Ausblick 2019 (I): Droht ein stärkerer wirtschaftlicher Rückschlag?

Nach einem verheißungsvollen Beginn hat sich die konjunkturelle Dynamik im Jahr 2018 nach und nach abgeschwächt. Insbesondere politische Themen – wie der Handelsstreit zwischen den USA und China, der Brexit oder der Budgetstreit zwischen der neuen italienischen Regierung und der EU – belasteten die Stimmung der Unternehmen und der Privathaushalte nachhaltig. Wir beleuchten die Aussichten für die Schwellenländer und die USA und stellen Ihnen die konjunkturellen Perspektiven für die Weltwirtschaft 2019 vor. 

Der Handelsstreit zwischen den USA und China, der Brexit und der Budgetstreitb belastete die konjunkturelle Dynamik. Die Folge: eine Abschwächung des Investitionswachstums, der Exporte und des privaten Verbrauchs . Von dieser Entwicklung sind mittlerweile die meisten Industrie- und Schwellenländer betroffen. Nur die USA konnten sich dem bislang entziehen. Noch kann die Abschwächung als konjunkturelle Normalisierung gewertet werden, sollte der Streit zwischen den USA und China jedoch eskalieren, droht 2019 ein stärkerer wirtschaftlicher Rückschlag. Aufgrund ihrer Exportabhängigkeit sind dabei die Länder der Eurozone besonders verwundbar.

Wir rechnen mit einer globalen Wachstumsverlangsamung von 3,7 auf 3,4 Prozent. Dies liegt vor allem daran, dass sich die Konjunktur in den Industrieländern deutlich abkühlen wird. Der Brexit und die Trump-Wahl fordern einen späten Tribut.

Globale Frühindikatoren schwächen sich ab, …

Nach dem überraschend starken Wachstum der Weltwirtschaft im Jahr 2017 gingen wir davon aus, dass sich diese positive Entwicklung 2018 mindestens im selben Tempo fortsetzen würde. Doch weit gefehlt. Schon zu Beginn des Jahres geriet Sand ins Getriebe des bis dahin rund laufenden Konjunkturmotors. Sah es zunächst danach aus, als ob Sonderfaktoren für das schwächere Wirtschaftswachstum verantwortlich wären, zeigte sich in der Folgezeit, dass es sich hierbei nicht nur um ein temporäres Phänomen handelte. So blieb eine nennenswerte Erholung auch in der Folgezeit aus. Stattdessen sorgten die sich verschärfenden Töne aus dem Weißen Haus zum Thema Handel für eine stetig zunehmende Verunsicherung unter den global tätigen Unternehmen. Dies hat dazu geführt, dass sich wichtige Frühindikatoren, wie die der OECD oder die globalen Einkaufsmanagerindizes aus dem verarbeitenden Gewerbe und dem Dienstleistungssektor, seit Jahresbeginn kontinuierlich abgeschwächt haben.

…aber geringes Rezessionsrisiko, wenn die politischen Risiken nicht die Oberhand gewinnen

Das größte Risiko für die Weltwirtschaft im nächsten Jahr besteht darin, dass sich der Handelsstreit zu einem Handelskrieg ausweitet – mit unabsehbaren Folgen für die Weltwirtschaft. Ein deutlich stärkerer konjunktureller Abschwung könnte die Folgen sein – bis hin zu einer neuen globalen Rezession. Unter der Voraussetzung, dass die Politik Vernunft walten lässt, muss es dazu aber nicht kommen. Mehr denn je ist also die Politik der Schlüsselfaktor, von dem die Entwicklung der Weltwirtschaft maßgeblich beeinflusst wird. Dies führt bei den Prognosen für das nächste Jahr zu größeren Unsicherheiten als sonst üblich.

