Ausblick 2024 (V): Zusammenfassung

Wenn in den nächsten Tagen nichts Dramatisches passiert, wird das Jahr 2023 als gutes Jahr für Anleger in die Annalen eingehen. Sowohl auf der Aktien- als auch auf der Rentenseite konnten erfreuliche Wertzuwächse verzeichnet werden, nachdem das Jahr 2022 – freundlich formuliert – sehr herausfordernd war. Zum Jahresende richtet sich der Blick zwangsläufig auf das kommende Jahr. Was bringt uns das Jahr 2024 aus Sicht der Kapitalmärkte?

Aktienmärkte und Weltgeschehen – Wie passt das zusammen?

Wer im langsam zu Ende gehenden Jahr nur auf das Weltgeschehen geschaut hat und die Marktentwicklung aus den Augen verlor, mag sich angesichts der teilweise rasant gestiegenen Aktien- und Anleihenkurse verwundert die Augen reiben. Passt das zusammen?

Immerhin kam es im Frühjahr 2023 in den USA zu mehreren sehr grossen Bankenpleiten, und auch in der so sicher geglaubten Schweiz musste das Finanzsystem in einer staatlich gelenkten Nacht-und-Nebel-Aktion vor heftigen Verwerfungen geschützt werden.

Zudem waren die BIP-Wachstumsraten rund um den Globus alles andere als rekordverdächtig. Überall bewegten sich Länder am Rande rezessiver Tendenzen, in Deutschland musste sogar das Bundesverfassungsgericht eingreifen, weil die Regierung bei der kreativen Gestaltung schuldenfinanzierter Nebenhaushalte etwas über das Ziel hinausgeschossen war.

Geopolitische Krisen werden auch im nächsten Jahr bestehen bleiben

In der Ukraine bahnt sich ein zermürbender Stellungskrieg an, der ein wenig an die Schlacht um Verdun im Ersten Weltkrieg erinnert. Ein Krieg übrigens, den am Ende die Verteidiger und nicht die Angreifer gewonnen haben. Israel wurde von einem furchtbaren Angriff der Hamas erschüttert, dessen unvorstellbare Brutalität einem immer noch das Blut in den Adern gefrieren lässt und Israel in eine unerträgliche Situation gebracht hat, in der man eigentlich nur verlieren kann. China lässt im Territorialstreit um das Südchinesische Meer auf einer Art die Muskeln spielen, dass man sich ein wenig in die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg zurückversetzt fühlt, als die deutsche Marine mit der britischen um die globale Seeherrschaft konkurrierte.

Das hat keiner mitbekommen, aber…

Selbst im Weltraum hat – weitgehend unbemerkt von Deutschland, wo man erstaunlich naiv durch das Weltgeschehen stolpert – ein massives Wettrüsten begonnen, das die nächsten Jahrzehnte massiv prägen dürfte. Auch die sozioökonomischen Entwicklungen lassen keinen euphorischen Blick auf die kommenden Jahre zu. Das Bildungsniveau sinkt, die Zuwanderung wird zu einer kaum lösbaren Herausforderung für die gesamte europäische Politik und die gesellschaftliche Akzeptanz für Energiewende und Klimapolitik hält sich in Grenzen.

Können da die Kurse von Aktien und Anleihen überhaupt noch weiter steigen?

Aber natürlich! An den Kapitalmärkten wird die Zukunft von Unternehmen gehandelt, nicht von Gesellschaftsmodellen.

Börsennotierte Unternehmen existieren, um Gewinne zu erwirtschaften, und das hat in den letzten Jahrhunderten immer ganz gut funktioniert.

Da Gewinne zudem tendenziell immer weiter steigen (schon allein deshalb, weil es sich bei Gewinnen um eine nominale Größe handelt) und Gewinne zudem in Form von Dividenden ausgeschüttet werden, ist auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten mit Wertsteigerungen von rund acht Prozent p.a. bei Aktieninvestments zu rechnen. Deutliche Abweichungen davon wären nur zu erwarten, wenn sich die Kurs-Gewinn-Verhältnisse massiv und nachhaltig verändern würden – wovon aber nicht auszugehen ist.

Anleihen mit attraktiven Kupons

Auch Anleihen können in den kommenden Jahren eine attraktive Performance erzielen; zum einen lassen sich wieder vergleichsweise attraktive Kupons erwirtschaften, zum anderen dürften die Renditen in den kommenden Jahren eher sinken, so dass hier noch zusätzliche (leichte) Kursgewinne zu erwarten wären. Je länger der Anlagehorizont ist, desto sicherer kann diese erwartete positive Wertentwicklung vereinnahmt werden.

