doch obwohl die Arbeitslosenquote mit zuletzt 3,7 Prozent fast das niedrigste Niveau der letzten 50 Jahre erreichte, hat der Lohndruck kaum zugenommen. Die Stundenlöhne liegen 2,8 Prozent höher als im Vorjahr, die Lohnstückosten sind in den ersten drei Quartalen um 1,5 Prozent angestiegen. Von daher ist die Befürchtung, dass die US-Wirtschaft kurz vor einer nachhaltigen Überhitzung steht, wenig stichhaltig.

US-Notenbank Prognosen: Wachstum, Inflationsrate und Zinsentwicklung

Zudem könnte es gut sein, dass die Marktteilnehmer zu viel in die Worte des US-Notenbank-Präsidenten hinein interpretiert haben. Denn wenn man sich die Projektionen der Notenbank von Ende September für das voraussichtliche Wachstum, die Inflationsrate und die Zinsentwicklung der nächsten Jahre genau anschaut, dann findet man wenig Aufregendes.

So hat sich an der Zinsprognose der Offenmarktausschussteilnehmer im Vergleich zum Juni nichts geändert.

  • Für Ende 2018 wird ein Leitzins von 2,25-2,5 Prozent erwartet (dies entspricht noch einer weiteren Zinserhöhung),
  • Ende 2019 soll dieser bei 3-3,25 Prozent (drei weitere Zinsschritte) und
  • Ende 2020 bei 3,25-3,5 Prozent liegen.

Langfristig geht das Gremium von einem Leitzins von drei Prozent aus, diese Einschätzung ist seit Juni 2016 mehr oder weniger unverändert geblieben. Die Marktteilnehmer schenken der Fed-Prognose für 2019 mittlerweile relativ großes Vertrauen, wie die Fed Funds Futures zeigen, wobei der letzte Zinsschritt der Notenbank für 2019 noch nicht vollständig eingepreist ist.

Dies deutet darauf hin, dass das weitere Zinssteigerungspotenzial begrenzt ist, sofern es nicht zu einem überraschenden Anstieg der Inflation kommt. Wir gehen davon aus, dass die für die Notenbank relevante PCE-Inflationsrate von 2,0 in diesem auf 1,7 Prozent im nächsten Jahr sinken wird. Da sich zudem das reale Wirtschaftswachstum von 3,0 auf 2,7 Prozent verlangsamen dürfte, besteht wenig Anlass dafür, eine verschärfte Gangart der US-Geldpolitik zu befürchten. Von daher könnten sich die Zinssorgen bald schon wieder verflüchtigen.

Unternehmen rechnen mit schwächeren Gewinnentwicklung

Steigende Zinsen sind aber nur ein Belastungsfaktor, dem sich die Aktienmärkte im Moment ausgesetzt sehen. Im Vorfeld der nun beginnenden Berichtssaison für das dritte Quartal ließen Nachrichten aufhorchen, dass mehr Unternehmen als üblich vor einer schwächeren Gewinnentwicklung warnen.

Neben höheren Zinsen könnten dabei auch höhere Lohn- und Rohstoffkosten eine Rolle spielen, die zu einem stärkeren Druck auf die Margen beitragen. Darüber hinaus könnten sich auch in den USA der Fachkräftemangel und die Unsicherheiten hinsichtlich der zukünftigen Handelsbeziehungen der USA mit China und anderen Ländern negativ bemerkbar machen.

Die wenigen Unternehmen, die schon ihre Zahlen für das dritte Quartal vorgelegt haben, lassen allerdings nicht erkennen, dass sich an dem positiven Trend der vergangenen Quartale etwas geändert hat.
Von 25 Firmen aus dem S&P 500 haben bislang

  • 84 Prozent besser als erwartete Gewinne berichtet,
  • 64 Prozent der Unternehmen die Umsatzerwartungen übertroffen.

