Finanznachrichten effizient lesen

Vor nicht allzu langer Zeit waren detaillierte Finanzanalysen dem breiten Publikum nur begrenzt zugänglich. Zum einen waren die Analysen im Printformat überwiegend professionellen Investoren vorbehalten und zum anderen fiel das Interesse der breiten Masse für die Kapitalmärkte vergleichsweise gering aus. In den letzten Jahren hat sich das Bild jedoch verändert.

Mit dem gestiegenen Interesse am privaten Vermögensaufbau beispielsweise durch Sparpläne hat auch die Nachfrage nach Finanznachrichten zugenommen. Gleichzeitig haben die Digitalisierung und der Einzug von sozialen Netzwerken den Zugang zu Finanzinformationen deutlich vereinfacht.

Fluch und Segen

Diese Entwicklung ist selbstverständlich positiv zu beurteilen, da sie die Finanzbildung der Bevölkerung verbessert. Allerdings bringt der vereinfachte Zugang zu Finanzanalysen auch Herausforderungen mit sich. Zum einen werden wir mit einer Flut von Informationen konfrontiert, die nur schwer zu verarbeiten ist. Zum anderen besteht die Herausforderung darin, relevante von irrelevanten Informationen zu unterscheiden und daraus fundierte Anlageentscheidungen abzuleiten.

Damit Sie Ihre Zeit möglichst effizient gestalten und inhaltslose Finanznachrichten erfolgreich identifizieren, haben wir Ihnen fünf Tipps zusammengestellt:

1. Verzerrungen durch Eigeninteressen

Nutzen Sie Ihren gesunden Menschenverstand und erkennen Sie mögliche Eigeninteressen des Autors. Beispielsweise wird Ihnen ein „Crash-Prophet“ zahlreiche Gründe auflisten, warum dieses Jahr die Welt untergeht und ein Bärenmarkt einsetzt. Das mag auf geopolitische Krisen, eine Rezession oder politisches Fehllenken zurückzuführen zu sein.

Nicht selten werden auf Basis der gezeichneten Untergangsszenarien Empfehlungen wie ein Komplettverkauf des Portfolios gegeben.

Im Gegenzug biete sich eine vollständige Umschichtung in Absicherungsanlageklassen wie Edelmetalle oder eigene Produkte des Autors an. Selbstverständlich gab es in der Vergangenheit Marktphasen, in denen es sich ausgezahlt hätte, keine Aktien und stattessen ausschließlich Absicherungsinstrumente im Portfolio zu halten. Jedoch hätte solch eine extreme Anlagestrategie in der meisten Zeit keine Früchte getragen.

Fragwürdigkeit der „Crah-Propheten“

Ferner werden die Warnungen der „Crash-Propheten“ insbesondere dann unglaubwürdig, wenn diese jedes Jahr wiederholt werden. Der Mehrwert solcher Analysen hält sich für Sie damit in Grenzen.

Tipp: Seien Sie kritisch, identifizieren Sie mögliche Eigeninteressen und lassen Sie sich nicht verunsichern.

2. Simplify, then exaggerate

Nicht nur in der allgemeinen Nachrichtenlandschaft, sondern auch in der Finanzwelt breitet sich der Boulevardjournalismus zunehmend aus. Das Grundprinzip dieses journalistischen Stils ist unabhängig vom Themengebiet: „simplify, then exaggerate“. Komplexe Zusammenhänge werden vereinfacht und möglichst reißerisch dargestellt. Ziel des Autors ist es, in der Flut von Nachrichten herauszustechen, Aufmerksamkeit zu erzielen und am Ende eine möglichst große Reichweite zu erzielen.

Dabei verkauft sich der Artikel besser, wenn ihm eine Portion Angst beigemischt wird.

Nüchterne Fakten helfen hingegen nur bedingt, dass ein Artikel „viral geht“. Da die Zusammenhänge und Wechselwirkungen auf den Finanzmärkten äußerst komplex und (leider) selten eindeutig sind, gehen bei dieser Art von Journalismus jedoch wichtige Informationen verloren.

Folgendes fiktives Beispiel verdeutlicht die Problematik:

Sie lesen lediglich die Schlagzeile „Unternehmensgewinne brechen ein – droht ein Bärenmarkt?“, und beginnen ihre Aktienpositionierung zu überdenken. Was in der Nachricht aber fehlt: Die Unternehmensgewinne gehen beispielsweise nur im Energiesektor zurück und der Gewinnrückgang fällt mit drei Prozent moderat aus – zumal in den Vorquartalen deutliche Gewinnsteigerungen verzeichnet wurden. Mit der Information, dass es sich vielmehr um eine Normalisierung der Gewinnentwicklung handelt, ergibt sich eine ganz andere Ausgangssituation und die Schlagzeile wirkt zugegebenermaßen weniger sensationell.

Gefahr solcher Schlagzeilen

Gefährlich wird es, wenn solche vereinfachenden und reißerischen Schlagzeigen blind abgeschrieben und so lange wiederholt werden, bis sie für bare Münze genommen werden. Im Kontext politischer Propaganda ist das Vorgehen „Wiederholen Sie das Dogma, bis es zur Wahrheit wird“ besonders beliebt.

Tipp: Prüfen Sie, ob es sich bei der Schlagzeile wirklich um eine Sensation handelt oder ob wichtige Fakten fehlen.

