Kann die Weltwirtschaft aktuell überhaupt noch wachsen?

Viermal im Jahr veröffentlicht der Internationale Währungsfonds (IWF) seine Erwartungen und Einschätzungen zur globalen Wirtschaft. Diese Aktualisierungen fallen zugebenermaßen mal mehr und mal weniger spektakulär aus. In den letzten Jahren markierten beispielsweise die Corona-Pandemie oder der Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine sowie die anschließende Energiepreiskrise Ansatzpunkte für umfassende Anpassungen.

Die Revisionen im Jahr 2024 waren hingegen eher kosmetischer Natur und boten wenig Überraschungspotential. Im Zuge der aktuellen US-Handelspolitik sowie dem wechselhaften Politikstil von US-Präsident Donald Trump sah sich der IWF allerdings gezwungen, umfangreiche Prognoseanpassungen vorzunehmen.

Zunehmende Handelsspannungen dämpfen das Wachstum

Schien sich die Weltwirtschaft 2024 auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau stabilisiert zu haben, dämpfen die zunehmenden Handelsspannungen sowie die politische Unsicherheit das Wirtschaftswachstum. So reduzieren die Experten vom IWF ihre globale Wachstumsprognose auf 2,8 Prozent (Jahr 2025) und drei Prozent (Jahr 2026). Das sind 0,5 und 0,3 Prozentpunkte weniger als noch in der Januar-Prognose.[1]

Was passiert mit der Inflation?

Für die globale Inflationsentwicklung blicken die Volkswirte vom IWF ebenfalls pessimistischer in die Zukunft und erwarten einen langsameren Inflationsrückgang. In diesem Jahr dürfte die Preissteigerungsrate bei 4,3 Prozent liegen bevor sie nächstes Jahr auf 3,6 Prozent zurückgehe (jeweils +0,1 Prozentpunkte gegenüber der letzten Prognose). Was auf den ersten Blick wenig spektakulär aussieht, sieht auf regionaler Ebene deutlich interessanter aus und verschleiert gegenläufige Effekte.

Beispielsweise wird die US-Inflationsprognose für 2025 um einen ganzen Prozentpunkt angehoben.

Ausschlaggebend für die Aufwärtsrevision seien neben dem jüngsten Angebotsschock durch die angekündigten Zölle die hartnäckige Preisdynamik im Dienstleistungssektor sowie der Preisanstieg für Kerngüter (ohne Lebensmittel und Energie).

Wie wirken Zölle?

Anders verhielte es sich bei Volkswirtschaften, die durch Importzölle tangiert werden. Für sie wirken die Zölle wie ein negativer Nachfrageschock. Schließlich geht die Auslandsnachfrage nach inländischen Gütern zurück und wirkt für sich genommen preisdämpfend. Am stärksten betroffenen sei insbesondere der asiatische Wirtschaftsraum – hier korrigierte der IWF seine Inflationsprognose im Vergleich zum Januar um 0,5 Prozentpunkte nach unten.

Wie sehen die Prognosen im Detail aus?

Ein Blick auf die Wachstumsrevisionen auf Länderebene zeigt ein einheitliches Bild (vgl. Abbildung). Mit Ausnahme auf wenige Volkswirtschaften (unter anderem Spanien und Russland) blicken die IWF-Volkswirte deutlich skeptischer in die Zukunft.

Vor allem die Abwärtsrevision für die US-amerikanische Bruttowertschöpfung für dieses Jahr in Höhe von 0,9 Prozentpunkte sticht ins Auge.

Sie unterstreicht, dass sich die US-Administration mit ihrer protektionistischen Handelspolitik (kurzfristig) erheblichen wirtschaftlichen Schaden zufügt. Nach einem Wirtschaftswachstum in Höhe von 2,8 Prozent in 2024 fiele die BIP-Wachstumsrate 2025 auf nur noch 1,8 Prozent – was nicht zuletzt auf den statistischen Überhang zurückzuführen ist. Sei die Stimmung bei Verbrauchern, Investoren und Unternehmen zu Jahresbeginn noch optimistisch, habe sich das Stimmungsbild im Zuge der großen politischen Unsicherheit, Handelsspannungen sowie eines schwächeren Nachfrageausblicks eingetrübt.

IWF Prognosen 2024-2026: Globales BIP-Wachstum mit Revisionen, Fokus auf USA, Eurozone und Schwellenländer.

Wie sieht es für China aus?

Einen ähnlich negativeren Ausblick skizziert der IWF für China – den größten Rivalen der USA. So erwarten die Volkswirte nur noch ein Wirtschaftswachstum von vier Prozent für 2025 und 2026 (-0,6 und -0,5 Prozentpunkte gegenüber der letzten Prognose). Neben dem Handelsstreit mit den USA belaste die Schwäche des Immobiliensektors den Wirtschaftsausblick.

Oder Wachstum im Euroraum?