Doch trotz dieser positiven Zahlen, die darauf hindeuten, dass sich das Gewinnwachstum im Vergleich zum Vorjahr auf gut 20 Prozent belaufen dürfte, haben nur 12 Prozent der Aktienkurse dieser Unternehmen positiv reagiert. Dies ist ein historischer und vom Ausmaß her außergewöhnlicher Negativrekord! Im Mittel reagieren im Laufe einer Berichtssaison 52 Prozent der Kurse positiv auf die vorgelegten Quartalszahlen, wobei der bislang geringste Wert bei 43 Prozent lag. Auch dies spricht dafür, dass die US-Aktienmärkte über ein deutliches Aufholpotenzial verfügen, sofern auch die nächsten Berichte mehrheitlich positiv ausfallen und vor allem die Ausblicke nicht enttäuschen.

Gewinnentwicklung für 2018 und 2019

Die weitere Gewinnentwicklung wird dabei entscheidend von den makroökonomischen Rahmenbedingungen bestimmt werden. So hat der Internationale Währungsfonds in dieser Woche seinen neuen World Economic Outlook veröffentlicht. Im Ergebnis wurde die globale Wachstumsprognose für dieses und nächstes Jahr von 3,9 auf 3,7 Prozent nach unten revidiert. Diese Prognoseanpassung ist nicht schön, aber auch kein Beinbruch solange dieses Wachstum erreicht wird.

Denn im Endeffekt wird damit nur die Prognoseanhebung aus dem Januar dieses Jahres wieder rückgängig gemacht. Ausschlaggebend für die neue Prognose war das in der ersten Jahreshälfte geringere Wirtschaftswachstum in Großbritannien und der Eurozone sowie die konjunkturelle Schwäche in Schwellenländern wie Argentinien, Brasilien, Iran und der Türkei. Zudem haben sich die Handelsstreitigkeiten und die Einführung von Zöllen negativ auf die Investitionstätigkeit der Unternehmen und die globalen Exporte ausgewirkt. Dennoch heißt es im Fazit: „Overall, world economic growth is still solid compared with earlier this decade, but it appears to have plateaued.”

Globale Wachstumsprognose: Ist die Prognose zu optimistisch?

Es gibt jedoch einige zusätzliche Risiken, die dazu führen könnten, dass die Prognose zu optimistisch ist. Dazu gehören vor allem eine Ausweitung der Handelsstreitigkeiten, eine restriktivere Geldpolitik der Notenbanken oder eine größere Risikoaversion der Anleger. Das könnte zu Kapitalabflüssen aus den Schwellenländern führen. Auch die Bewertung an den Aktienmärkten und die vergleichsweise hohen Schulden einiger Staaten und Unternehmen erhöhen die Anfälligkeit der Wirtschaft für exogene Schocks.

Trotz dieser Risiken gehen wir davon aus, dass sich der Aufschwung in den USA fortsetzen wird. Dafür sprechen zwei Rezessionsindikatoren, die wir sehr eng verfolgen.

  1. So kam es in der Vergangenheit immer dann zu einer Rezession, wenn die Jahresveränderungsrate des vom Wirtschaftsforschungsinstitut Conference Board ermittelten gleichlaufenden Indikators in den negativen Bereich abrutschte. Der Indikator bildet die Entwicklung von vier verschiedenen Zeitreihen ab: der Beschäftigung, der Industrieproduktion, den verfügbaren Einkommen und der Umsatzentwicklung. In den vergangenen Monaten ist die Veränderungsrate des Indikators aber nicht gesunken sondern angestiegen.
  2. Zudem schauen wir auf einen weiteren Indikator, der aus vier anderen Einzelkomponenten besteht: der Steilheit der Zinsstrukturkurve (10 Jahre minus drei Monate), der Differenz der Einkaufsmanagerkomponenten Aufträge versus Lagerbestände, der Jahresveränderungsrate des Frühindikators von Conference Board sowie der Veränderung der Arbeitslosenquote. Auch dieser Indikator signalisiert, dass im Moment keine Rezessionsgefahr besteht.

