Ausblick 2025 (Teil IV): Zusammenfassung für den Kapitalmarkt 2025
20. Dezember 2024Kurz vor dem Weihnachtsfest hat die US-Notenbank auf ihrer Zinssitzung am 18.12. den Märkten noch ein wenig in die Suppe gespuckt und daran erinnert, dass zuweilen sicher geglaubte Szenarien einer Revision bedürfen. Das kann durchaus auch als Mahnung interpretiert werden, bei Kapitalmarktprognosen grundsätzlich immer eine gehörige Portion Demut walten zu lassen. Und so wollen wir in der letzten Folge unserer Kapitalmarktausblicke auf das kommende Jahr auch gar nicht erst den Anspruch erwecken, als wenn Kursziele und Szenarien in Stein gemeißelt sind.
Ausblicke und Szenarien können immer nur den Rahmen aufzeigen, innerhalb dessen sich mit hoher Wahrscheinlichkeit Entwicklungen abspielen werden – nicht mehr und nicht weniger. Besuchen Sie auch gerne unseren YouTube-Kanal, auf dem Sie unsere Jahresausblick-Serie in Bild und Ton finden: https://www.youtube.com/mmwarburgco
Fed-Sitzung zwischen Erwartung und Irritation
Doch zunächst zurück zur letzten Fed-Sitzung des Jahres: Vordergründig hat die Fed genau das geliefert, was erwartet worden war – der Markt war sich darüber einig, dass die Fed den Zins um 0,25% auf 4,25% bis 4,5% senken würde, und genau das ist auch so passiert.
Irritationen waren aber dadurch entstanden, dass sich der Ausblick der US-Notenbank geändert hatte.
In Antizipation einer aggressiven Zollpolitik der kommenden Trump-Administration hatte die Fed ihre Inflationserwartung für 2025 angehoben und darauf verwiesen, dass von jetzt an Zinssenkungen keinen Automatismus mehr darstellen, zumal man von einem neutralen Zinssatz nicht mehr weit entfernt sei.
Das hätte eigentlich nicht weiter überraschen dürfen
Aus der Kombination verschiedener Aussagen des Fed-Präsidenten Powell und dem berühmt-berüchtigten „Dot-Plot“ der Fed-Mitglieder lässt sich ableiten, dass die Fed im Moment zwei Zinssenkungen von jeweils 25 Basispunkten im kommenden Jahr als angemessen und realistisch betrachtet. Das hätte eigentlich keine große Überraschung sein dürfen. Ohne jetzt besonders besserwisserisch erscheinen zu wollen, verweisen wir doch gerne darauf, dass dies exakt unserem US-Leitzinsszenario entspricht, das wir seit einiger Zeit vertreten. Die Argumentation dahinter ist keine Raketentechnik, sondern eigentlich recht logisch:
Die US-Notenbank muss zwingend davon ausgehen, dass die Inflation vor dem Hintergrund steigender Zölle wieder anziehen dürfte
Gleichzeitig wird das US-Wirtschaftswachstum so positiv ausfallen, dass eine Unterstützung der Geldpolitik durch niedrige Zinsen nicht notwendig erscheint. Zudem muss die Notenbank gerade jetzt ihre Unabhängigkeit beweisen – das geht nur, indem man gleich Pflöcke einrammt und nicht in vorauseilendem Gehorsam den großen Zinssenkungspfad ankündigt, über den sich Trump sicher sehr gefreut hätte. Wie dem auch sei, offensichtlich hatte der Markt dieses Verhalten der Fed nicht mehrheitlich auf dem Zettel und fiel dementsprechend mehr oder weniger aus dem Bett, als die Fed ihren Zinspfad für das kommende Jahr skizzierte. Dementsprechend explodierte die (implizite) Volatilität an den Aktienmärkten, während die Aktienkurse einen deutlichen Rücksetzer verzeichneten.
Ändert sich dadurch unser Hauptszenario für 2025?
