Dividenden sind der bessere Zins
23. Mai 2018Zukunftserwartungen basieren in den wenigsten Fällen auf akkuraten Berechnungen, sondern werden zumeist aus der jüngsten Vergangenheit abgeleitet. Oft sind „adaptive Erwartungen“, bei denen die Prognose anhand des letzten Erfahrungswertes angepasst wird, mangels Kenntnis der Umstände auch die logische und beste Vorgehensweise. Kritisch wird es allerdings dann, wenn sich die Ausgangslage oder der Sachverhalt, dem diese Annahmen zugrunde liegen, so stark verändert haben, dass damit eine Fehlprognose fast zwangsläufig wird.
Renditen der letzten 20 Jahre sind heute bei Anleihen kaum noch möglich
Vor allem für Anleger, die in festverzinsliche Wertpapiere investieren, waren die vergangenen 20 Jahre ein wahres Eldorado. So war es keine große Kunst, eine jährliche Rendite von fünf Prozent und mehr bei vergleichsweise geringer Volatilität zu erreichen. Den Ertragserfordernissen von Stiftungen, Pensionskassen und Versicherungen war von daher fast problemlos Rechnung zu tragen. Wesentlich schlechtere Ergebnisse ließen sich am Rentenmarkt nur dann erzielen, wenn die Duration und damit die Restlaufzeit der investierten Anleihen zu kurz gewählt worden wäre, was aber bei einem sehr langfristigen Investitionshorizont per Definition keinen Sinn gemacht hätte.
Mit diesen Ergebnissen im Hinterkopf und um Risiken in den Portfolios zu vermeiden, haben viele Anleger an ihren strategischen Rentenquoten in den vergangenen Jahren festgehalten. Aktienquoten wurden dagegen nur sporadisch und wenn überhaupt in überschaubarem Ausmaß erhöht, obwohl das Anlegen in Zinsprodukte immer weniger gebracht hat. So war mit gut gerateten europäischen Staats- und Unternehmensanleihen im vergangenen Jahr nur noch eine Durchschnittsrendite von gerade einmal zwei Prozent zu erzielen, während das Ergebnis für US-Anleihen aufgrund der Wechselkursentwicklung sogar negativ ausfiel. Das Risiko, mit der auf Anleihen ausgerichteten, vermeintlich ertragreichen und gleichzeitig risikoarmen Anlagepolitik auf das falsche Pferd zu setzen, wurde von vielen Anlegern unterschätzt. Gleichzeitig waren und sind die Opportunitätskosten entgangener Renditen am Aktienmarkt immens.
Inflation bleibt trotz Wirtschaftsboom und Geldschwemme langfristig niedrig
Derzeit wittern Zinsanleger allerdings mal wieder Morgenluft, da das Renditeniveau zuletzt etwas angestiegen ist. Viele hoffen, dass sich diese Entwicklung fortsetzt, denn gemäß der ökonomischen Theorie sollte ein wirtschaftlicher Aufschwung gepaart mit einer sehr expansiven Geldpolitik früher oder später zu einer steigenden Inflation und damit zu höheren Zinsen führen. Doch entgegen der ersten Intuition gibt es gute Gründe dafür, dass die Inflation trotz Wirtschaftsboom und Geldschwemme langfristig niedrig bleibt. Anders ausgedrückt spricht einiges dafür, dass der langfristige Trend zu immer tieferen Inflationsraten anhält und es nicht zu einer „Mean Reversion“, also nicht zu einer Rückkehr zum langjährigen Durchschnitt kommen wird.
Für Anleger ergeben sich daraus zwei Empfehlungen
- Erstens sollten sie sich weniger Sorgen um steigende Inflationsraten und Hoffnung auf höhere Zinsen machen. Wie lange die Inflation und die Zinsen auf einem äußerst niedrigen Niveau verharren können, zeigt das Beispiel Japans der vergangenen 20 bis 25 Jahre.