Schwellenländer: Heterogene Wirtschaftsentwicklung setzt sich fort

2018 war ein Jahr mit vielen Krisen in verschiedenen Schwellenländern. Vor allem Argentinien und die Türkei gerieten in Bedrängnis, aber auch Südafrika, Venezuela, Brasilien und der Iran sorgten für negative Schlagzeilen. Geht es nach dem IWF, bleibt das Wachstum der Schwellenländer mit 4,7 Prozent im kommenden Jahr stabil. Dies ist darauf zurückzuführen, dass der Währungsfonds für die nach China größten Emerging Markets Indien, Brasilien, Russland und Mexiko von etwas höheren Wachstumsraten im Jahr 2019 ausgeht. Ob dies eine realistische Annahme ist, wird auch hier entscheidend von der Frage abhängen, wie es mit den Handelskonflikten weitergeht. Solange es keine Einigung zwischen den USA und China gibt, gehen wir davon aus, dass darunter auch die Exporte anderer Schwellenländer leiden werden. Auch wenn sich die Wirtschaftsdaten in den meisten Volkswirtschaften – abgesehen von den genannten Krisenländern – bislang verhältnismäßig robust gezeigt haben, hat sich das Wachstum der Exporte fast überall verlangsamt.

China: Ohne „Deal“ droht eine deutliche Abschwächung

Das Wachstum der chinesischen Wirtschaft hat sich in diesem Jahr etwas abgeschwächt. So wird das reale Bruttoinlandsprodukt voraussichtlich um 6,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr wachsen (2017: 6,9 Prozent). Allerdings haben sich in jüngster Zeit die Anzeichen dafür verdichtet, dass dem Land eine stärkere wirtschaftliche Abschwächung bevorstehen könnte. Vor allem der drohende Handelskrieg mit den USA könnte dazu führen, dass das chinesische Wachstum im nächsten Jahr stärker als erwartet einknickt. Die rückläufige Entwicklung bei den Auslandsaufträgen, die sich in dem chinesischen Einkaufsmanagerindex zeigt, gibt bereits einen Vorgeschmack auf das, was mit Chinas Ausfuhren im nächsten Jahr passieren könnte: So dürften die Ausfuhren im nächsten Jahr stagnieren oder sogar sinken. Obwohl die chinesische Regierung in einem solchen Fall mit einer expansiveren Fiskalpolitik gegensteuern und die Notenbank die Geldpolitik lockern würde, gehen wir davon aus, dass sich das Wachstum der chinesischen Wirtschaft 2019 auf etwas weniger als sechs Prozent verlangsamen wird.

Günstige Aussichten in Indien

Unter den großen Schwellenländern sind im nächsten Jahr die Wachstumsaussichten Indiens am günstigsten einzuschätzen. Dies liegt daran, dass in den letzten Jahren wichtige Wirtschaftsreformen implementiert worden sind, die die Stabilität der Volkswirtschaft verbessert haben. Zudem ist Indien mit seiner jungen und zugleich weiter wachsenden Bevölkerung von 1,3 Milliarden Menschen weniger von der Entwicklung des Außenhandels abhängig als von der Binnennachfrage. Da das Pro-Kopf-Einkommen schon in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen ist und immer noch über enormes Aufholpotenzial verfügt, dürfte der Konsum auf absehbare Zeit der wichtigste Wachstumsmotor bleiben. Zudem wird die Inflationsrate im kommenden Jahr sinken, wenn der Ölpreis, wie von uns erwartet, in etwa auf dem gegenwärtigen Niveau verharrt. Die damit verbundene Verbesserung der Kaufkraft spricht dafür, dass die indische Wirtschaft im nächsten Jahr mit 7,5 Prozent sogar etwas stärker wachsen wird als es 2018 mit voraussichtlich 7,3 Prozent der Fall ist.