Die kurze Antwort ist nein. Wir sind nach wie vor moderat optimistisch für den Aktienmarkt, wobei wir in den USA noch ein leicht größeres Performancepotential erwarten als in Europa.
Sorgen macht uns allerdings die extreme Konzentration an den Aktienmärkten.
Sehr wenige Aktien bestimmen zunehmend die Wertentwicklung ganzer Indizes, und für aktive Asset Manager ist es objektiv schwer, hier eine adäquate Antwort zu finden. Wir haben vor einigen Tagen berechnet, dass in internationalen Aktienportfolios seit Anfang 2020 mehr als 75% der denkbaren Portfoliostrukturen unter der Benchmark lagen, und in den letzten Wochen war diese Entwicklung noch deutlich pointierter.
Dieser Effekt wurde nochmal verstärkt
Verstärkt wird dieser Effekt durch Zuflüsse in ETFs, die wiederum die größten Summen in die ohnehin schon größten Unternehmen investieren müssen. Diese Entwicklung ist definitiv keine ewige Einbahnstraße, aber es gibt keinen Grund zur Annahme, dass sich dieser Trend im kommenden Jahr substanziell und abrupt ändern wird. Es wäre aber plausibel zu vermuten, dass unter Trump und im Kontext der angedachten Deregulierung und weiterer Steuersenkungen mittelgroße Unternehmen überproportional profitieren dürften, so dass das Jahr 2025 vielleicht als das Jahr in die Geschichtsbücher eingehen könnte, in dem die extreme Dominanz der sehr großen Unternehmen begann, ihr Ende zu finden.
Was erwarten wir für die Anleihenmärkte?
Auf der Rentenseite gehen wir fest davon aus, dass die EZB im kommenden Jahr die Leitzinsen deutlich stärker senken muss als in den USA und hoffentlich den Mut findet, dies auch zu tun.
Am langen Ende des Laufzeitenspektrums sollte das aber keine großen Spuren hinterlassen.
Wir gehen davon aus, dass Bundesanleihen mit einer Restlaufzeit von zehn Jahren leicht unter den aktuellen Renditen von etwa 2,3% notieren werden, und auch in den USA dürften die zehnjährigen US-Treasuries marginal unter dem aktuellen Niveau von 4,5% liegen. Zudem gehen wir nicht davon aus, dass sich die Spreads von Unternehmensanleihen relativ zum Status Quo massiv ändern werden.
Künstliche Intelligenz als Treiber der Arbeitsproduktivität
Damit zeichnet sich ein vergleichsweise unaufgeregtes Jahr 2025 an den Kapitalmärkten ab. Der Haken an der Sache ist leider der, dass Kapitalmarktbewegungen zuweilen durch Entwicklungen überlagert werden, die sich mit klassischen Analyseansätzen nicht gut greifen lassen. Dazu gehören beispielsweise Annahmen darüber, in welchem Umfang zukünftige Änderungen im Produktivitätswachstum eingepreist werden. Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass die Arbeitsproduktivität und auch die sog. Totale Faktorproduktivität (sie gibt einen Hinweis darauf, wie „intelligent“ die Produktionsfaktoren eingesetzt werden) von Jahr zu Jahr keinen großen Schwankungen unterworfen ist.
Dennoch kann es sein, dass Produktivität über mehrere Jahre systematisch schneller steigt
Es gibt aber Phasen, in denen die Produktivität über mehrere Jahre systematisch schneller steigt als im langfristigen Durchschnitt. Wenn am Markt ein Konsens darüber entsteht, dass man sich in einer solchen Phase befindet, dann führt das unweigerlich zu höheren und steigenden Bewertungsniveaus, die nicht Ausweis einer Blase, sondern der Beleg für ein günstiges ökonomisches Fundament sind. Aus unserer Sicht ließe sich argumentieren, dass wir uns am Anfang einer solchen Phase befinden, und der Grund dafür liegt im rasanten Fortschreiten von KI-Technologien. So hat in den letzten Jahren eine zusätzliche Wertschöpfung vor allem bei den Firmen stattgefunden, die KI-Tools entwickeln und verkaufen.
