Künstliche Intelligenz im Asset Management: noch gibt es einen Haken!

Seit einigen Jahren geistert ein Buzzword durch die Gazetten und wird auch im Wirtschaftsleben immer relevanter: die künstliche Intelligenz. Macht es Sinn, mit Hilfe von Computern und Algorithmen Entscheidungen im Asset Management zu treffen? Einen Haken gibt es an der Sache.

Als Konsument wird man nahezu täglich mit künstlicher Intelligenz konfrontiert, auch wenn man dies nicht direkt wahrnimmt. Aber immer, wenn man mit Sprachassistenten in Kontakt tritt oder im Auto auf dem Touchpad seines Navigationsgerätes die Zieladresse kritzelt, ist künstliche Intelligenz im Spiel. Auch autonomes oder teilautonomes Fahren funktioniert nicht ohne Fähigkeiten, die sich auf künstliche Intelligenz stützen.

Die Funktionsweise von Künstlicher Intelligenz

Mit künstlicher Intelligenz werden meist verschiedene Teilbereiche der Informatik zusammen gefasst: Maschinelles Lernen, neuronale Netzte, Deep Learning, schwache oder starke künstliche Intelligenz. Unter maschinellem Lernen versteht man Verfahren, bei denen ein Algorithmus aus Beispielen lernt und diese nach Beendigung der Lernphase verallgemeinern kann.
So kann man einem solchen System beibringen, Hunde von Katzen zu unterscheiden, indem man es mit hunderttausenden von Hunde- und Katzenfotos füttert und damit auf das Erkennen und Unterscheiden von Hunden und Katzen trainiert.

Ein solches System wird dies beispielsweise dadurch erreichen, indem es Abstände markanter Punkte zueinander vermisst und in Relation zueinander stellt. So wird ein solches System vielleicht feststellen, dass das Verhältnis des Abstandes der Augen zueinander relativ zum Abstand der Augen zur Nase bei Katzen systematisch anders ist als bei Hunden und anhand dieser und weiterer Merkmale das vorgezeigte Bild als Hund identifizieren. Ohne allerdings wirklich zu wissen, was ein Auge und was eine Nase ist.

Was man einem Computer alles beibringen kann – und was nicht

Man kann diese System mit einem Entscheidungsbaum mit vielen Ebenen vergleichen. Mit maschinellem Lernen kann man einem Computer auch beibringen was Straßenschilder sind. Und tatsächlich: Wenn man den Computer beispielsweise mit einer extrem hohen Anzahl von Stoppschild-Fotos und Videos füttert, erkennt er Stoppschilder mit einer Trefferquote von 100%.

Aber ein einfacher Entscheidungsbaum kommt auch schnell an seine Grenzen, wie ein experimentierfreudiger Ingenieur auf einem Testgelände für autonomes Fahren bewies, als er begann auf Stoppschilder kleine, unscheinbare Aufkleber zu kleben. Je nach Positionierung der Aufkleber auf dem Schild und Art der Aufkleber führte dies dazu, dass der Computer nur noch Bahnhof verstand. Der Grund dafür ist relativ eindeutig. Das „Lehrmaterial“ bestand offensichtlich aus unbeklebten Stoppschildern. Was auf dem Testgelände unkritisch ist, kann im echten Leben tödlich enden und zeigt die Limitationen von solchen Algorithmen.

Künstliche Intelligenz: Ein Schritt weiter mit Deep Learning

Neuronale Netzte, die die Grundlage für Deep Learning-Ansätze bilden, gehen deswegen einen Schritt weiter. Es sind maschinelle Lernverfahren, die sich die Nervenzellenvernetzung im Gehirn zum Vorbild machen. Hier wird es eigentlich erst richtig interessant. Sie bestehen aus einer Vielzahl von Datenknoten, deren Verbindung sie in einem Lernverfahren ständig verändern.

Dieses System ist wesentlich komplexer und mehrdimensionaler.

Ab einer bestimmten Anzahl an Ebenen ist es für den Menschen auch nicht mehr im Geringsten nachvollziehbar und es ist nicht erkennbar nach welchen Kriterien (Fell, Augenabstand?) das System arbeitet. Für Deep Learning-Ansätze brauch es eine Unmenge an Daten und Lernmaterial.

Aber apropos Straßenschilder: Haben Sie sich mal gefragt, warum man bei vielen Online-Strecken Straßenschilder identifizieren muss, um zu beweisen, dass man kein Roboter ist (und im Übrigen auch bei falscher Eingabe weiter kommt)? Genau, dieses Lernmaterial stellen wir bereit, indem wir Straßenschilder auf verschwommenen Bilder als solche identifizieren.

Eine der wichtigsten Anwendungen von Deep Learnig-Ansätzen ist die Bilderkennung. In den letzten Jahren wurden in diesem Bereich immense Fortschritte erzielt, insbesondere im Bereich der Medizin. Diese Algorithmen können mit Bilddaten unterschiedlichster Art trainiert werden.
Auf diese Weise können sie Ärzte bei der Diagnose von Krankheiten unterstützen, indem sie zum Beispiel Röntgenbilder oder CT-Bilder auf Anomalien untersuchen. Selbst ein Spezialist kann nie die gleiche Menge an Bilddaten einsehen, die im Training verwendet werden, denn Datensätze, die zum Trainieren von Deep Learning-Algorithmen verwendet werden, können viele Millionen Bilder enthalten.

