Corona-Krise: Eldorado für aktive Manager?

Die letzten Monate werden unzweifelhaft in die Lehrbücher der Kapitalmarktgeschichte Einzug halten. Erst fielen große Aktienindizes im Rekordtempo um bis zu 35 %, um dann ebenfalls im Rekordtempo einen nicht unerheblichen Teil der Verluste wieder aufzuholen. Noch deutlich turbulenter verlief die Entwicklung der einzelnen Aktien. Während sich in „normalen Zeiten“ Aktien und Sektoren nicht selten wie ein homogener Schwarm von Fischen bewegen, entstand im Kontext der Corona-Krise ein extremes „Eigenleben“, gepaart mit einer hohen Diffusion in der Kursentwicklung. Ist das ein perfektes Umfeld für aktive Manager?

Perfektes Umfeld für aktive Manager?

Dies zeigt bereits ein erster Blick auf die Wertentwicklung der Sektoren in Europa und in den USA. So entwickelten sich beispielsweise wenig überraschend Aktien aus dem Pharma- und Gesundheitssektor in beiden Regionen substanziell besser als Energiewerte.

Auf den ersten Blick erscheint dies als perfektes Umfeld für aktive Manager, die nicht auf eine Abbildung von Benchmarks abstellen, sondern gerade gezielte Abweichungen von der Benchmark im Portfolio anstreben.

Trotzdem ist zu beobachten, dass es in dieser Marktphase nicht einfach war, die Benchmark zu schlagen, obwohl doch die Divergenz der Wertentwicklung zwischen vielen Wertpapieren und Sektoren wie eine Steilvorlage für aktive Manager wirken müsste.

Was können mögliche Gründe sein?

Damit setzt sich in gewisser Weise der Trend des letzten Jahres fort, in dem es empirisch nachweisbar ebenfalls vielen Asset Managern schwer gefallen ist, die Benchmark zu schlagen. Vordergründig ließe sich argumentieren, dass dies das Ergebnis einer gestiegenen Effizienz des Marktes sein könnte. Doch hier macht man es sich vermutlich etwas zu einfach.

Warum sollte die Effizienz des Marktes ausgerechnet in den letzten Quartalen gestiegen sein?

Vermutlich ist die Wahrheit etwas komplexer. Wir haben vielmehr den Eindruck, dass  die derzeitige Schwierigkeit, Indizes zu schlagen, in der Konstruktion marktkapitalisierungsgewichteter Indizes begründet liegt. Bei den marktgängigen Indizes werden Aktien analog zu ihrem Börsenwert gewichtet.

Das kann dazu führen, dass sehr wenige Aktien einen signifikanten Einfluss auf die Wertentwicklung von Indizes haben.

Und genau das ist im Moment in besonderem Maße der Fall.

Aktuell eine schwierige Aufgabe den Index zu schlagen

Solange sich alle Aktien in etwa gleich gut oder gleich schlecht entwickeln, ist das zunächst nicht sonderlich spannend. In dem Moment aber, wo die dominierenden Aktien eine substantiell bessere Wertentwicklung als der Rest aufweisen, steigt der Konzentrationsgrad im Index weiter und die Aufgabe eines aktiven Managers, den Index zu schlagen, wird nicht gerade leichter.

Denn dann kann ein aktives Portfolio nur noch die Benchmark schlagen, wenn die dominierenden Aktien im Portfolio in noch stärkerem Maße als im Index gewichtet sind.

Unter Diversifikationsgesichtspunkten ist das nur selten eine gute Idee.

Daher nehmen vernünftige Portfoliomanager davon i.d.R. Abstand. Der Preis, den sie dafür zahlen, besteht aber darin, dass es schwer wird, im aktuellen Umfeld die Benchmark zu schlagen.

Welcher Sachverhalt liegt derzeit vor?

Betrachtet man beispielsweise isoliert nur die größten Aktien, die zusammen 20 % des Index ausmachen, ist deren Wertentwicklung seit Jahresanfang sowohl in Europa als auch in den USA substanziell besser gewesen als bei den anderen Kohorten kleinerer Aktien. Besonders frappierend ist diese Entwicklung in den USA gewesen, wo die größten  20 % der Indexaktien aus dem S&P 500 seit Anfang des Jahres nahezu nichts verloren haben, während die kleinsten Aktien, die zusammen ebenfalls 20 % Indexgewicht ausmachen, ziemlich exakt einen 40 %-Einbruch verzeichnen mussten.

Dabei waren per Jahresanfang in Europa lediglich 12 Aktien und im S&P 500 7 Aktien erforderlich, um jeweils 20 % der Marktkapitalisierung der Indizes zu beschreiben.

Es ist ein ambitioniertes Unterfangen

Jeder Versuch, als aktiver Manager den Aktienmarkt breit und diversifiziert abzubilden und nicht extremste Wetten auf die wenigen sehr großen Unternehmen abzuschließen, ist daher in solchen Marktphasen aus Performancesicht ein ambitioniertes Unterfangen. Um fair zu bleiben muss gesagt werden, dass auch in solchen Marktphasen mit einem breit diversifizierten, aktiven Portfolio die Möglichkeit besteht, den Markt zu schlagen – es ist einfach nur extrem schwer.

Ist das nun ein weiterer Sargnagel für das aktive Management?

Wir denken nicht, denn es gibt Hoffnung. Verkürzt man den Betrachtungszeitraum auf die Erholungsphase seit dem 23.3., sieht das Bild in Europa (und auch in den USA) anders aus.

Zum ersten Mal seit langer Zeit sind nicht mehr die ganz großen Unternehmen die wesentlichen Performancetreiber.

So dass jetzt ein Stockpicking über die ganze Breite des Marktes lohnend erscheint. Aktive Portfoliomanager sollten daher gerade jetzt nicht resignieren, sondern die sich bietende Diffusion in der Wertentwicklung einzelner Aktien und Sektoren profitabel nutzen.

Kommt nun die generelle Trendwende?

Ob das nun die generelle Trendwende ist, auf die alle gewartet haben, wird sich zeigen. Fakt ist aber, dass zunächst der Bann gebrochen scheint, wonach nur die ganz großen Unternehmen zu den Siegeraktien gehören.

Aus Bewertungssicht lag diese Entwicklung schon länger in der Luft.

Auch wenn die langfristigen unternehmerischen Aussichten der sehr großen Unternehmen in den meisten Fällen als sehr gut bezeichnet werden können, erscheinen die damit einher gehenden Bewertungen angesichts einer drohenden Rezession teilweise komplett absurd. Und es darf nicht vergessen werden, dass es in den letzten Jahrzehnten eher die kleinen Unternehmen waren, die aufgrund ihrer Anpassungsfähigkeit und Flexibilität den Markt geschlagen und damit auch aktiven Asset Managern die Chance auf eine Outperformance ermöglicht haben.

Sollte sich dieser Trend wieder etablieren, stehen sogar wieder goldene Jahre für aktive Investoren bevor.

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Christian Jasperneite

Autor: Dr. Christian Jasperneite

Dr. Christian Jasperneite studierte an der Universität Passau VWL und promovierte anschließend an der Universität Passau am Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik. Nach einem Forschungsaufenthalt an der Harvard University begann er im Jahr 2000 als Analyst im Makro-Research von M.M.Warburg & CO. Seit Anfang 2009 ist Dr. Jasperneite Chief Investment Officer bei M.M.Warburg & CO und verantwortet dort u.a. Fragen der strategischen und taktischen Allokation sowie der Portfoliokonstruktion und der Produktentwicklung.

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