
Bitcoin verstehen (Teil II/II): Der Wert von Bitcoin
7. Februar 2025Rückblickend betrachtet ist es der Traum eines jeden Anlegers, an der Wertentwicklung von Bitcoin teilzuhaben.
Von seinem ersten dokumentierten Preis von 0,06 US-Dollar im Jahr 2010 bis zu seinem Allzeithoch verzeichnete Bitcoin eine beeindruckende Wertsteigerung von etwa 1,8 Millionen US-Dollar . Anders ausgedrückt:
Eine Investition von 100 US-Dollar hätte sich zwischenzeitlich auf 1,8 Millionen US-Dollar vervielfacht.
Nachdem wir uns im ersten Teil der Technologie hinter Bitcoin gewidmet haben, wollen wir uns im zweiten und letzten Teil unserer Bitcoin-Miniserie der Frage widmen, ob und wie sich aus finanztheoretischer Sicht diese beispiellose Wertentwicklung erklären und bewerten lässt und welche Portfolioeigenschaften Bitcoin hat.
Nutzung und Vorteile von Bitcoin
Mit der wachsenden Popularität von Bitcoin nehmen auch die Diskussionen und kontroversen Meinungen an den Finanzmärkten zu. Schließlich handelt es sich bei Bitcoin im Kern um eine digitale Protokolltechnologie, die es ermöglicht, Werteinheiten direkt und ohne Intermediär weltweit zu transferieren. Während Befürworter auf die Eigenschaften von Bitcoin als sicheres, dezentrales und knappes digitales Gut verweisen, gibt es auch prominente Kritiker, die den intrinsischen Wert in Frage stellen.
Auch wenn sich der ursprüngliche Zweck von Bitcoin als Zahlungsmittel nicht durchgesetzt hat, wird es zunehmend als Investitionsobjekt betrachtet.
Doch während Bitcoin für Nationen mit stabilen Währungssystemen weniger eine Rolle spielt, ist es für Akteure in Ländern mit dysfunktionalen Währungssystemen wie Nigeria, Venezuela und Zimbabwe eine probate Alternative, um sich z.B. gegen Krisen, Hyperinflation, innerpolitische Instabilität und Zensur abzusichern und so ihr Vermögen zu schützen. Bitcoin als offizielles Zahlungsmittel wurde beispielsweise in El Salvador eingeführt, konnte sich aber nicht in der breiten Masse durchsetzen und wird derzeit nur von etwa drei Prozent der Bevölkerung im Alltag genutzt. Bitcoin wird in erster Linie als Anlage- und Wertaufbewahrungsobjekt genutzt und entwickelt sich von einem Nischenbereich zu einem ernstzunehmenden Bestandteil bei institutionellen Anlegern und Banken.
Wie lässt sich der Wert von Bitcoin erklären?
Die Herausforderung bei der Bewertung von Bitcoin
Während die Preise von Aktien und Anleihen stark vereinfacht auf dem Barwert der erwarteten zukünftigen Cashflows beruhen, lässt sich der aktuelle Preis von Bitcoin nicht mit den gleichen Modellen erklären.
Bitcoin ist nicht durch hinterlegte Sicherheiten gedeckt, und das Halten der Kryptowährung ist mit keinerlei Erträgen – wie etwa Zinszahlungen bei Anleihen oder Dividenden bei Aktien – verbunden.
Deshalb ist es schwierig zu bestimmen, wo der faire Wert einer Kryptowährung liegt und welche Kriterien und Faktoren für eine Bewertung herangezogen werden können. Aus diesem Grund müssen andere preisbeeinflussende Faktoren identifiziert werden.
Bewertungsansatz durch Angebotsfaktoren
Der erste Ansatzpunkt ist die Betrachtung der Angebotsseite. Diese wird durch die Produktionskosten und die Knappheit von Bitcoin bestimmt. Dabei lassen sich die Produktionskosten in die Komponenten Energie- und Hardwarekosten unterteilen. In Kombination mit dem inhärenten Belohnungssystem von Bitcoin ergibt sich ein zunehmender Energie- und Hardwarebedarf, da das Bitcoin-Netzwerk die Miner für die Bereitstellung von Rechenleistung belohnt. Da diese Belohnung im Zuge der Halvings reduziert wird, steigen die Produktionskosten für jeden zusätzlichen Bitcoin. Dies führt zu einer Knappheit, die durch höhere Grenzkosten für die Erzeugung neuer Bitcoins verursacht wird. Diese Knappheit in Verbindung mit höheren Produktionskosten ist jedoch kein Garant für den Wert eines Gutes, das tendenziell einen geringen Gebrauchswert hat. Daher wird im Folgenden stärker auf die Nachfrageseite und die Hauptfunktionen von Bitcoin als Zahlungsmittel und Wertaufbewahrungsmittel eingegangen.
