Aktienmärkte: Stimmung schlechter als die Lage

Nach einem guten Start in das Jahr 2018 und dem zwischenzeitlichen Erreichen neuer Höchststände beispielsweise im DAX, S&P 500 und Dow Jones 30 befinden sich die Kurse seit Februar im Rückwärtsgang. Dies hat dazu geführt, dass die Wertentwicklung im ersten Quartal für viele Anleger ernüchternd ausfiel: Der DAX hat in den ersten drei Monaten dieses Jahres rund sechs Prozent an Wert verloren, womit er im internationalen Vergleich auf den hinteren Plätzen landet. Von den großen Aktienmärkten haben sich nur die Schweiz und Großbritannien noch schlechter entwickelt. In den USA, wo die Malaise Anfang Februar begann, haben sich die Kurse (in US-Dollar gerechnet) dagegen besser gehalten: Während der Dow Jones 30 und der S&P 500 das Quartal knapp im Minus beendeten, konnte die Technologiebörse Nasdaq sogar einen kleinen Wertzuwachs verbuchen.

Für die schwache Kursentwicklung auf den Aktienmärkten der vergangenen Wochen gibt es mehrere Gründe

Zum einen nahmen aufgrund der guten globalen Konjunkturlage Anfang Februar die Sorgen vor einem kräftigeren Anstieg der Inflation zu. In den USA kam es im Januar zu einem stärker als erwarteten Lohnanstieg, der – so die Schlussfolgerung vieler Marktteilnehmer – die Notenbank auf den Plan rufen würde. Die Aussicht auf eine restriktivere Geldpolitik der Federal Reserve führte zu höheren Anleiherenditen und zwar nicht nur in den USA, sondern auch in vielen anderen Regionen.

Höhere Zinsen machen Anleihen im Vergleich zu Aktien relativ attraktiver, wenn man zum Beispiel die Rendite einer 10-jährigen US-Staatsanleihe (aktuell 2,8 Prozent) mit der Dividendenrendite des S&P 500 (2,1 Prozent) vergleicht. Zudem bedeuten steigende Zinsen, dass der Diskontierungsfaktor für zukünftige Gewinne, Dividenden oder Cash Flows zunimmt, sodass deren heutiger Wert bei unveränderten Rahmenbedingungen sinkt. Steigen die Zinsen allerdings aufgrund einer besseren Konjunkturlage – und genau das ist derzeit der Fall – wird der höhere Abzinsungsfaktor durch eine bessere Profitabilität der Unternehmen ausgeglichen oder sogar überkompensiert. Zudem zeigt die Erfahrung, dass die relative Attraktivität von Anleihen gegenüber Aktien erst dann wirklich zunimmt, wenn die Notenbanken dazu übergehen, die Zinsen zu senken. Doch davon ist man noch weit entfernt.

Inflationsrate wird in den nächsten Monaten ansteigen

Wir gehen zwar davon aus, dass die Inflationsrate in den nächsten Monaten ansteigen wird, doch ist dies in erster Linie auf einen sogenannten Basiseffekt zurückzuführen. Da die Inflation im vergangenen Jahr wegen des gesunkenen Ölpreises bis in die Sommermonate ungewöhnlich gering ausgefallen ist, führt eine „normalere“ Entwicklung in diesem Jahr dazu, dass es im Jahresvergleich zu einem optisch kräftig ausfallenden Preisanstieg kommt. Dies ist ein rein statistischer Effekt, zu dem es auch dann kommt, wenn die monatliche Veränderung der Inflation eigentlich unauffällig ist. Dies wird dazu führen, dass die US-Inflationsrate bis in die Sommermonate deutlich ansteigt. Danach wird dieser Effekt allerdings auslaufen, und im Laufe des zweiten Halbjahres ist wieder mit einem Rückgang der Inflationsrate auf unter zwei Prozent zu rechnen. Nichtsdestotrotz könnten die Märkte aber zwischenzeitlich ähnlich wie zu Jahresbeginn von Inflationssorgen beeinflusst werden.

