
Deutschland nach der Wahl: Was nun?
28. Februar 2025Deutschland hat am Sonntag gewählt und der größte Gewinner der Wahl waren die Demoskopen! So lagen die im Vorfeld der Bundestagswahl veröffentlichten Wahlumfragen nicht weit von den tatsächlichen Ergebnissen entfernt. Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis sieht es so aus, als würde das Land künftig von einer „Großen Koalition“ aus Union und SPD mit einem Bundeskanzler Friedrich Merz regiert.
Die gute Nachricht: Keine Drei-Parteien-Koalition notwendig
Am Wahlabend sah es lange so aus, als müsse eine Dreierkoalition aus CDU/CSU, SPD und Grünen eine neue Regierungsmehrheit bilden. Erst mit dem knappen Scheitern des BSW, dem gut 13.000 Stimmen zum Einzug in den Bundestag fehlten, wurde rechnerisch eine Zwei-Parteien-Koalition möglich. Die Partei von Sahra Wagenknecht prüft zwar noch, ob sie rechtliche Schritte gegen das Ergebnis einleiten wird, aber selbst dann wäre ein Einzug ins Parlament nahezu aussichtslos.

Die Erfahrungen der letzten Bundesregierung haben gezeigt, dass eine Koalition mit drei Parteien, die alle sehr unterschiedliche Ziele und Ideale verfolgen, kaum handlungsfähig ist und die Politikverdrossenheit der Bürgerinnen und Bürger noch verstärkt.
Die gute Nachricht ist daher, dass Deutschland eine Neuauflage einer Dreierkoalition erspart bleibt. Jetzt kommt es darauf an, schnell eine handlungsfähige Regierung zu bilden. Union und SPD verfügen zusammen über 328 von 630 Sitzen im neuen Bundestag – zumindest auf dem Papier ist das eine ordentliche Regierungsmehrheit.
Die schlechte Nachricht: AfD und Die Linke verfügen über eine Sperrminorität
Die schlechte Nachricht des Wahlergebnisses ist, dass AfD und Linke zusammen über eine Sperrminorität im Bundestag verfügen. Grundgesetzänderungen, die z.B. für eine Reform der Schuldenbremse oder für ein neues „Sondervermögen Verteidigung“ notwendig wären und nur mit einer Zweidrittelmehrheit beschlossen werden können, könnten damit von beiden Parteien gemeinsam blockiert werden.