- Zweitens sollten sie ihre strategische Asset Allokation überdenken. So liegt die sogenannte Fälligkeitsrendite für europäische Staats- und Unternehmensanleihen aus dem Investmentgradesegment nur noch bei rund einem Prozent. Bei der Fälligkeitsrendite handelt es sich um den jährlichen Ertrag, den eine Anleihe beim heutigen Kauf erzielen würde, wenn die Anleihe bis zur Endfälligkeit gehalten wird sowie eine Rückzahlung zum vollen Nennwert angenommen wird.Wird die Asset Allokation nicht angepasst, muss man dem Kapitalmarktumfeld Tribut zollen, indem man die Ertragserwartungen auf ein realistisches Niveau reduziert. Kann oder will man diesen Schritt nicht gehen, bleibt nichts anderes übrig, als das Portfoliorisiko zu erhöhen.
Können Aktien diese mauen Aussichten der Anleihen kompensieren?
Exakte Renditeerwartungen sind bei Aktien für die kurze Frist aufgrund der möglichen Schwankungen schwieriger zu ermitteln, doch ist die Dividendenrendite einer Aktie für ausschüttungsorientierte Anleger ein guter Orientierungsmaßstab. Sowohl für die 30 DAX-Unternehmen als auch für die 50 Firmen aus dem Stoxx-Index beträgt die Dividendenrendite rund drei Prozent. Ausschlaggebend für diesen Wert ist die robuste Weltkonjunktur, die sich in starken Unternehmensbilanzen widerspiegelt. So haben die 30 größten deutschen Konzerne, die im DAX zusammengefasst sind, im letzten Jahr einen kumulierten Nettogewinn von über 90 Milliarden Euro erwirtschaftet. Das ist der höchste Wert der vergangenen zehn Jahre. Diese Ertragslage erlaubt es den Unternehmen, auch die Ausschüttungen an Aktionäre in Form von Dividenden auf ein Rekordniveau zu heben. Die kumulierten Ausschüttungen erreichen rund 35 Milliarden Euro in der aktuellen Dividendensaison. Die Gewinnbeteiligungen der Aktionäre variieren stark zwischen einzelnen Unternehmen. So wird die Commerzbank beispielsweise gar keine Dividende ausschütten, während der größte Dividendenzahler, die Daimler AG, rund 3,6 Mrd Euro zahlt.
Da sich die globale Wirtschaft in einer anhaltend erfreulichen Verfassung befindet, wird das weltweite Bruttoinlandsprodukt auch in diesem Jahr um rund vier Prozent wachsen. Zwar verzeichnen die aktuellen Konjunkturindikatoren einen moderaten Rückgang, die Konsolidierung findet allerdings auf einem hohen Niveau statt. Aus heutiger Sicht lässt sich noch nicht absehen, ob die aktuelle Diskussion um Zölle und andere Handelsbarrieren nachhaltig negativ auf die Konjunktur wirkt. Dies hängt entscheidend davon ab, ob sich die involvierten Parteien wie zuletzt angedeutet annähern und neue, aber pragmatische Lösungen finden.
Dividenden sind die besseren Zinsen!
Kann ein Handelskrieg vermieden werden, wird die Dividendenrendite europäischer Aktien auch im nächsten Jahr oberhalb der Fälligkeitsrendite der meisten Anleihen liegen. Von daher gilt die Aussage, dass Dividenden die besseren Zinsen sind, weil sie zum einen stetigere, zum anderen aber auch höhere Ausschüttungen erbringen als dies bei Staats- und Unternehmensanleihen zu erwarten ist. Alleine im Stoxx 600 haben elf von neunzehn Sektoren eine Dividendenrendite von mehr als drei Prozent. Die attraktivsten Ausschüttungen weisen dabei der Versicherungssektor (5,0 Prozent), die Branchen Versorger und Telekom (jeweils 4,9 Prozent) sowie die Banken (4,7 Prozent) auf.
Autor: Carsten Klude
Carsten Klude studierte nach seiner Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Deutschen Bank VWL mit Schwerpunkt Ökonometrie in Kiel. 1996 kam er zu M.M.Warburg & CO, für die er zunächst die europäischen Kapitalmärkte analysierte und später mit der Leitung des Makro-Research betraut wurde. Seit dem Jahr 2009 ist Herr Klude Mitglied im Investmentrat von M.M.Warburg & CO und verantwortet seit dem Sommer 2013 das Asset Management der Bank. Zusätzlich ist Herr Klude seit dem Jahr 2010 Mitglied im Ausschuss für Wirtschafts- und Währungspolitik des Bundesverbandes deutscher Banken e.V., dessen Vorsitz er von 2015 bis 2018 inne hatte.
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