Technologieaktien stark unter Druck

Zum anderen kamen in den vergangenen Wochen die Kurse von Technologieaktien stark unter Druck. Diese waren lange Zeit die Lieblinge der Anleger (insbesondere die sogenannten FAANG-Aktien Facebook, Amazon, Apple, Netflix und Google bzw. jetzt Alphabet) und sorgten für den Großteil der außergewöhnlich guten Kursentwicklung der US-Aktienmärkte. Der aufgedeckte Datenskandal bei Facebook führte jedoch zu starken Kursverlusten dieses Wertes, weil befürchtet wird, dass das Unternehmen (und andere Wettbewerber) zukünftig stärker reguliert werden könnten. Die Kursentwicklung der Facebook-Aktie strahlte nicht nur auf andere Technologieaktien aus, sondern sorgte auch wegen des großen Gewichtes dieser Aktie in den Indizes für empfindliche Verluste.

Wenige Tage später nahm sich dann US-Präsident Trump Amazon vor. Er warf dem Unternehmen vor, die US-Post als billigen Lieferjungen zu miss-brauchen und für die hohen Defizite des Unternehmens verantwortlich zu sein. Zudem bezahle Amazon keine oder zu wenige Steuern und sorge mit seinen Methoden für ein Aussterben der traditionellen Einzelhändler. Auch wenn die Anschuldigungen inhaltlich kaum nachvollziehbar sind, hat der Aktienkurs von Amazon kräftig gelitten und sich ähnlich wie bei Facebook negativ auf den Gesamtmarkt ausgewirkt.

Schließlich kam es für die Aktienmärkte noch dicker, und wieder war Donald Trump der Auslöser

Nachdem er Anfang März Strafzölle auf Stahl und Aluminium ankündigte, schoss er sich zuletzt auf China ein. Es wurden weitere Zölle in Höhe von 25 Prozent auf rund 1.300 verschiedene chinesische Produkte mit einem Gesamtwert von 50 Milliarden US-Dollar angekündigt. Die Reaktion Chinas ließ nicht lange auf sich warten, und es wurden Gegenmaßnahmen im selben Umfang angekündigt. Allerdings treten die Strafzölle weder in den USA noch in China sofort in Kraft. In den USA haben dort ansässige Unternehmen bis zum 22. Mai die Möglichkeit, den Maßnahmen zu widersprechen, wobei fraglich ist, ob sich Trump davon beeindrucken ließe. Danach hat die US-Administration 180 Tage Zeit, um das weitere Vorgehen abzustimmen.

Bedeutet dies nun, dass ein Handelskrieg unumgänglich ist?

Wir glauben das nicht. Uns erinnert die Vorgehensweise des US-Präsidenten und sein Verhalten gegenüber China an das, was wir im vergangenen Sommer im Umgang mit Nordkorea erlebt haben. Schon damals hat Trump mittels Drohungen und Einschüchterungen versucht, seine politischen Ziele durchzusetzen. Auch gegenüber China setzt Trump auf das aus der Spieltheorie bekannte „game of chicken“. Diesem als Angsthasenspiel bekannten Phänomen liegt das Szenario einer Mutprobe zugrunde: Zwei Sportwagen fahren mit hoher Geschwindigkeit aufeinander zu. Wer ausweicht, beweist damit seine Angst und hat das Spiel verloren. Weicht keiner aus, haben beide Spieler zwar die Mutprobe bestanden, ziehen jedoch daraus keinen persönlichen Nutzen, weil sie durch den Zusammenprall ihr Leben verlieren. Leider lässt sich im Moment noch nicht abschätzen, wie lange es dauern wird, bis der im Moment praktizierte Kollisionskurs aufgegeben und man den Weg an den Verhandlungstisch finden wird, doch hat ein solches Szenario die für uns höchste Eintrittswahrscheinlichkeit.