Modernisierung der Bundeswehr erfordert massive Investitionen
Dies könnte erhebliche Auswirkungen auf die künftige Wirtschaftspolitik der neuen Bundesregierung haben. So muss die Wiedererlangung unserer Wettbewerbsfähigkeit oberste Priorität haben, denn ohne Wirtschaftswachstum sind die vielfältigen Herausforderungen, die vor uns liegen, nicht zu finanzieren.
Allein für die Modernisierung der Bundeswehr werden in den kommenden Jahren mehrere hundert Milliarden Euro benötigt.
Verteidigungsausgaben in Höhe von zwei Prozent unserer Wirtschaftsleistung entsprechen Ausgaben von knapp 90 Milliarden Euro pro Jahr. Bei Verteidigungsausgaben von drei Prozent unserer heutigen Wirtschaftsleistung sprechen wir bereits über 130 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Im Bundeshaushalt 2024 sind rund 57 Milliarden Euro für Verteidigung vorgesehen, hinzu kommen 21,5 Milliarden Euro aus dem „Sondervermögen Bundeswehr“.
Woher sollen die notwendigen Mittel in Zukunft kommen?
Um in Deutschland zusätzliche Steuereinnahmen von 10 Milliarden Euro zu erzielen, benötigen wir bei einer unveränderten Steuerquote von 23 Prozent und einem nominalen Bruttoinlandsprodukt von 4.300 Milliarden Euro ein zusätzliches Wirtschaftswachstum von rund einem Prozent. Für 100 Milliarden Euro sind also 10 Prozent mehr Wachstum nötig, für 200 Milliarden Euro 20 Prozent. Diese Zahlen zeigen, dass es illusorisch ist, diese notwendigen Ausgaben ohne höhere Verschuldung finanzieren zu können. Unsere innere und äußere Sicherheit sollten wir nicht aus fiskalischen Gründen aufs Spiel setzen, das kann sich später rächen.
„Whatever it takes“ notwendig
Um die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu verbessern, müssen zudem die Unternehmenssteuern um mindestens fünf, besser zehn Prozentpunkte gesenkt werden; ähnliches gilt für die Einkommensteuer von Personengesellschaften und Einzelunternehmen. Steuersenkungen führen allerdings zu nicht unerheblichen Einnahmeausfällen.
Ausgabenkürzungen sind bei einem Bundeshaushalt von rund 500 Mrd. Euro zwar möglich, aber bei den meisten Politikern ebenfalls unpopulär.
Den Löwenanteil der Bundesausgaben machen mit über 200 Milliarden Euro die Sozialausgaben aus, zu denen beispielsweise auch die Bundeszuschüsse an die Rentenversicherung gehören. Bei möglichen Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD dürften die Sozialdemokraten hier wenig Sparbereitschaft zeigen.
Die Schuldenbremse muss reformiert werden um die zusätzlichen Schulden zu bewältigen
Etwas mehr Bewegung könnte es beim zweitgrößten Ausgabenblock mit über 125 Milliarden Euro geben, den Finanzhilfen des Bundes. Hier sind diverse unnötige Subventionen enthalten. Auch wenn es hier durchaus Einsparpotenziale gibt, dürften diese nicht ausreichen, um die notwendigen Mehrausgaben vollständig gegenzufinanzieren. Höhere Schulden sind daher die unausweichliche Folge.
Eine Modifikation der Schuldenbremse ist daher die notwendige Konsequenz, da die derzeitige Regelung nur eine geringe strukturelle Nettokreditaufnahme von 0,35 Prozent des nominalen Bruttoinlandsprodukts (entspricht derzeit rund 15 Milliarden Euro) pro Jahr zulässt.
Eine sinnvolle Anpassung wäre beispielsweise, die zulässige strukturelle Neuverschuldung an den Schuldenstand zu koppeln. So hat die Bundesbank vorgeschlagen, die Kreditobergrenze auf 1,0 Prozent des BIP anzuheben, wenn die Schuldenquote unter dem Maastricht-Kriterium von 60 Prozent des BIP liegt. Bei einer Schuldenstandsquote zwischen 60 und 90 Prozent des BIP könnte die strukturelle Neuverschuldung 0,5 Prozent des BIP betragen und erst bei einer Schuldenstandsquote von mehr als 90 Prozent würde die bisherige Obergrenze von 0,35 Prozent greifen.
Gleichzeitig muss aber sichergestellt werden, dass die zusätzlichen Schulden nicht für konsumtive, sondern für investive Zwecke verwendet werden.
Für eine Reform der Schuldenbremse ist allerdings wie bereits erwähnt, eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag erforderlich, die nach der Bundestagswahl nicht mehr gegeben ist.
Deutschland muss Handeln
Theoretisch könnte der Bundestag mit einfacher Mehrheit den „nationalen Notstand“ ausrufen und damit die Schuldenbremse außer Kraft setzen. Allerdings dürfte das Bundesverfassungsgericht einen solchen Beschluss des Bundestages mit Verweis auf nicht ausgeschöpfte Einspar- oder Umschichtungsmöglichkeiten im laufenden Bundeshaushalt für nichtig erklären.
Der finanzpolitische Spielraum der neuen Bundesregierung ist damit sehr gering.
Daher wird derzeit darüber spekuliert, ob noch von der alten Regierung mit Unterstützung der Union eine Anpassung der Schuldengrenze oder gar eine Aufstockung des „Sondervermögens Bundeswehr“ um bis zu 200 Mrd. Euro beschlossen werden könnte. Das scheint aber eher unwahrscheinlich und zeigt, wie kompliziert die Gemengelage bei uns ist. Was Deutschland jetzt bräuchte, wäre ein „Whatever it takes“-Moment und eine mutige Entscheidung, wie sie Mario Draghi von der Europäischen Zentralbank im Juli 2012 getroffen hat. „Und glauben Sie mir, es wird reichen.“ Doch einen Draghi gibt es in der deutschen Politik leider nicht.
Was bedeutet der Wahlausgang für den DAX?
Der DAX reagierte mit leichten Kursgewinnen auf die Bundestagswahl. Grund dafür ist das auf den ersten Blick klare Wahlergebnis und die sich abzeichnende Zwei-Parteien-Koalition. Entscheidend für die weitere Kursentwicklung wird jedoch sein, ob sich die wirtschaftliche Situation in Deutschland mit einer neuen Regierung zum Besseren wenden kann.
Niedrigere Steuern und Abgaben, niedrigere Energiepreise sowie eine rasche Deregulierung und Entbürokratisierung der Wirtschaft sollten oberste Priorität haben.
Zumal weitere Konflikte mit US-Präsident Trump, dem das Schicksal Europas weitgehend gleichgültig ist, vorprogrammiert sind. Sollte es Friedrich Merz nicht gelingen, die seit zwei Jahren anhaltende Rezession umzukehren, den scheinbar unaufhaltsamen Zustrom von Asylbewerbern ins Land zu begrenzen und eine europäische Antwort auf die Herausforderungen der neuen US-Regierung zu finden, könnte die AfD spätestens 2029 die nächsten Wahlen gewinnen falls die nächste Regierung nicht wie ihre Vorgängerin schon vorher zerbricht.
Ausländische Investoren begrüßen klares Wahlergebnis in Deutschland
Vor allem ausländische Investoren honorieren, dass es ein klares Wahlergebnis gab, das die Regierungsbildung relativ einfach machen sollte und dass klar ist, aus welcher Koalition die neue Regierung bestehen wird. Nun hofft man, dass eine „Große Koalition“ die Entscheidungsfindung beschleunigt, weil sich nur zwei Parteien einigen müssen. Aber auch das wird aus unserer Sicht schwierig genug, weil Union und SPD ihren Wählerinnen und Wählern Dinge versprochen haben, die nicht wirklich miteinander vereinbar sind. Die wirklichen Schwierigkeiten stehen der Politik noch bevor, und die Tücke liegt wie so oft im Detail.
Die Euphorie für deutsche Aktien teilen wir daher nicht uneingeschränkt.
So wird die weitere konjunkturelle Entwicklung darüber entscheiden, wie es mit deutschen Aktien in den kommenden Monaten weitergeht. Glaubt man den Unternehmensanalysten, so werden die Gewinne der DAX-Unternehmen in diesem Jahr um rund acht Prozent gegenüber dem Vorjahr steigen, nachdem sie 2024 noch rückläufig waren. Angesichts der konjunkturellen und strukturellen Schwäche der Wirtschaft in Deutschland, im übrigen Europa sowie in China scheinen die Hoffnungen also vor allem auf einer guten Konjunkturentwicklung in den USA zu liegen. Die von Donald Trump angekündigten Zölle könnten dieser Annahme jedoch einen Strich durch die Rechnung machen. Aus diesem Grund teilen wir den Optimismus für die Gewinne aus makroökonomischen Überlegungen nicht.