Entwicklung der Wirtschaft: Lage in Europa

In Europa sind dagegen die konjunkturellen Risiken größer als in den USA. Dies liegt an der stärkeren Exportabhängigkeit, aber auch an den Unsicherheiten die vom bevorstehenden Brexit ausgehen. Zudem drücken die eigenwilligen Budgetpläne der italienischen Regierung sowie die Verwerfungen in der Automobilindustrie, die mit der Umstellung auf den neuen Abgastest WLTP zu tun haben, auf die Stimmung der Anleger. Die ökonomischen Risiken eines ungeordneten Brexits, aber auch einer weiteren Eskalation des Streits zwischen Italien und dem Rest der Eurozone bzw. der EU lassen sich jedoch im Moment kaum bemessen.

Unsicherheiten haben Auswirkungen auf europäische Aktienmärkte

Diese Unsicherheiten haben sich zum einen auf die Gewinnschätzungen, zum anderen auf die Bewertungen der europäischen Aktienmärkte ausgewirkt. So haben die Unternehmensanalysten ihre Gewinnschätzungen für die DAX-Unternehmen seit dem Sommer deutlich gesenkt.

Für 2018 wird mittlerweile von einer Gewinnstagnation ausgegangen, 2019 sollen die Erträge dann aber um rund zehn Prozent ansteigen. Auf EPS-Basis sollen die Gewinne von 13 der 30 DAX-Unternehmen im Jahr 2018 sinken, dennoch wird erwartet, dass 16 Unternehmen einen neuen Rekordwert beim EPS erreichen. 2019 wird dagegen nur für zwei Firmen ein sinkendes EPS prognostiziert, während 19 Rekordwerte erreicht werden sollen. Zwar könnten sich die Einschätzungen für das kommende Jahr von der Größenordnung her als zu optimistisch erweisen, dennoch sollten die Gewinne ansteigen, solange es nicht zu einer Rezession kommt. Diese erwarten wir auch für Deutschland nicht. Zudem signalisiert das niedrige Kurs-Gewinn-Verhältnis von 11,5, dass ein Sicherheitsabschlag für niedrigere Gewinne vorhanden ist.

„Wie muss ich mich als Anleger jetzt verhalten?“

Für den Anleger bedeutet dies, dass man sich temporär defensiver positionieren und die Aktienquote zugunsten von Kasse reduzieren sollte. Denn es wird noch eine Zeit dauern, bis sich die derzeitige große Unsicherheit wieder legt. Äußerungen der US-Notenbank, dass man nicht auf eine vorgefasste Richtung festgelegt sei, wären ebenso hilfreich wie eine positiv verlaufende Berichtssaison.

Bleiben diese Dinge aus, könnte sich der Kursrutsch fortsetzen. Unsere Modelle, die wir zur Steuerung der Asset Allocation verwenden, signalisieren jedoch nicht, dass im Moment eine zu starke Vorsicht angebracht ist. Für ein allgemeines „Game over“ an den Aktienmärkten ist es also hoffentlich zu früh.

Bildcredit: © deberarr/ fotolia.com

Autor: Carsten Klude

Carsten Klude studierte nach seiner Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Deutschen Bank VWL mit Schwerpunkt Ökonometrie in Kiel. 1996 kam er zu M.M.Warburg & CO, für die er zunächst die europäischen Kapitalmärkte analysierte und später mit der Leitung des Makro-Research betraut wurde. Seit dem Jahr 2009 ist Herr Klude Mitglied im Investmentrat von M.M.Warburg & CO und verantwortet seit dem Sommer 2013 das Asset Management der Bank. Zusätzlich ist Herr Klude seit dem Jahr 2010 Mitglied im Ausschuss für Wirtschafts- und Währungspolitik des Bundesverbandes deutscher Banken e.V., dessen Vorsitz er von 2015 bis 2018 inne hatte.

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