3. Auf den Blick nach vorne kommt es an

Häufig werfen Finanzanalysen ausschließlich einen Blick in den Rückspiegel und bereiten historische Ereignisse auf. Natürlich lassen sich auf Basis der Vergangenheit Parallelen oder Unterschiede zur heutigen Ausgangssituation ableiten und interessante Rückschlüsse ziehen.

Wichtig ist es jedoch, dass auch belastbare Aussagen für die Zukunft getroffen werden.

Denn was nützt Ihnen die Information, wie hoch der Gewinn einer Aktiengesellschaft oder das Bruttoinlandsprodukt vor zwei Jahren ausfiel? Gute Finanznachrichten, die Ihnen bei Anlageentscheidungen helfen wollen, werfen einen Blick nach vorne und untermauern ihre Prognosen mit Annahmen. Ob diese Annahmen mit Ihren Überzeugungen übereinstimmen oder nicht, ist zunächst sekundär. Fehlt jedoch der Blick nach vorne, sparen Sie sich lieber die Zeit.

Tipp: Prüfen Sie, ob der Artikel ausschließlich vergangene Ereignisse aufarbeitet oder auch Prognosen auf Basis von transparenten Annahmen trifft.

4. Unser eigener Stolz macht uns blind

Kämpfen Sie gegen den sogenannten „confirmation bias“ an. Dieser beschreibt das Phänomen, dass wir Informationen, die unsere eigene Meinung bestätigen, bevorzugen und gleichzeitig konträre Standpunkte tendenziell ignorieren. Stellen Sie sich vor, Sie halten Aktien von der Mustermann AG. Lesen Sie lieber positive Neuigkeiten über dieses Unternehmen, die Sie in Ihrer Anlageentscheidung bekräftigen, oder negative Schlagzeilen, die Sie zum Umdenken zwingen?

Auch wenn der „confirmation bias“ ein zutiefst menschliches Verhalten ist, können daraus fatale Anlageentscheidungen folgen.

Ein sehr kostspieliges Beispiel ist der Fall von Wirecard. Trotz zunehmend kritischer Stimmen sowie kräftigen Kurseinbrüchen hielten viele Anleger an ihrem positiven Votum fest und spielten Manipulationsvorwürfe runter. Mit anderen Worten: Unser eigener Stolz macht uns blind.

Tipp: Hinterfragen Sie stets Ihren eigenen Standpunkt und gleichen Sie diesen mit konträren Standpunkten ab.

5. Korrelation impliziert nicht Kausalität

In der Finanzforschung wird sehr viel Aufwand betrieben, Variablen zu finden, die die zukünftige Entwicklung des Aktienmarkts verlässlich vorhersagen.

In Zeiten, wo Daten im Überfluss vorhanden sind, besteht jedoch die Gefahr des sogenannten „overfittings“.

Das bedeutet, dass sich mit Kreativität und Spitzfindigkeit Faktoren finden lassen, die bis zum aktuellen Zeitpunkt sehr eng mit der Entwicklung an den Kapitalmärkten korreliert sind. Allerdings fehlt häufig ein kausaler Zusammenhang. Das wird insbesondere mit Blick nach vorne deutlich („out-of-sample“), wenn die Trefferquote der vermeintlich erklärenden Variable einbricht.

Der Super Bowl und der US-Aktienmarkt

Ein sehr gutes Beispiel ist der Super Bowl Indikator. Die Idee des Indikators ist trivial: Je nach Ausgang des jährlichen Meisterschaftsspiels der National Football League (NFL), entwickelt sich der amerikanische Aktienmarkt positiv oder negativ. Natürlich besitzt der Super Bowl Indikator keine ökonomisch belastbare Vorhersagekraft für den amerikanischen Aktienmarkt. Mit anderen Worten: Korrelation impliziert nicht Kausalität! Lesen Sie mehr dazu in unserem Konjunktur und Strategie Bericht vom 15. Februar 2024 mit dem Titel „Was der Super Bowl mit dem Aktienmarkt (nicht) zu tun hat“.

Auch wenn der Super Bowl Indikator und andere Scheinkorrelationen einen gewissen Unterhaltungswert mit sich bringen, sollten Sie Ihre Anlageentscheidungen nicht darauf ausrichten.

Tipp: Prüfen Sie, ob ein kausaler Zusammenhang besteht oder ob nur eine Scheinkorrelation vorliegt.

Foto von Unsplash von Roman Kraft

Simon Landt

Autor: Simon Landt

Simon Landt hat einen Masterabschluss in Quantitative Finance und in Quantitative Economics an der Universität Kiel erworben und ein Auslandsemester an der School of Economics and Business der Universität Ljubljana absolviert. Nach seinem einjährigen Traineeprogramm startete er seine berufliche Laufbahn als Analyst im Makro Research. Seit Oktober 2021 arbeitet Simon Landt im Private Asset Management von M.M.Warburg & CO zusammen mit Carsten Klude und Dr. Christian Jasperneite. Er ist spezialisiert auf Analysen des aktuellen Marktumfeldes und steuert die fondsgebundenen Vermögensverwaltungsstrategien. Zudem unterrichtet Simon Landt seit 2024 den Masterkurs „Portfolio- und Assetmanagement“ an der Northern Business School.

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