Bewertungsansatz durch Nachfragefaktoren
Insgesamt ist bei der Erklärung des Preises der Betrachtungszeitraum entscheidend, weil Bitcoin in den letzten Jahren mehrere Paradigmenwechsel durchlaufen hat und im Zeitverlauf verschiedene Faktoren für die Preisbildung verantwortlich waren. Zudem variiert nicht nur der Einfluss, sondern es tauchen auch immer wieder neue Erklärungsfaktoren auf, die zumindest zu Beginn weitgehend unbekannt bleiben, deren Einflusskraft sich dann aber entwickelt. So waren zwischen 2015 und 2018 die technische Schwierigkeit des Minings sowie Bedenken bezüglich der Systemsicherheit die relevantesten Preistreiber. Jedoch verloren sie sukzessive an Bedeutung und treten ab 2021 vollständig in den Hintergrund.
Seit 2021 nimmt die Relevanz der öffentlichen Aufmerksamkeit für die Preisbildung stark zu und bleibt bis heute ein treibender Faktor.
Dabei gilt die öffentliche Aufmerksamkeit durch kryptospezifische Nachfrageimpulse vor allem als kurzfristiger Preistreiber. So können bereits einzelne Social-Media-Aktivitäten zu starken Kurssprüngen führen. So konnte eine starke positive Korrelation zwischen der Social-Media-Aktivität von einflussreichen Bitcoin-Meinungsführern und einem Kursanstieg von Bitcoin festgestellt werden. Darüber hinaus ist das aktuelle Vertrauen der Investoren in Bitcoin sowohl kurz- als auch langfristig ein starker Preistreiber. Beispielsweise können Ankündigungen von regulatorischen Änderungen, Veränderungen in der Akzeptanz von Kryptowährungen und politische Nachrichten im Zusammenhang mit Bitcoin starke kurzfristige Treiber sein. Zuletzt wurde eine Preisrallye durch den Wahlsieg Donald Trumps und die damit verbundene Erwartung einer „kryptofreundlicheren“ Politik ausgelöst. Diese kurzfristigen Treiber erschweren eine fundamentale Bewertung und sprechen eher für eine Sichtweise als risikoreicheres Anlageobjekt, da viele Faktoren nicht quantifizierbar sind und einer hohen Subjektivität unterliegen.
Die hohe Nachfrage nach Bitcoin basiert auf dem langfristigen Vertrauen von Investoren in dessen Werthaltigkeit.
Aktuelle Ereignisse deuten auf ein wachsendes Vertrauen in Bitcoin hin: Immer mehr institutionelle Anleger, aber auch Staaten, die Bitcoin als Staatsreserve aufbauen wollen, zeigen ein zunehmendes Interesse an der Kryptowährung. Zulassungen von ETFs, die direkt in Bitcoin und andere Kryptowährungen investieren, professionalisieren den Markt weiter und erleichtern Investitionen. Zudem steigt die Sicherheit von Bitcoin durch eine ausgereiftere Regulierung im Sinne des Anlegerschutzes. Mit zunehmender Akzeptanz und Professionalisierung sinkt auch die Volatilität, und es wird erwartet, dass diese in Zukunft weiter abnimmt.

Bitcoin als Teil eines Investmentportfolios
Diversifikation mit erhöhtem Risiko
Im Gegensatz zu etablierten Assetklassen wie Aktien und Anleihen eignen sich Fundamentaldaten deutlich weniger, um die Ursachen für die Entwicklung des Bitcoin-Preises zu erklären. Allerdings unterliegen Bitcoins nicht den typischen Unternehmensrisiken und sind aufgrund ihrer Dezentralität unabhängig von zentraler Steuerung. Diese Eigenschaften können zu Risiko- und Renditefaktoren führen, die sich grundlegend von denen traditioneller Anlageklassen unterscheiden und damit zu einer potentiellen Diversifikation beitragen können. Darüber hinaus ist Bitcoin, ähnlich wie z.B. Gold, weniger anfällig für technologische Disruptionen, die traditionelle Unternehmen und deren Marktwerte bedrohen könnten, da es sich in erster Linie um ein digitales Wertaufbewahrungsmittel handelt.
Auch wenn die Volatilität aufgrund der Etablierung bei einer breiteren Anlegergruppe gesunken ist, bleibt Bitcoin ein sehr risikoreiches Investment und eignet sich nur für Anleger, die in der Lage sind, starke Kursschwankungen zu verkraften.
Tatsächlich ist die Volatilität von Bitcoin im Betrachtungszeitraum von 2014 bis 2024 fünfmal höher als die des S&P 500. Dennoch ist die jährliche Sharpe-Ratio aufgrund der enormen Kurssteigerungen höher als in jeder anderen traditionellen Assetklasse. Aus Portfoliosicht kann Bitcoin bei einer begrenzten Allokation je nach bestehender Portfoliostruktur eine diversifizierende Wirkung auf Portfolios haben, während bei größeren Positionen die erhöhte Einzelvolatilität einen signifikanten Einfluss auf die Erhöhung des Portfoliorisikos zu haben beginnt.

Bitcoin weist eine positive Korrelation mit dem S&P 500 vor
Historische Werte und Erfahrungen sind jedoch mit Vorsicht zu genießen. Erstens lässt sich aus der Vergangenheit nicht unmittelbar auf die Zukunft schließen. Zweitens ist ab März 2020 ein klarer Strukturbruch in den Korrelationseigenschaften von Bitcoin erkennbar. Während vor März 2020 die Korrelation zwischen Bitcoin und dem S&P 500 nahe Null lag und Bitcoin als ein „universeller Diversifikator“ galt, ist die Korrelation nach diesem Datum durchgehend positiv.