Entscheidend ist eine langfristige Perspektive!

Die nächsten 12 Jahre im Fokus haben, nicht nur die nächsten 12 Monate! Das allein spricht übrigens schon dafür, den Blick nicht so sehr auf die nächsten zwölf Monate, sondern im Idealfall auf die nächsten zwölf Jahre zu richten. Und natürlich sind wir uns bei Warburg bewusst, dass Prognosen für das kommende Jahr immer sehr fehlerbehaftet sind und mit einer gehörigen Portion Demut erstellt und auch konsumiert werden sollten. Aber wie jedes Jahr stellen wir uns gerne der sportlichen Herausforderung und geben zum Jahresende eine Prognose für das kommende Jahr ab. Das gibt nicht nur unseren Kunden Orientierung, sondern schärft auch unsere Sinne und zwingt uns, Szenarien zu entwickeln und diese intern eingehend zu prüfen, zu beleuchten und zu diskutieren.  

Unser Ausblick auf 2024

Und auch wenn die globale Großwetterlage durch die reine Makro-Bille derzeit nicht vergnügungssteuerpflichtig erscheint, fällt unser Ausblick für die nächsten Monate gar nicht so schlecht aus. Wer nachts in der Natur unterwegs ist, weiß, dass es kurz vor der Dämmerung am dunkelsten ist. Das dürfte auch für die Konjunktur gelten.

Stabil und stetig geht es auch für Deutschland weiter

Vieles spricht dafür, dass die meisten Industrieländer im kommenden Jahr einen unteren konjunkturellen Wendepunkt durchschreiten werden. So hat beispielsweise Deutschland aus unserer Sicht die Chance, mit einer BIP-Wachstumsrate von 0,8 Prozent zu wachsen. Das mag schwach klingen, dürfte aber über dem Trendwachstum Deutschlands liegen. Auch die USA haben eine faire Chance, ein BIP-Wachstum von zwei Prozent zu erreichen; das ist zwar alles andere als ein überschäumender Aufschwung, aber eine Rezession sieht auch anders aus.

Entsprechend positiv sind unsere Erwartungen für den Aktienmarkt.

Der DAX kann in einem solchen Szenario ohne größere Anstrengungen 18.000 Punkte erreichen, und auch 5.000 Indexpunkte im S&P sollten keine besonders anspruchsvolle Hürde darstellen.

Wie wird sich der Rentenmark 2024 entwickeln?

Die Renditen länger laufender Staatsanleihen dürften in den kommenden Monaten weiter sinken. Schließlich werden die Leitzinsen im kommenden Jahr weltweit wieder zurückgehen, selbst wenn ein Großteil dieses Zinssenkungsoptimismus bereits eingepreist sein dürfte. Auch bei Unternehmensanleihen sehen wir noch etwas Luft nach oben, was die Performance über den Coupon hinaus betrifft. Mit etwas Glück könnte 2024 also ähnlich wie dieses Jahr wieder recht erfreulich für Anleger werden, nachdem 2022 zum Teil deutliche Wunden hinterlassen hat.

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Was haben wir in 2023 gelernt?

Können wir darüber hinaus aus dem vergangenen Jahr etwas für das kommende Jahr lernen? Eine Lehre ist sicherlich, dass man die Selbstheilungskräfte der Märkte nie unterschätzen sollte. Als es im Frühjahr in den USA zu einer Serie von Bankenzusammenbrüchen kam, gab es Befürchtungen, dass es zu einer neuen globalen Finanzkrise kommen könnte. Was dabei jedoch vielfach unterschätzt wurde, war die rasche Stabilisierung und Erholung der Märkte nach dem ersten Schock –  durchaus vergleichbar mit der ebenfalls raschen Erholung der Märkte gleich zu Beginn der Corona-Krise.

Vor dem Hintergrund dieser Erfahrung haben wir übrigens auch im Zusammenhang mit dem schrecklichen Angriff der Hamas auf Israel keine taktische Veränderung der Aktienquote vorgenommen, und wir werden uns auch im kommenden Jahr sicher zweimal überlegen, ob wir uns in unserer Taktik von Ereignissen mit eher kurzfristiger Kapitalmarktrelevanz leiten lassen. Aber es gab noch etwas zu lernen:

Es hat sich wieder einmal gezeigt, dass Indizes schwer zu schlagen sind.

