Der neue Dax 40: Das ändert sich jetzt im deutschen Leitindex

Die Deutsche Börse wird die neuen Indexmitglieder für den DAX, heute, am 3. September erstmals publizieren und am 20. September dann auf den „frisch renovierten DAX“ umstellen. Wir haben uns das von 30 auf 40 Unternehmen erweiterte Indexportfolio schon einmal näher angeschaut. Unsere Erkenntnisse und Schlüsse.

Selbst Menschen, die sonst kein großes Interesse an Kapitalmärkten haben, wissen in den meisten Fällen, dass der DAX nicht ein orthografisch verunglücktes Tier ist, sondern der wichtigste deutsche Aktienindex. Auch wenn der DAX heute mehr oder weniger omnipräsent ist, so ist er vor allem im Vergleich zu US-amerikanischen Aktienindizes doch vergleichsweise jung.

Was ist der DAX?

Der DAX hat erst am 1.7.1988 das Licht der Welt erblickt, während der Dow Jones schon 1884 gestartet ist und der heute wichtigere S&P 500 in seiner jetzigen Form seit 1957 das Börsengeschehen prägt. Europa ist hier generell ein Spätstarter; auch die wichtigsten Aktienindizes in Großbritannien, in Frankreich und in der Schweiz haben wie der DAX ihren Ursprung in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts.

Der DAX ist wiederum nur das Oberhaupt einer umfassenden, von der Deutschen Börse entwickelten, Indexfamilie, die den gesamten deutschen Aktienmarkt abbildet und sich dabei in unterschiedliche Segmente aufgliedert, die sich primär an der Größe (hinsichtlich der Marktkapitalisierung und des Orderbuchumsatzes) der Unternehmen orientieren.

Der DAX, der bisher die 30 größten Blue Chips des deutschen Aktienmarktes erfasst, wird gefolgt vom MDAX, ein Mid-Cap-Index aus 60 Aktien zur Abbildung des deutschen Mittelstandes. Der SDAX ist wiederum ein Auswahlindex für 70 kleinere Unternehmen, den sogenannten Small-Caps. Daneben existiert der TecDAX, in dem die 30 größten deutschen Technologiewerte zusammengefasst sind.

Aber wozu braucht man eigentlich Aktienindizes?

Aktienindizes erfüllen heute gleiche mehrere Funktionen. So ermöglichen sie es, auf einen Blick das Marktgeschehen in eine einzige Kennzahl zu fassen und Marktteilnehmern einen Überblick über die Wertentwicklung eines Marktes zu geben. Gleichzeitig dienen Indizes als Vergleichsmaßstab, auch Benchmark genannt, mit deren Hilfe sich die Leistung von Portfolios und Fondsmanagern messen lässt. Darüber hinaus erfüllen Aktienindizes auch operative Funktionen, indem sie als Basisinstrument bzw. Referenzwert für Finanzprodukte dienen.

Das weltweit in ETFs investierte Vermögen, die Indizes in ihren Portfolios nachbilden, belief sich laut Statista Research Department Ende 2020 auf gigantische 7,737 Billionen US-Dollar. Daneben existieren Index-Derivate, die in erster Linie von institutionellen Investoren genutzt werden, um Marktpositionen schnell und kostengünstig aufzubauen oder durch Verkauf ganze Märkte und Portfolios abzusichern.

So gesehen kann es nicht überraschen, dass Indizes an den Finanzmärkten nicht mehr wegzudenken sind. Und gerade weil Indizes eine so zentrale Bedeutung aufweisen, ist es umso wichtiger, dass sie ihre Rolle bestmöglich erfüllen. Das setzt insbesondere voraus, dass Indizes in ihrer Struktur hinreichend repräsentativ für den Markt sind, den sie beschreiben sollen. Und hier ist der DAX zuletzt ein wenig ins Hintertreffen …

Weshalb die Deutsche Börse in Kritik geriet: Wirecard-Skandal 2020

Hauptauslöser war der Skandal um die Pleite des Zahlungsdienstleisters Wirecard, der mit gefälschten Bilanzen die Mitgliedschaft im DAX zunächst behaupten konnte, Ende Juni 2020 aber Insolvenz anmelden musste. Trotzdem blieb die Aktie von Wirecard bis Ende August 2020 im DAX, bevor sie dann von Delivery Hero ersetzt wurde, ein Unternehmen das bis dato noch kein Geld verdient hatte.

Deutsche Börse passte ihr Regelwerk an

Um diese Vorfälle in Zukunft zu vermeiden, hat die Deutsche Börse ihr Regelwerk grundlegend überarbeitet. Um zu gewährleisten, dass nur noch nachweislich profitable Unternehmen zugelassen werden, müssen bereits seit Dezember vergangenen Jahres Indexanwärter folgende Bedingungen erfüllen:

  • vor der Aufnahme in den DAX mindestens zwei Jahre hintereinander einen operativen Gewinn (EBITDA) erwirtschaftet haben.
  • Außerdem sind alle DAX-Mitglieder bereits seit März 2021 dazu verpflichtet, Quartalsmitteilungen und testierte Geschäftsberichte zu veröffentlichen, und zwar spätestens 90 Tage nach Ende des Geschäftsjahres. Die Frist kann einmalig um 30 Tage verlängert werden. Sofern nach Ablauf keine Geschäftszahlenvorliegen, erfolgt unmittelbar der Indexausschluss. Zudem wird ein Prüfungsausschuss im Aufsichtsrat für alle Mitglieder Pflicht.
  • Die bedeutendste Änderung ist aber die Erweiterung der Anzahl der Indextitel von bisher 30 auf nun 40 Werte. Hintergrund für die Erhöhung der Indexanzahl im DAX ist, dass dieser über eine Konzentration auf Aktien aus der „Old Economy“ und der zu geringen Berücksichtigung von Unternehmen aus den Bereichen Internet und Gesundheit im wahrsten Sinne des Wortes „überaltert“ anmutet.

