Fußballmeisterschaften: ein Konjunktur- und Aktienmarktbooster?

51 spannende Spiele, insgesamt 117 Tore sowie ein neuer Europameister aus Spanien – so lautet die Bilanz der diesjährigen UEFA Fußball-Europameisterschaft.

Auch wenn es aus deutscher Sicht nicht ganz mit dem Sommermärchen geklappt hat und die deutsche Mannschaft sich im Viertelfinale dem neuen Europameister geschlagen geben musste, war eine tolle Stimmung in den Stadien, beim Public Viewing oder beim Fußballgucken im heimischen Wohnzimmer zu beobachten. Unabhängig davon stellt sich jedoch die Frage:

Haben Fußballveranstaltungen wie Europa- oder Weltmeisterschaften einen positiven Effekt auf das Wirtschaftswachstum des Heimatlandes?

Schließlich strömen tausende Fans in die Stadien, Gaststätten und Hotels. Lösen sportliche Großveranstaltungen also einen Konjunkturschub aus und begünstigen womöglich eine Aktienmarktrallye?

Der Effekt auf die Wirtschaft

Auf den ersten Blick scheinen die wirtschaftlichen Effekte sportlicher Großveranstaltungen eindeutig zu sein. Zum einen profitiert die Wirtschaft des Gastgeberlandes von Infrastrukturinvestitionen, zum anderen profitiert vor allem das Gastgewerbe von erhöhten Konsumausgaben während der Meisterschaften.

Ist in der Realität aber tatsächlich ein positiver Effekt für die Wirtschaft festzustellen?

Studien deuten darauf hin, dass kein statistisch signifikanter (positiver) Effekt zwischen einer Fußball EM oder -WM und der Bruttowertschöpfung des Gastgeberlandes besteht.[1]

Woran liegt das?

Nicht immer sind im Vorfeld umfangreiche Infrastrukturinvestitionen notwendig, und selbst wenn ist der positive Nutzen nicht zwangsläufig gegeben, sofern die Infrastruktur im Anschluss ungenutzt bleibt. Während des Turniers strömen zwar viele Fußballfans in das Gastgeberland, jedoch treten Verdrängungseffekte auf:

Andere Touristen bleiben aus, sodass sich aus Sicht der Hoteliers nicht unbedingt eine Umsatzsteigerung ergibt.

Fußballfans kaufen zwar Trikots oder Tickets, sparen jedoch an anderer Stelle – schließlich steigen die Löhne nicht aufgrund einer EM oder WM an. Aber auch Vorzieheffekte treten auf: So wird beispielsweise ein neuer Fernseher nicht erst Weihnachten, sondern im Vorfeld der Fußballmeisterschaften angeschafft. Zukünftiger Konsum geht also zu Lasten des heutigen Konsums.

Positive Impulse für die Aktienmärkte?

Während ein positiver Effekt von internationalen Fußballmeisterschaften auf die Konjunktur eher fraglich und schwer zu identifizieren ist, existiert womöglich trotzdem ein positiver Effekt für die Aktienmärkte. Um diese These zu überprüfen, haben wir die Kursentwicklung des Aktienmarktindex des jeweiligen Gastgeberlandes näher untersucht und mit der Wertentwicklung des MSCI World Index, der hier als Stellvertreter für die allgemeine Aktienmarktentwicklung fungiert, verglichen.

Als Stichprobe dienen die Welt- und Europameisterschaften seit 1992.

In einem ersten Schritt haben wir die durchschnittliche Wertentwicklung des Länderindex des Gastgeberlandes (rote Linie) und die des MSCI World Index (schwarze Linie) im Zeitraum ein Jahr vor bis ein Jahr nach der Veranstaltung ausgewertet. Hier zeigt sich ein interessantes Muster:

Bei den Weltmeisterschaften ist im Vorfeld eine Outperformance der Länderindizes gegenüber dem MSCI World Index zu beobachten.