Das heißt nicht, dass man nicht versuchen sollte, Indizes zu schlagen. Märkte sind nicht so effizient, wie es Lehrbücher oft darstellen, aber ein wenig Respekt ist schon angebracht. Das bedeutet auch, dass man nicht erwarten darf, jeden Monat, jedes Quartal oder jedes Jahr einen Index mit einer Wahrscheinlichkeit von über 50 Prozent schlagen zu können. Es gibt einfach Zeiten, in denen die Märkte so spezielle Eigenschaften haben, dass eine Outperformance durch aktive Selektion mehr als schwierig ist.

„When in doubt, zoom out“ – Lange Frist schlägt kurze Frist

Diese Herausforderung lässt sich eigentlich nur erfolgreich bestehen, wenn man den Zeithorizont verlängert. Ein aktiver Ansatz mag über kurzfristige Zeiträume eine Trefferquote von vielleicht nur 50,1% aufweisen, über längere Zeiträume von zehn Jahren und mehr aber vielleicht schon 60% oder mehr.

Auch ein Warrent Buffet ist nicht dadurch erfolgreich geworden, jeden Tag oder jeden Monat oder jedes Jahr einen Treffer nach dem anderen zu landen.

Der Erfolg hat sich kumuliert erst über einen langen Zeitraum eingestellt. Das bedeutet aber auch, dass man sich nicht zu schnell entmutigen lassen sollte. Und dass man nicht jedem Modetrend hinterherläuft, nur weil er gerade beobachtet werden kann. Denn bis ein Trend als Trend sichtbar wird, ist er oft schon fast wieder vorbei.

Man sollte sich dennoch etwas anstrengen

Natürlich bedeutet die Ausrichtung auf einen langen Anlagehorizont nicht, dass man sich nicht ständig bemüht, finanzmarkttheoretisch auf dem neuesten Stand zu sein. Und natürlich ist es nie falsch, Informationen mit neuen Methoden aufzubereiten und zu interpretieren. Wichtig ist nur immer, dass man eine ökonomisch fundierte Anlagephilosophie hat, der man grundsätzlich treu bleibt. Zu viel Opportunismus kann hier langfristig großen Schaden anrichten.

Frohe Weihnachten!

Bei allen Überlegungen zu den Kapitalmärkten sollte man sich bewusst sein, dass es Wichtigeres gibt als Performance und Geld. Wie wichtig Gesundheit ist, merkt man oft erst, wenn man nicht mehr gesund ist. Und wie wichtig Freunde und Freundschaften sind, merkt man oft erst, wenn sie nicht mehr da sind. Gott sei Dank lässt die Weihnachtszeit Raum für Gedanken, die sonst oft in der Hektik des Alltags untergehen.

Wir wünschen Ihnen, dass Sie in den kommenden und hoffentlich auch manchmal ruhigen Weihnachtstagen Momente finden, sich auf das zu besinnen, was das Leben letztlich ausmacht und lebenswert macht. Und daraus Kraft zu schöpfen für ein neues Jahr, das sicher nicht einfach wird, so wie die kommenden Jahre insgesamt voller Herausforderungen sein werden.

Dennoch sollte man nie die Zuversicht verlieren, dass gerade aus widrigen Umständen Neues und Schönes entstehen kann. Gerade die angesichts des ganzen Kommerzes immer weniger bekannte Weihnachtsgeschichte ist dafür sogar ein gutes Beispiel – die Geburt Jesu fand unter widrigsten Umständen statt und hat dennoch die Welt verändert.

In diesem Sinne: Frohe Weihnachten und alles Gute, vor allem auch Gesundheit, für das kommende Jahr! Und herzlichen Dank für das Vertrauen, das Sie uns entgegenbringen!

Foto von Unsplash von Shawn Dearn

Christian Jasperneite

Autor: Dr. Christian Jasperneite

Dr. Christian Jasperneite studierte an der Universität Passau VWL und promovierte anschließend an der Universität Passau am Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik. Nach einem Forschungsaufenthalt an der Harvard University begann er im Jahr 2000 als Analyst im Makro-Research von M.M.Warburg & CO. Seit Anfang 2009 ist Dr. Jasperneite Chief Investment Officer bei M.M.Warburg & CO und verantwortet dort u.a. Fragen der strategischen und taktischen Allokation sowie der Portfoliokonstruktion und der Produktentwicklung.

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