Denn wie die obige Tabelle zeigt, sollen vor allem Unternehmen aus sehr zyklischen Branchen wie der Automobil- oder Chemieindustrie eine Trendwende bei den Gewinnen in diesem Jahr schaffen. Ob dies gelingt, ist mehr als fraglich.
Aus diesem Grund halten wir die USA für Aktienanleger weiterhin für attraktiver.
Das Argument, US-Aktien seien im Vergleich zu deutschen zu teuer, relativiert sich, wenn man bedenkt, dass nur wenige US-Technologieaktien sehr hoch bewertet sind und das aus gutem Grund, denn sie haben bisher Quartal für Quartal solide Gewinne erwirtschaftet. Der gleichgewichtete S&P 500 ist dagegen nicht teurer als im Durchschnitt der letzten gut 20 Jahre und günstiger bewertet als der DAX!

Bild von Unsplash von Tim Simon

Autor: Carsten Klude
Carsten Klude studierte nach seiner Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Deutschen Bank VWL mit Schwerpunkt Ökonometrie in Kiel. 1996 kam er zu M.M.Warburg & CO, für die er zunächst die europäischen Kapitalmärkte analysierte und später mit der Leitung des Makro-Research betraut wurde. Seit dem Jahr 2009 ist Herr Klude Mitglied im Investmentrat von M.M.Warburg & CO und verantwortet seit dem Sommer 2013 das Asset Management der Bank. Zusätzlich ist Herr Klude seit dem Jahr 2010 Mitglied im Ausschuss für Wirtschafts- und Währungspolitik des Bundesverbandes deutscher Banken e.V., dessen Vorsitz er von 2015 bis 2018 inne hatte.
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