Indem gerade dynamisch wachsende Unternehmen nur schwer in den auserwählten Kreis der Indexkandidaten aufsteigen können, wird die ganze Breite der deutschen Volkswirtschaft und des deutschen Aktienmarktes nur noch unzureichend beschrieben. Dies macht den DAX, Kritikern zufolge, anfälliger für Kursschwankungen.

Der große Anteil an Industriewerten begründet zudem eine höhere Konjunktursensibilität. Die Aufstockung der Anzahl der Indexaktien soll dem Entgegenwirken und für ein diversifizierteres Indexportfolio sorgen. Um stark wachsenden Unternehmen eine schnellere Chance zum Indexeintritt zu ermöglichen und dabei gleichzeitig die Indexrichtlinien zu erleichtern sowie transparenter zu gestalten, stellt die Deutsche Börse in Zukunft bei der Identifikation von Aufnahme- und Austauschkandidaten nur noch auf die Rangordnung des sich im Umlauf befindlichen Streubesitzes der Unternehmen (Free-Float Marktkapitalisierung) ab.

Die reguläre Überprüfung erfolgt nicht mehr wie bisher nur einmal pro Jahr, sondern zweimal in den Monaten März und September. Daneben gibt es „Fast-Entry“ und „Fast-Exit“ Regeln, die einmal pro Quartal überprüft werden und auf der Basis der Rangordnung nach dem Streubesitz rein regelgebunden zu einem Austausch von Indexunternehmen führen.


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„Charaktereigenschaften“ des Index verändern sich mit der Aufnahme von 10 weiteren Titeln

Die finale Auswahl der Aktien gibt die Deutsche Börse erst am 3. September bekannt, um dann diese ab dem 20. September in der neuen Indexstruktur zu berücksichtigen. Wir haben aber, basierend auf der aktuellen Rangordnung des Streubesitzes, das mögliche Indexportfolio schon einmal überprüft und seine Eigenschaften mit dem des DAX 30 verglichen.

Diese Liste der Indexkandidaten und ihr indikatives Indexgewicht im neuen DAX 40 kann man der Tabelle auf der Folgeseite entnehmen. Hinsichtlich des fundamentalen Profils zeigt sich, dass der DAX 40 etwas weniger Value-lastig ist, mithin über höhere Bewertungskennzahlen, wie z.B. einem höheren Kurs-Gewinn-Verhältnis, verfügt und damit etwas teurer ist. Im gleichen Zuge erhöht sich aber auch etwas die Profitabilität und Bilanzqualität des neuen Indexportfolios.

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Die historische Rendite des DAX 40 wäre ebenfalls etwas höher als die des DAX 30 gewesen. Erwartungsgemäß verbessern sich auch die Risikoeigenschaften über die höhere Diversifikation, wobei sich dies sowohl in den über die Volatilität beschriebenen Schwankungskennzahlen als auch in den Verlustrisiken äußert.

Bei der Überprüfung der Anfälligkeit gegenüber einem Stressszenario, bei dem wir die Portfoliostruktur gegenüber einem massiven Rückgang der Renditen von Bundesanleihen gestresst haben, konnten wir ebenfalls etwas geringere Verluste beobachten.

In der Gesamtheit muss man aber festhalten, dass die Veränderungen derart geringfügig sind, dass sie schon eher akademischer Natur sind.

Verwundert uns diese Beobachtung?

Nicht wirklich, denn tatsächlich machen die zehn neuen Indexwerte lediglich 14,26% des Index aus, wobei allein Airbus als größter Aufnahmekandidat ein Gewicht von 5,12% auf sich vereint. Damit besteht eine klare Dominanz der alten Indexwerte. Mit anderen Worten: Der Kern des DAX bleibt erhalten und wird lediglich mit neuen Indexkandidaten angereichert.

Trotz der eher kosmetischen Veränderung der Eigenschaften des DAX sind wir der Meinung, dass die Änderungen durchweg sinnvoll sind und die Attraktivität des DAX als Messlatte für die Wertentwicklung deutscher Aktien und Basisinstrument für Finanzprodukte weiter steigern werden. Dazu tragen insbesondere die neuen Indexregeln bei, die eine schnellere Anpassung der Indexzusammensetzung ermöglichen und über Anforderungen an den Gewinn und Ausschlussregeln für eine höhere Qualität des Indexportfolios sorgen.

Wann könnte das "Tapering" beginnen?

Steht das „Tapering“ in den USA, also die Reduzierung der Anleihenkäufe, kurz bevor? Mit welchem Tempo? Und was bedeutet dies für die Kapitalmärkte –…

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Autor: Dr. Ralf Budinsky

Dr. Ralf Budinsky ist promovierter Wirtschaftsmathematiker und verfügt seit 1993 über Kapitalmarkterfahrung. Im Jahre 2001 trat er der Warburg Gruppe bei, wo er langjähriger Leiter der Abteilungen Quantitatives Research und Portfoliomanagement war. Darüber hinaus war er als Relationship Manager mehrere Jahre für die Betreuung institutioneller Kunden zuständig. In seiner aktuellen Position als Leiter Produktentwicklung zeichnet sich Herr Dr. Budinsky für die Entwicklung von neuen Finanzprodukten und Strategien im Bereich liquider Wertpapieranlagen verantwortlich.

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