Kein Wunder also, dass diese intelligenten Algorithmen besser sehen als Menschen.

Aktuell beschränken sich aber auch Deep Learning-Ansätze auf sehr begrenzte, vordefinierte Aufgabenfelder. Von einer künstlichen Intelligenz im Sinne einer dem Menschen ähnelnden generellen Intelligenz, die auch Transferleistungen anstellen kann, sind wir noch weit entfernt.

Qualität der künstlichen Intelligenz wird sich sehr steigern lassen

Mit noch besseren Algorithmen, schnelleren Prozessoren und vor allem mit noch mehr Daten wird sich die Qualität der künstlichen Intelligenz aber in den kommenden Jahren und Jahrzehnten dramatisch steigern lassen. In einigen Jahren wird die Diagnose einer Krankheit auf Basis eines Röntgenbildes in Kombination mit der Krankheitsgeschichte des Patienten sowie der aktuellen Blut- und Kreislaufwerte sowie DNA-Informationen präziser ausfallen, als dies ein Arzt jemals leisten könnte. Und über den Missbrauch dieser Fähigkeiten im Umfeld von Diktaturen wollen wir an dieser Stelle gar nicht sprechen – China lässt grüßen.

Es existiert aber ein sehr naheliegender Anwendungsfall, den wir hier bisher noch gar nicht thematisiert haben, der aber eine zunehmende Relevanz in der Praxis erlebt. Es geht dabei um …

… die Nutzung der künstlichen Intelligenz im Asset Management

Schon seit Jahrzehnten ist es mehr oder weniger üblich, mit Hilfe von Computern und Algorithmen Entscheidungen im Asset Management zu treffen oder sogar komplett automatisch Transaktionen ausführen zu lassen. Dabei werden auch diese Modelle anhand historischer Daten kalibriert. Auch diese Modelle „lernen“ kapitalmarktrelevante Zusammenhänge und nutzen diese am jeweils aktuellen Rand.

Vordergründig erscheint es daher so, als wenn künstliche Intelligenz hier keine neue Erscheinung wäre. Das ist allerdings eine Fehleinschätzung, denn zwischen künstlicher Intelligenz und klassischen Kapitalmarktmodellen existiert ein kleiner, aber feiner Unterschied. Während klassische Modelle auch klassische mathematische und statistische Methoden nutzen, um Zusammenhänge an Kapitalmärkten zu beschreiben, können Systeme mit künstlicher Intelligenz auch „hinter die Kulissen“ schauen und Zusammenhänge aufdecken, die mit klassischen Methoden unmöglich sichtbar gemacht werden können.

Es mag ein wenig esoterisch klingen, aber es ist durchaus vorstellbar, dass gewisse Zusammenhänge zwischen Assetklassen oder Kennzahlen nur in ganz spezifischen Situationen oder Marktregimen auftreten und man mehrere verknüpfte Analyseebenen benötigt, um diese Zusammenhänge überhaupt als solche zu erkennen.

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Künstliche Intelligenz im Asset Management: der eine Haken daran!

Auf den ersten Blick schreit dies förmlich danach, im Asset Management viel stärker auf künstliche Intelligenz zu setzen, denn die Vorteile scheinen auf der Hand zu liegen. Aber natürlich gibt es einen Haken an der Sache. So leistungsfähig die künstliche Intelligenz auch sein mag, immer wieder wird sie in historischen Daten auf vermeintliche „Muster“ an Zusammenhängen stoßen, die de facto entweder Zufall oder ein Spezifikum der historischen Zeitperiode waren – und das, ohne eine Relevanz am aktuellen Rand aufzuweisen.

Und so produzieren Systeme auf Basis künstlicher Intelligenz im Asset Management zuweilen viele Transaktionen, ohne gegenüber dem menschlichen Kollegen mit echter Intelligenz oder klassischen Algorithmen einen messbaren Mehrwert erzielen zu können. Aber auch hier gilt, dass sich dies in den kommenden Jahren ändern wird. Ob es dabei überhaupt erstrebenswert ist, wenn am Markt nur noch Maschinen gegen Maschinen antreten, ist aber nochmal eine ganz andere Geschichte …

Christian Jasperneite

Autor: Dr. Christian Jasperneite

Dr. Christian Jasperneite studierte an der Universität Passau VWL und promovierte anschließend an der Universität Passau am Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik. Nach einem Forschungsaufenthalt an der Harvard University begann er im Jahr 2000 als Analyst im Makro-Research von M.M.Warburg & CO. Seit Anfang 2009 ist Dr. Jasperneite Chief Investment Officer bei M.M.Warburg & CO und verantwortet dort u.a. Fragen der strategischen und taktischen Allokation sowie der Portfoliokonstruktion und der Produktentwicklung.

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