Auch im Falle Nordkoreas ist es letztendlich zu einem Ausweichmanöver eines der beiden Kontrahenten gekommen, in diesem Fall von Kim Jong-un. Bis es diesmal zu einer Einigung kommt, wird aber vermutlich noch dauern, da sich China in einer stärkeren Verhandlungsposition befindet als damals Nordkorea. Der mögliche wirtschaftliche Schaden, der entsteht, wenn sich beide Seiten nicht einigen, könnte immens sein, denn mit den USA und China streiten sich die beiden größten Volkswirtschaften der Welt. Dazu müssten beide Länder allerdings weitere Handelsbeschränkungen beschließen, denn das Ausmaß der gegenwärtigen Zollandrohungen entspricht „nur“ 0,3 Prozent des US-BIP bzw. 0,4 Prozent der gesamten chinesischen Wirtschaftsleistung. Dies scheint uns zu gering zu sein, um das Wirtschaftswachstum beider Länder oder sogar die gesamte Weltwirtschaft aus den Angeln heben zu können. Doch bis eine Einigung erzielt wird dürfte die volatile Marktphase anhalten.

Fundamentalen Aussichten für die Aktienmärkte weiterhin als gut zu beurteilen

Abseits all der genannten negativen Aspekte, die dazu geführt haben, dass die Stimmung der Anleger innerhalb weniger Wochen von himmelhoch jauchzend auf zu Tode betrübt gedreht hat, bleibt aber festzuhalten, dass die fundamentalen Aussichten für die Aktienmärkte weiterhin als gut zu beurteilen sind. Zwar haben sich viele konjunkturelle Frühindikatoren in der letzten Zeit abgeschwächt, doch war dies angesichts der hervorragenden und fast nur aufwärts gerichteten Entwicklung des vergangenen Jahres nicht anders zu erwarten. Dass sich der lange Zeit fast linear verlaufende Anstieg der Wirtschaftsdaten so nicht dauerhaft fortsetzen können wird, lag auf der Hand. Eine nachhaltige Verlangsamung des Wirtschaftswachstums oder gar eine neue Rezession lässt sich aus den Frühindikatoren unseres Erachtens nach jedoch nicht ableiten. Mehr als eine Normalisierung der Daten können wir nicht erkennen, zumal sich an den grundsätzlichen Rahmenbedingungen, wie einer expansiven Geld- und Fiskalpolitik sowie relativ stabilen Rohstoffpreisen und Wechselkursen, wenig geändert hat.

Positiv bewerten wir auch, dass sich die Gewinnerwartungen für die börsennotierten Unternehmen in den vergangenen Wochen nicht verschlechtert haben. Insofern hat der Kursrutsch an den Aktienmärkten dazu geführt, dass sich die Bewertungen deutlich verringert haben. Sollte die nun in den USA beginnende Berichtssaison nicht enttäuschen und Trump nicht tagtäglich mit neuen Tweets für Verunsicherung sorgen, dürften die Aktien zumindest einen Teil ihrer Verluste in den kommenden Wochen wieder aufholen.

Autor: Carsten Klude

Carsten Klude studierte nach seiner Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Deutschen Bank VWL mit Schwerpunkt Ökonometrie in Kiel. 1996 kam er zu M.M.Warburg & CO, für die er zunächst die europäischen Kapitalmärkte analysierte und später mit der Leitung des Makro-Research betraut wurde. Seit dem Jahr 2009 ist Herr Klude Mitglied im Investmentrat von M.M.Warburg & CO und verantwortet seit dem Sommer 2013 das Asset Management der Bank. Zusätzlich ist Herr Klude seit dem Jahr 2010 Mitglied im Ausschuss für Wirtschafts- und Währungspolitik des Bundesverbandes deutscher Banken e.V., dessen Vorsitz er von 2015 bis 2018 inne hatte.

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