Fundamentales EUR/USD-Signal im Echtzeittest: Es funktioniert!

Flexible Wechselkurse sind für Volkswirtschaften und Unternehmen Fluch und Segen zugleich. Auf der einen Seite sind sie grundsätzlich notwendig, damit ein Ausgleichsmechanismus dafür existiert, dass Volkswirtschaften und Währungsräume im Zeitverlauf extrem unterschiedliche Produktivitätspfade aufweisen können.

Beispielsweise entwickelte sich Deutschland nach dem Krieg bis zum Beginn der europäischen Währungsunion wirtschaftlich signifikant besser als Italien. Im Ergebnis wertete die D-Mark gegenüber der italienischen Lira nahezu konstant auf. Dadurch blieben italienische Produkte trotzdem hinreichend konkurrenzfähig. Gleichzeitig konnten deutsche Touristen mit ihrer starken D-Mark in Italien günstig Urlaub machen.

Auch heute sind Wechselkursschwankungen zwischen Ländern und Währungsblöcken der Ausdruck von Differenzen in der wirtschaftlichen Entwicklung, aber auch Ergebnis von Zins- und Kaufkraftunterschieden.

Sie sind letztlich das notwendige Schmiermittel und Scharnier, um den Austausch von Waren, Dienstleistungen und Kapital in einer dynamischen und globalisierten Welt abzubilden, ohne dass es zu größeren Schieflagen und Verwerfungen kommt.

Herausforderungen flexibler Wechselkurse

Überall dort, wo Licht ist, ist aber auch Schatten. Denn Wechselkurse bewegen sich zuweilen vergleichsweise erratisch. Nicht immer kann man den Eindruck gewinnen, dass die Entwicklung von Wechselkursen allein fundamentalen Gründen folgt. Zudem ist oftmals erst im Nachhinein nachvollziehbar, warum sich der Wechselkurs in eine bestimmte Richtung bewegt hat. Das macht den Umgang mit Wechselkursen für die Real- und auch die Finanzwirtschaft zu einer herausfordernden Angelegenheit.

So gehen beispielsweise europäische Investoren, die US-Wertpapiere kaufen, zusätzlich zu den eigentlichen Risiken der Aktien und Anleihen Wechselkursrisiken ein, die in ihrem Umfang nur schwer einzuschätzen sind.

Auch Unternehmen, die sich auf Export- und Importmärkten bewegen, wird die Planung zukünftiger Umsätze durch flexible Wechselkurse massiv erschwert. Schließlich kann beispielsweise ein deutscher Autohersteller seine Preise in den USA nicht ständig anpassen, nur weil sich der Euro/US$-Wechselkurs bewegt.

Aussitzen oder Handeln

Hier gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten, mit diesen Herausforderungen umzugehen. Auf der einen Seite kann man die These vertreten, dass sich kurzfristige Schwankungen langfristig ausgleichen und die sich jeweils ergebenden wechselkursbedingten Vor- und Nachteile von Unternehmen einfach „ausgehalten“ werden müssen. 

Es besteht aber auch die Möglichkeit, Wechselkursrisiken abzusichern.

Wer Wechselkursrisiken nicht eingehen kann oder eingehen mag, kann z.B. sog. Devisentermingeschäfte tätigen, um die Effekte flexibler Wechselkurse abzumildern oder ganz zu eliminieren. Natürlich gibt es hier kein „Free Lunch“. Der Preis für diese Absicherung besteht – grob gesprochen – in der Zinsdifferenz der betroffenen Währungsräume. Hier muss sich jeder Akteur fragen, ob er bereit ist, diesen zuweilen recht hohen Preis für eine Absicherung zu zahlen.

Dynamische Absicherung als Alternative

Eine Möglichkeit, die Kosten einer statischen Absicherung zu umgehen, bestünde möglicherweise darin, mit einer dynamischen Absicherung zu arbeiten, die nur dann Absicherungsgeschäfte eingeht, wenn sie besonders vielversprechend erscheinen. Läuft die Wechselkursentwicklung dagegen für einen Investor oder ein Unternehmen, wäre eine Absicherung kontraproduktiv.

Des Rätsels Lösung?

Wenig überraschend ist dementsprechend die dynamische Absicherung von Wechselkursrisiken so etwas wie der „Heilige Gral“ der Finanzbranche. Gelänge es, hier mit einer hohen Trefferquote zu agieren, könnten Investoren und Unternehmen teils hohe Kosten erspart und zusätzliche Gewinne ermöglicht werden. Wichtig wäre es zudem, Signale mit einer nicht zu hohen Frequenz zu generieren. Denn eine zu hohe Frequenz der Signale treibt die Kosten ebenfalls in die Höhe und steht nur selten in einem guten Verhältnis zu dem zu erwartenden Ergebnis.