Inzwischen hat die Fähigkeiten im Kontext der künstlichen Intelligenz einen derartigen Reifegrad erlangt, dass nun Produktivitätseffekte in der Breite der Volkswirtschaft zu sehen sein sollten.
2025 wird vermutlich auch das Jahr sein, in dem KI-Systeme in der Wirtschaft in der Breite beginnen, selbst Entscheidungen übernehmen zu können, statt Entscheidungsträger in ihren Entscheidungen zu unterstützen. In den kommenden Jahren werden wir Zeuge werden, wie sich ganze Berufsfelder dramatisch verändern werden. Viele Tätigkeiten können mit weniger Menschen erbracht werden, die dann aber wiederum vor dem Hintergrund demographischer Entwicklungen und eines Fachkräftemangels sehr wertschöpfend in anderen Bereichen eingesetzt werden können.
Wie sieht es in den USA mit KI aus?
In den USA liegt das Wachstum schon jetzt über dem Trend der letzten Jahre – vielleicht ist dies schon ein erster Vorbote dieser Entwicklung. Wenn sich unsere Vermutung bestätigt, dann besteht bei aller Ungewissheit und Respekt vor den Märkten sogar ein zusätzliches Upside-Potenzial, auch wenn wir uns vermutlich wieder an grundsätzlich höhere Volatilitäten gewöhnen müssen.
Mögliche Krisenszenarien sollten berücksichtigt werden
Neben diesem besonders günstigen Szenario sei aber nicht verschwiegen, dass in 2025 auch Krisenszenarien denkbar sind, die von unserem konstruktiven Hauptszenario abweichen.
Was passiert in der Ukraine?
Als Beispiel wäre das Zusammenbrechen der ukrainischen Verteidigungslinien zu nennen. Sollte es russischen Truppen gelingen, an mehreren Stellen die Front zu durchbrechen, wäre ein militärischer Dominoeffekt denkbar, in dessen Folge massive und sehr schnelle Geländegewinne russischer Truppen zu erwarten wären. Dies hätte zur Folge, dass Russland nicht bereit wäre, Friedensverhandlungen zu beginnen. Ganz im Gegenteil – man würde alle verfügbaren Ressourcen mobilisieren, um Fakten zu schaffen und große Teile der Ukraine dauerhaft zu besetzen.
Im Ergebnis käme es zu einer zweiten großen Fluchtwelle sowie einer deutlich angespannten geopolitischen Lage. Eine solche Situation ginge nicht spurlos an den Kapitalmärkten vorüber.
Da Weihnachten aber immer auch ein Fest der Hoffnung ist, wollen wir unseren Ausblick nicht mit negativen Gedanken beenden. Die Erfahrung lehrt, dass sich Märkte selbst nach Tiefschlägen schneller erholen, als man sich das oft vorstellen kann. Eine gute Portion Grundoptimismus ist daher immer angebracht. In diesem Sinne wünschen wir Ihnen besinnliche und frohe Weihnachten und alles Gute für ein erfolgreiches und gesundes neues Jahr!
Foto von Unsplash von Elijah Hiett
Autor: Dr. Christian Jasperneite
Dr. Christian Jasperneite studierte an der Universität Passau VWL und promovierte anschließend an der Universität Passau am Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik. Nach einem Forschungsaufenthalt an der Harvard University begann er im Jahr 2000 als Analyst im Makro-Research von M.M.Warburg & CO. Seit Anfang 2009 ist Dr. Jasperneite Chief Investment Officer bei M.M.Warburg & CO und verantwortet dort u.a. Fragen der strategischen und taktischen Allokation sowie der Portfoliokonstruktion und der Produktentwicklung.
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