Insbesondere das Handelsverhalten von Kleinanlegern hat die Korrelation entscheidend beeinflusst. Vor allem in Zeiten extremer Marktbewegungen steigt die stark an. Besonders auffällig ist die Korrelation der Preisentwicklung von Bitcoin mit Technologie- und Wachstumsaktien, die häufig von Kleinanlegern gehandelt werden. Inwieweit dieser Einfluss der Kleinanleger auf die Korrelation mit dem Eintritt institutioneller Anleger in den Kryptomarkt abnimmt, ist noch nicht absehbar.
Aufgrund seiner Eigenschaften und Dynamiken ist Bitcoin auch nicht eindeutig als „Risk-on“- oder „Risk-off“-Asset einzustufen, sondern nimmt eher eine ambivalente Rolle ein.
Die Einordnung hängt stark vom Betrachtungszeitraum und dem spezifischen Marktumfeld ab.
Daher kann argumentiert werden, dass Bitcoin in ein klassisches Multi-Asset-Portfolio gehört. Allerdings muss der bisherige Status als „universellen Diversifikator“ überdacht werden. Es ist zu prüfen, ob Bitcoin aus diversifikationstheoretischen Überlegungen weiterhin als geeignetes Instrument angesehen werden kann. Gold weist beispielsweise in den letzten drei Jahren eine deutlich geringere Korrelation zum S&P 500 auf, auch wenn die Rendite deutlich geringer war.
Somit ist Bitcoin aufgrund seiner Volatilität für risikoscheue Anleger weniger attraktiv, während es für risdikofreudige Anleger eine interessante Beimischung darstellen kann.
Fazit
Dem rasanten Aufstieg der Kryptowährungen von einer obskuren Technologie zu einem Multi-Milliarden-Dollar-Markt folgte eine rasche Legitimierung: Etablierte Hedgefonds, prominente Investoren und Privatanleger haben sie in ihre Portfolios aufgenommen. Kryptowährungen sind also längst kein Randphänomen mehr. Sie sind Ausdruck eines fundamentalen Wandels in der Finanzwelt, der traditionelle Strukturen auf den Prüfstand stellt. Dennoch sind die ökonomischen Mechanismen, die den Preis dieser neuen Anlageklasse bestimmen, noch nicht vollständig erforscht und verstanden. Von der ursprünglichen Idee her handelt es sich um ein „Risk-Off“-Vermögenswert, der aber in der Praxis mittlerweile mehr als „Risk-On“-Asset gehandelt wird.
Banken und Investoren stehen vor der Herausforderung, fundierte Bewertungsmaßstäbe zu entwickeln, die sowohl technologische Innovationen als auch die Risiken berücksichtigen
Die Einbindung von Kryptowährungen erfordert eine sorgfältige Prüfung der Risikoaffinität und Verlusttragfähigkeit und ist daher nicht für jeden Investor geeignet. Eines lässt sich aber mit Sicherheit sagen: Diese Anlageklasse ist aufgrund ihrer Volatilität nur für risikoaffine Investoren geeignet. Und selbst diese sollten Bitcoin nur als kleine Beimischung in ein bereits gut diversifiziertes Portfolio aufnehmen. Aufgrund des Strukturbruches, der gezeigt hat, dass sich die Korrelationseigenschaften von Bitcoin verändert haben, muss jedoch regelmäßig neu bewertet werden, ob und inwieweit Bitcoin zur Diversifikation beitragen kann.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich Bitcoin neben etablierten Anlageklassen wie Edelmetallen, Rohstoffen, Immobilien, Aktien und Anleihen zu einer spannenden neuen liquiden Anlageklasse entwickelt hat. Als innovatives Asset ermöglicht es Anlegern und Investoren, ihre Portfolios weiter zu diversifizieren und gleichzeitig von den Chancen eines zunehmend professionalisierten Marktes zu profitieren.
Danke für die Hilfe an Tilman Deißinger und Sebastian Kuhnert
Foto von Unsplash von Aleksi Räisä

Autor: Jan Mooren
Jan Mooren hat einen Bachelor der Volkswirtschaftslehre der Universität Hamburg sowie einen Master in Financial Management der Universität Trier. Während seines Studiums absolvierte er drei Auslandsaufenthalte in den USA, Italien und Slowenien. Nach seinem Traineeprogramm bei M.M.Warburg & CO startete er als Analyst im Team Portfolio Solutions.
Newsletter
Erfahren Sie von uns die wichtigsten Nachrichten über das Thema Geldanlage.
✓ jede Woche neu ✓ immer aktuell ✓ ohne Werbung ✓ jederzeit abbestellbar
Mit Warburg Navigator die passende Geldanlage finden
Investieren Sie Ihr Vermögen mit den Experten von M.M.Warburg & CO. Modern und unkompliziert.