Brasilien und Russland leiden unter den gesunkenen Rohstoffpreisen und hausgemachten Problemen

Schwieriger schätzen wir dagegen das Umfeld für Brasilien und Russland ein. Beide Länder sind sehr stark von der Entwicklung der Rohstoffpreise abhängig. Sowohl der starke Rückgang des Ölpreises als auch das sich abschwächende Wirtschaftswachstum in China wirken sich dabei belastend aus. Notwendige Wirtschaftsreformen sind von beiden Ländern in der Vergangenheit auf die lange Bank geschoben worden, sodass von dieser Seite keine Wachstumsimpulse zu erwarten sind. Auch der neue brasilianische Präsident Jair Bolsonaro hat im Wahlkampf nicht davon reden gemacht, sich als großer Reformer einen Namen machen zu wollen, auch wenn sich die Stimmung der Unternehmen und Verbraucher nach seinem Wahlsieg verbessert hat.

Es bleibt jedoch abzuwarten, ob sich diese Stimmungsverbesserung als nachhaltig erweisen wird. Schließlich ist angesichts der gestiegenen Staatsverschuldung kaum Spielraum für eine expansivere Fiskalpolitik vorhanden. Unterstützung kann jedoch von der brasilianischen Notenbank kommen, die ihren Leitzins noch etwas senken könnte, wenn sich die Erholung des Brasilianischen Real fortsetzt. Im Unterschied zum IWF, der für Brasilien eine Wachstumsbeschleunigung von 1,4 auf 2,4 Prozent erwartet, bleibt unsere eigene Einschätzung mit einem Plus des realen BIPs von 1,8 Prozent vorsichtiger. Für Russland erwarten wir im Unterschied zum Internationalen Währungsfonds im kommenden Jahr einen leichten Rückgang der wirtschaftlichen Dynamik. 2018 wird die russische Wirtschaft um 1,7 Prozent wachsen, für 2019 gehen wir von einer Wachstumsabschwächung auf 1,5 Prozent aus (IWF: 1,8 Prozent). Dies ist vor allem auf den Rückgang des Ölpreises sowie die anhaltenden Wirtschaftssanktionen zurückzuführen.

USA: Länge des Aufschwungs setzt 2019 eine neue Rekordmarke, …

Die US-Wirtschaft wird im Jahr 2018 um rund drei Prozent wachsen und damit etwas stärker als von uns im vergangenen Jahr prognostiziert. US-Präsident Trump scheint damit sein Versprechen einzulösen, die Wirtschaft mit Hilfe von Steuererleichterungen und Deregulierungen „nachhaltig“ auf ein höheres Wachstumsniveau zu hieven. Die stärksten Wachstumsimpulse kommen vom privaten Verbrauch, der von der guten Lage am Arbeitsmarkt profitiert. Die offizielle Arbeitslosenquote ist so niedrig wie zuletzt vor rund 50 Jahren, gleichzeitig steigen die Löhne etwas stärker als in der Vergangenheit an, sodass die für den Konsum relevante volkswirtschaftliche Lohn- und Gehaltssumme in diesem Jahr um knapp fünf Prozent angestiegen ist. Da noch keine Trendwende am Arbeitsmarkt in Sicht ist, sollte sich der Aufschwung im nächsten Jahr fortsetzen, sodass dieser im Juni 2019 mit einer Dauer von mehr als 120 Monaten einen neuen Rekordwert erreichen würde.