Das Warburg Overlay-Modell

Wir haben daher bei Warburg vor etwa elf Jahren versucht, ein Euro/US$-Overlaymodell zu entwickeln, das mehrere Anforderungen erfüllt: Zum einen sollte die Signalfrequenz nicht zu hoch sein, so dass das Modell für Kunden in der Praxis auch nach Kosten einen Mehrwert entfalten kann. Zum anderen sollte die Trefferquote so hoch sein, dass bei einer mehrjährigen Implementierung ein nachweisbarer, systematischer Zusatznutzen für Kunden erzielt wird.

Schließlich hatten wir uns ins Lastenheft geschrieben, mit einem Modell zu arbeiten, das nicht einer Black Box gleicht, sondern jederzeit zu nachvollziehbaren und gut erklärbaren Ergebnissen führt.

Unser Hauptmodell, dass wir seit der Entwicklung vor etwa elf Jahren an keiner Stelle mehr verändert haben, funktioniert wie folgt: Jede Nacht wird eine größere Anzahl von konjunkturrelevanten europäischen und US-Daten automatisch eingelesen. Für jede dieser Zeitreihen wird ein langjähriger Trend ermittelt, sodass wir am aktuellen Rand jeweils vergleichsweise genau wissen, welcher Wert der Zeitreihe mit einer konjunkturneutralen Lage vergleichbar wäre.

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In einem zweiten Schritt wird nun ermittelt, inwieweit die tatsächlichen Daten von den konjunkturneutralen Daten abweichen. Für jeden Wirtschaftsraum errechnen wir einen Indikator, der insgesamt Auskunft darüber gibt, ob und in welchem Umfang sich der Währungsraum ober- oder unterhalb einer konjunkturneutralen Lage befindet.

Das Ergebnis der Arbeit

Aus der Differenz dieser zwei Indikatoren leiten wir dann in einem weiteren Schritt das Währungs-Overlay-Signal ab. Seit dem 17.3.2014 wird dieses Echtzeit-Signal täglich im Intranet veröffentlicht (für alle, die einen Zugriff darauf haben: Es ist das Modell Nr. 3 im Bereich Währungs-Overlay). Dieses Modell wird durch Modelle ergänzt, die die Timing-Entscheidung optimieren können, da das fundamentale Differenzenmodell nur darauf „getrimmt“ ist, grundlegende Trends auszuwerten, ohne den optimalen Tag für einen Signalwechsel zu bestimmen. Trotzdem hat uns nach mehr als zehn Jahren Echtzeiterfahrung die Frage gereizt, herauszufinden, inwieweit alleine schon das wenig frequente und nicht timingorientierte Basismodell in Echtzeit funktioniert hat.

Die Erkenntnis in zwei Worten: Sehr gut. Eine statische Benchmark aus 50% US$-Geldmarkt ohne Absicherung und 50% mit Absicherung hätte sich deutlich schlechter entwickelt als ein US$-Geldmarktinvestment mit dynamischer Steuerung.

Ein Zufall können die guten Ergebnisse nicht sein. Wir haben mit einem Zufallsgenerator 10.000 Signalstrukturen mit gleicher Frequenz und Amplitude generiert und konnten nur in 12% der Fälle mit Zufallssignalen eine bessere Wertentwicklung erzielen. Auch die Risikoeigenschaften sind zu gut, um ein Zufallsergebnis zu sein. Beispielsweise fielen die Rückschlagrisiken (wir haben diese Risiken über die Fläche von Unterwassercharts gemessen) bei Nutzung von Zufallssignalen deutlich höher aus als bei Implementierung des Overlaysignals.

Wirksamkeit fundamentaler Analysen

Zudem lässt sich das Ergebnis durch Berücksichtigung unserer Echtzeit-Timing-Signale nur unwesentlich verbessern. Für Volkswirte ist das eigentlich ein schönes Ergebnis: Zeigt es doch, dass die Analyse fundamentaler Daten immer noch einen Mehrwert liefern kann, wenn man es nur systematisch und langfristig genug betreibt.         

Foto by unsplash Roberto Jùnior                          

Christian Jasperneite

Autor: Dr. Christian Jasperneite

Dr. Christian Jasperneite studierte an der Universität Passau VWL und promovierte anschließend an der Universität Passau am Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik. Nach einem Forschungsaufenthalt an der Harvard University begann er im Jahr 2000 als Analyst im Makro-Research von M.M.Warburg & CO. Seit Anfang 2009 ist Dr. Jasperneite Chief Investment Officer bei M.M.Warburg & CO und verantwortet dort u.a. Fragen der strategischen und taktischen Allokation sowie der Portfoliokonstruktion und der Produktentwicklung.

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