Coronavirus: Hat der Aktienmarkt rational gehandelt?
23. März 2020Die Aktienmärkte haben sich seit dem Ausbruch des Corona-Virus sehr heterogen entwickelt. Wir haben die einzelnen Sektoren analysiert. Welche Branchen von der aktuellen Corona-Pandemie profitieren und welche unmittelbar unter dieser Krise leiden.
Die heterogene Entwicklung der Aktienmärkte gilt sowohl für die Länderebene als auch für die sektorale Ebene. Eine einfache Möglichkeit, dies genauer zu analysieren, bestünde in der Auswertung von Länder- und Sektorindizes. Was auf den ersten Blick sinnvoll erscheint, hat jedoch einen Haken. Länderindizes sind durch die Gewichtung von Aktien entsprechend ihrer Marktkapitalisierung oftmals durch sehr wenige Einzelwerte oder Sektoren geprägt und dementsprechend verzerrt. Und auf Sektorebene existieren keine globalen Indizes auf der Ebene von Industriegruppen, so dass zumindest keine „granularen“ Aussagen getroffen werden können, sondern nur allgemeine Aussagen.
Wir haben das Problem dadurch gelöst, indem wir für die 5000 größten Unternehmen weltweit ihre Wertentwicklung in der Corona-Krise ausgewertet und ihnen sowohl Ländern als auch Industriegruppen zugeordnet haben. Dabei haben wir bewusst alle Aktien gleichgewichtet, da so Sondereffekte und Verzerrungen vermieden werden. Schließlich findet eine Informationsverarbeitung überall statt, und nicht nur bei den sehr großen Unternehmen, die die Indizes dominieren.
Bringt man mit dieser Methode die Länder hinsichtlich ihrer Corona-Empfindlichkeit in eine Rangreihenfolge, so zeigt sich Erstaunliches.
So zeigt die Tabelle, dass nicht etwa – wie in Krisen sonst üblich – die USA der sichere Hafen sind, sondern eher diktatorische, autokratische oder sehr effizient und extrem gut organisierte westliche Demokratien (je weiter oben ein Land in der Tabelle aufgeführt ist, umso weniger war es bisher am Aktienmarkt von der Corona-Krise betroffen).
Dabei sollte man nicht zu sehr auf den Rangplatz eines Landes schauen, denn je nach Auswertungsmethode existieren hier im Ergebnis gewisse Graubereiche und Unschärfen. Trotzdem scheint uns der Aktienmarkt etwas sagen zu wollen, und die Botschaft ist vergleichsweise klar:
Diese Krise kann besser beherrscht werden, wenn Staaten handlungsfähig und handlungswillig sind und einen klaren Plan haben.
Dabei gibt es nicht den einen perfekten Plan, der funktioniert. China und Südkorea sind teilweise sehr unterschiedliche Wege gegangen und sind doch beide erfolgreich, wenn es um die Eindämmung von Neuinfektionen geht.
Coronavirus: Eindämmung von Neuinfektionen, hier gibt es einen Knackpunkt
Wenn in ca. zwei Monaten die ersten Länder versuchen, zur Normalität zurückzukehren, muss mit nahezu militärischer Präzision darauf geachtet werden, dass eine infizierte Person im Durchschnitt weniger als eine Person ansteckt. Erst dann wird eine solche Krise beherrschbar, bis es dann in vielleicht zwölf Monaten einen Impfstoff gibt. Das ist machbar, bedarf aber eines beherzt handelnden Staates.
Gerade Länder in der Dritten Welt, denen das überhaupt nicht gelingt, droht eine Katastrophe. Es muss immer wieder klar sein, dass die Sterblichkeit in einem dysfunktionalen Gesundheitssystem bei diesem Virus bei 3% – 4% liegt.
Das ist das 30- bis 40fache der Sterblichkeit bei einer Grippe.
Wer diese Entwicklung immer noch auf die leichte Schulter nimmt, hat nicht im Ansatz verstanden, was sich hier nicht nur für die Weltwirtschaft, sondern auch gerade für arme Länder zusammenbraut.
Branchen
Sektorale Perspektive: Bewegungen am Aktienmarkt sind deshalb interessant
Es haben sich genau die Branchen gut entwickelt, die entweder direkt von dieser Situation profitieren (Pharma und Gesundheit, Lebensmittel, Telekom und – so makaber es sein mag – auch Beerdigungsunternehmen) oder aber von dieser Krise weitgehend unabhängig sind (Tabak, Wasser etc.).
Extrem schlecht haben dagegen die Sektoren abgeschnitten, die entweder unmittelbar unter dieser Krise leiden (Reise, Freizeit, Fluggesellschaften, Kasinos etc.) oder aber von einer sehr scharfen Rezession betroffen sind (Autos, Baugewerbe, Öl, Anlagenbau).
Auch bewertungstechnisch konnten wir schon vor einige Tagen zeigen, dass der bisherige Rückgang fundamental nachvollziehbar ist und eher keine Übertreibung nach unten darstellt.
Die oben stehenden Industriegruppen wären übrigens genau die Bereiche, die bei einem absehbaren Ende der Krise ein extrem großes Performancepotenzial aufweisen.
Aber noch ist es nicht so weit. Es wird vermutlich noch etwas dauern, bevor man das ganze Ausmaß der Krise überblicken und fundamental begründete Schlüsse daraus ziehen kann. Bis dahin ist noch Vorsicht geboten!
Autor: Dr. Christian Jasperneite
Dr. Christian Jasperneite studierte an der Universität Passau VWL und promovierte anschließend an der Universität Passau am Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik. Nach einem Forschungsaufenthalt an der Harvard University begann er im Jahr 2000 als Analyst im Makro-Research von M.M.Warburg & CO. Seit Anfang 2009 ist Dr. Jasperneite Chief Investment Officer bei M.M.Warburg & CO und verantwortet dort u.a. Fragen der strategischen und taktischen Allokation sowie der Portfoliokonstruktion und der Produktentwicklung.
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