…doch schwächt sich die Konjunkturdynamik ab

Wir gehen allerdings davon aus, dass sich das Wirtschaftswachstum der USA im nächsten Jahr auf 2,3 Prozent abschwächen wird. Die positiven Effekte der Steuersenkung nehmen ab und die gestiegenen US-Zinsen wirken sich ebenfalls wachstumsdämpfend aus. Hinzu kommt, dass das Potenzialwachstum, also das bei normaler Auslastung der Produktionskapazitäten zu erwartende Wachstum, nur auf rund zwei Prozent zu veranschlagen ist. Ein nachhaltiges Wachstum von drei Prozent ist – zumindest derzeit – nicht in Sicht. Dies könnte sich dann ändern, wenn die US-Unternehmen ihre Investitionen und damit auch die Produktivität erhöhen. Allerdings ist davon bislang nur wenig zu sehen. Zwar haben die US-Unternehmen ihre Investitionen seit im Jahr 2017 deutlich ausgeweitet, doch ist nicht zu erkennen, dass die Steuersenkungen zu Beginn des Jahres 2018 zu einem zusätzlichen positiven Impuls geführt hätten. Im Gegenteil, im dritten Quartal sind die Investitionen fast gar nicht mehr angestiegen. Dies mag ein temporärer Effekt sein, da die Investitionsausgaben der Unternehmen von Quartal zu Quartal kräftigen Schwankungen unterliegen. Zudem hat die Steuerreform den Unternehmen so viel Geld in die Kassen gespült, dass die Mittel für zusätzliche Investitionen durchaus vorhanden sind. Es bleibt aber abzuwarten, ob diese auch genutzt werden. Solange die Forderungen nach höheren US-Zöllen im Raum stehen, dürften die damit verbundenen wirtschaftlichen Unsicherheiten dazu führen, dass sich die Unternehmen mit neuen Investitionen zurückhalten.

Schulden der privaten Haushalte nicht übermäßig hoch

Das größte Problem der US-Wirtschaft stellt momentan der Immobilienmarkt dar. Aufgrund eines zu geringen bzw. unpassenden Angebots an Häusern und Wohnungen, sind die Preise in den letzten Jahren deutlich stärker gestiegen als die verfügbaren Einkommen. Zudem hat die restriktivere Geldpolitik der US-Notenbank die Hypothekenzinsen stark ansteigen lassen. Beide Faktoren haben dazu geführt, dass Immobilien immer unerschwinglicher geworden sind und sich der Immobilienmarkt abgekühlt hat. Dieser Trend wird sich 2019 fortsetzen. Einen „Crash“ am Immobilienmarkt mit ähnlich verheerenden Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft wie während der Finanzkrise erwarten wir allerdings nicht. Dies liegt daran, dass die derzeit ausstehende Summe der Hypothekenkredite mit rund 10,2 Billionen US-Dollar etwas geringer ist als es vor zehn Jahren der Fall war und die Verschuldung in Relation zu den verfügbaren Einkommen deutlich niedriger ist als damals. Ein generelles Verschuldungsproblem der US-amerikanischen Privathaushalte besteht unseres Erachtens nicht, auch wenn die vergebenen Auto- und Studentenkredite auf ein Rekordniveau angestiegen sind. Ihr Gesamtvolumen ist aber nicht vergleichbar mit den Immobilienkrediten, sodass die daraus resultierenden Risiken für die US-Wirtschaft beherrschbar sein sollten. Das Rezessionsrisiko bleibt 2019 von daher gering.

In der nächsten Woche beschäftigen wir uns an dieser Stelle mit der Frage, wie im nächsten Jahr die wirtschaftlichen Perspektiven in der Eurozone und in Deutschland einzuschätzen sind. Sollte der Handelsstreit zwischen den USA und China eskalieren, droht 2019 ein stärkerer wirtschaftlicher Rückschlag. Aufgrund ihrer Exportabhängigkeit sind die Länder der Eurozone besonders verwundbar.

Bildcredit: stockwerk23 / photocase.de

Autor: Carsten Klude

Carsten Klude studierte nach seiner Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Deutschen Bank VWL mit Schwerpunkt Ökonometrie in Kiel. 1996 kam er zu M.M.Warburg & CO, für die er zunächst die europäischen Kapitalmärkte analysierte und später mit der Leitung des Makro-Research betraut wurde. Seit dem Jahr 2009 ist Herr Klude Mitglied im Investmentrat von M.M.Warburg & CO und verantwortet seit dem Sommer 2013 das Asset Management der Bank. Zusätzlich ist Herr Klude seit dem Jahr 2010 Mitglied im Ausschuss für Wirtschafts- und Währungspolitik des Bundesverbandes deutscher Banken e.V., dessen Vorsitz er von 2015 bis 2018 inne hatte.

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