Unmittelbar vor und nach der WM geht die durchschnittlich bessere Performance jedoch zurück und die Wertentwicklung beider Indizes läuft im Anschluss gleich.

Für die letzten acht Europameisterschaften (ohne 2024) ergibt sich allerdings ein umgekehrtes Bild.

Hier verzeichneten die Länderindizes im Vorfeld der Meisterschaften eine durchschnittlich schlechtere Wertentwicklung und holten ersten mit zeitlichem Verzug wieder auf. Betrachtet man Europa- und Weltmeisterschaften zusammen, lässt sich keine klare Aussage treffen.

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Sind positive Effekte womöglich aber schon eingepreist und treten viel früher auf?

Um diese Frage zu untersuchen, haben wir außerdem die relative Wertentwicklung des Länderindex ein Jahr vor und nach der Bekanntgabe des Gastgeberlandes untersucht. Hier ist sowohl bei Welt- als auch Europameisterschaften tatsächlich eine durchschnittlich relativ bessere Wertentwicklung der Länderindizes gegenüber dem MSCI World zu beobachten, wobei der Effekt bei Weltmeisterschaften stärker ausfällt.

Wie lautet unser Fazit?

Auch wenn die deutsche Wirtschaft einen Konjunkturbooster aktuell sehr gut gebrauchen könnte, dürften die wirtschaftlichen Impulse der EM in diesem Jahr begrenzt ausfallen. Inwieweit weiche Faktoren wie die Standortattraktivität des Gastgeberlandes oder eine bessere Stimmung die Arbeitsproduktivität positiv beeinflussen, ist nur schwer messbar.

Darüber hinaus sollten unsere empirischen Ergebnisse mit Vorsicht interpretiert werden und nicht als Grundlage für eine Anlagestrategie dienen.

Warum?

Es handelt sich um eine durchschnittliche Wertentwicklung

Das bedeutet, dass es in unserer Stichprobe Fälle gibt, in denen die Wertentwicklung der Länderindizes relativ zum MSCI World schlechter ausfällt.

Geld- oder fiskalpolitische Gründe

Die relative Under- oder Outperformance muss nicht ausschließlich auf die Fußballmeisterschaft zurückzuführen sein, sondern kann stattdessen auch durch geld- oder fiskalpolitische Impulse erklärt werden.

Gewinnerzielung im Ausland

Drittens sind viele Unternehmen international aufgestellt und erzielen ihre Gewinne nicht ausschließlich im Inland, sodass die Kursentwicklung der Aktienmarktindizes der Gastgeberländer von wirtschaftlichen Impulsen aus dem Ausland beeinflusst werden.

Übrigens: Für alle Sportbegeisterten steht mit den Olympischen Spielen in Frankreich vom 26. Juli bis zum 11. August 2024 die nächste sportliche Großveranstaltung bereits vor der Tür.

Foto von B auf Unsplash


[1] Zum Beispiel: Beckmann, J., Jannsen, N. (2024). Gesamtwirtschaftliche Auswirkungen von Fußball-Großveranstaltungen. Kiel Insights.

Simon Landt

Autor: Simon Landt

Simon Landt hat einen Bachelor der Volkswirtschaftslehre der Universität Kiel sowie einen Master in Quantitative Finance und in Quantitative Economics an der Universität Kiel und an der School of Economics and Business der Universität Ljubljana absolviert. Nach seinem einjährigen Traineeprogramm startete er als Analyst im Makro Research. Seit Oktober 2021 arbeitet Simon Landt im Makro Research zusammen mit Carsten Klude und Dr. Christian Jasperneite. Er ist spezialisiert auf Analysen des aktuellen Marktumfeldes und die Bedeutung für Aktien- und Anleihenmärkte. Seit März 2024 unterrichtet Simon Landt den Masterkurs „Portfolio- und Assetmanagement“ an der Northern Business School.

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