Vergleichsweise moderat fallen die Revisionen für den Euroraum aus. Um „nur“ jeweils 0,2 Prozentpunkte senkt der IWF seine Wachstumsprognosen auf 0,8 und 1,2 Prozent für 2025 und 2026.

Deutschland liegt mit einem prognostizierten BIP-Wachstum in Höhe von -0,2 Prozent in diesem Jahr erneut auf den hinteren Plätzen.

Konjunktureller Gegenwind komme für den Euroraum vom Zollstreit mit den USA und der hohen politischen Unsicherheit. Kompensierend wirke jedoch ein stärkerer Konsum aufgrund steigender Reallöhne sowie fiskalische Lockerungen und neue Investitionsprogramme wie beispielsweise in Deutschland.

Die Abwärtsrisiken überwiegen

Quantitative Wachstumsprognosen sollten grundsätzlich mit Vorsicht interpretiert werden und vielmehr als Orientierungsgröße angesehen werden. Umso wichtiger ist es, die Chancen und Risiken im aktuellen Umfeld zu untersuchen.

Wenig verwunderlich dominieren laut dem IWF die Abwärtsrisiken für die Weltwirtschaft.

Neben der Gefahr einer Eskalation des Handelskrieges sowie der anhaltenden Unsicherheit warnen die Ökonomen vor einer anhaltend restriktiven Geldpolitik und höheren Refinanzierungskosten für Staaten. Letzteres sei insbesondere im Hinblick auf die angespannte Haushaltssituation vieler Volkswirtschaften problematisch und schränke den finanziellen Handlungsspielraum ein, auf neue Schocks zu reagieren.

Allerdings gebe es für die globale Wirtschaft auch Chancen.

Dazu zählen beispielsweise eine Steigerung der Arbeitsproduktivität durch den verstärkten Einsatz Künstlicher Intelligenz, die Beilegung von Konflikten wie zwischen der Ukraine und Russland oder die Unterzeichnung neuer Handelsabkommen, die die internationale Zusammenarbeit fördern und neue Investitionen begünstigen.

Wie lautet unser Fazit?

Wie die Volkswirte vom IWF selbst betonen, sind ökonomische Prognosen im aktuellen Umfeld mit sehr hoher Unsicherheit behaftet. Entschließe sich US-Präsident Donald Trump, die angekündigten Zölle vollständig zurückzunehmen, würde sich der Konjunkturausblick wieder aufhellen.

Jedoch ist eine Eskalation des globalen Handelsstreits ebenfalls denkbar.

Diesen beiden Szenarien Eintrittswahrscheinlichkeiten zuzuschreiben, ist insbesondere vor dem Hintergrund von Donald Trumps erratischem Politikkurs quasi unmöglich. Was heute noch gilt, scheint morgen bereits vergessen zu sein.

Wie kurz die Halbwertszeit von ökonomischen Prognosen in diesem Umfeld ausfallen, wurde Anfang April deutlich.

Nachdem Donald Trump die reziproken Zölle angekündigt hatte und sich eine Eskalation im Handelsstreit zwischen den USA und China abzeichnete, prognostizierten die ersten Volkswirte eine Rezession für die USA. Nur wenige Stunden danach ruderten sie jedoch zurück als Donald Trump eine temporäre Aussetzung der reziproken Zölle ankündigte. Aus diesem Grund halten wir es für umso wichtiger, keine übereiligen Schlüsse zu ziehen und Ruhe zu bewahren anstatt in Panik zu verfallen.

Foto von Unsplash von Razvan Chisu


[1] Diesen Prognosen liegen Informationen bis zum 4. April 2025 zugrunde (Zollankündigungen vom 2. April sowie erste Reaktionen). In einem Alternativszenario berücksichtigt der IWF die Informationen bis zum 14. April (Eskalation zwischen USA und China, aber Aussetzung reziproker Zölle für andere Länder). In diesem Szenario kommt der IWF zu einem quantitativ ähnlichen Ergebnis auf globaler Ebene, allerdings müssten die USA und China stärkere Wachstumseinbußen hinnehmen.

Simon Landt

Autor: Simon Landt

Simon Landt hat einen Bachelor der Volkswirtschaftslehre der Universität Kiel sowie einen Master in Quantitative Finance und in Quantitative Economics an der Universität Kiel und an der School of Economics and Business der Universität Ljubljana absolviert. Nach seinem einjährigen Traineeprogramm startete er als Analyst im Makro Research. Seit Oktober 2021 arbeitet Simon Landt im Makro Research zusammen mit Carsten Klude und Dr. Christian Jasperneite. Er ist spezialisiert auf Analysen des aktuellen Marktumfeldes und die Bedeutung für Aktien- und Anleihenmärkte. Seit März 2024 unterrichtet Simon Landt den Masterkurs „Portfolio- und Assetmanagement“ an der Northern Business School.

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