Aktienmärkte: Notwendige Verschnaufpause zum Auftanken

Der April war an den meisten Aktienmärkten von Kursverlusten geprägt, in vielen Fällen war es der erste Verlustmonat seit sechs Monaten. Aus unserer Sicht ist dies eine gesunde und längst überfällige Korrektur nach den starken Kursgewinnen seit November 2023.

Eine nachhaltige Trendwende zum Schlechteren erwarten wir nicht, auch wenn noch nicht absehbar ist, wann genau sich die Kurse wieder erholen werden. Unsere zuletzt angehobenen Jahresendziele (u.a. DAX: 19.500 Punkte) haben daher weiterhin Bestand.

Rentenmärkte schuld an Aktienkursen?

Wie schon häufiger in den letzten beiden Jahren belasteten vor allem die Kursverluste an den Rentenmärkten die Aktienkurse. Insbesondere in den USA stiegen die Renditen für Staatsanleihen deutlich an, was sich auch negativ auf die europäischen Rentenmärkte auswirkte, die sich in der Regel im Schlepptau der USA bewegen.

Auslöser waren die zuletzt enttäuschenden Inflationsdaten, die nicht dazu beitrugen, die Zuversicht der US-Notenbank zu stärken, dass sich die Preissteigerungsrate in absehbarer Zeit der Zielmarke von zwei Prozent annähern wird.

Nachdem der Preisdruck im vergangenen Jahr deutlich nachgelassen hatte, waren die Marktteilnehmer zu Jahresbeginn noch sehr zuversichtlich, dass die Federal Reserve den Leitzins in diesem Jahr deutlich von 5,25 bis 5,5 Prozent auf unter vier Prozent senken würde. In den ersten drei Monaten des Jahres ist die Inflationsrate jedoch nicht weiter gesunken, sondern verharrt je nach verwendetem Warenkorb bei knapp über drei Prozent (CPI-Index) oder knapp unter drei Prozent (PCE-Index). Dies hat dazu geführt, dass in diesem Jahr derzeit nur noch mit einer Zinssenkung um 25 Basispunkte gerechnet wird.
Weltweiter Abwärtstrend der Inflation ungebrochen

Inflationstrend abwärts gerichtet mit Ausname US-Inflation

Der Rückgang der US-Inflation ist zwar ins Stocken geraten, stellt aber im internationalen Vergleich der Preisstatistiken erfreulicherweise eine Ausnahme dar. Der globale Inflationstrend ist dagegen unverändert abwärts gerichtet. Von den mehr als hundert Ländern, deren monatliche Inflationsentwicklung wir verfolgen, weist die überwiegende Mehrheit weiterhin eine nachlassende Inflationsdynamik auf. So sank der Mittelwert der Preissteigerungsrate dieser mehr als hundert Länder von 13,3 Prozent im Januar 2023 auf 8,4 Prozent im März 2024, der Median ging im gleichen Zeitraum von 8,4 auf 3,1 Prozent zurück. Die internationalen Preisstatistiken weisen nach unseren Beobachtungen einen engen Gleichlauf auf, Länder, die – wie aktuell die USA – aus dem Raster fallen, tun dies in der Regel nicht für längere Zeit.

Inflation in der Eurozone

In der Eurozone lag die Inflationsrate im April bei 2,4 Prozent und damit auf dem gleichen Niveau wie im März. Da die Teuerungsrate bei den Dienstleistungen erstmals seit fünf Monaten rückläufig war, sank die Kerninflationsrate auf 2,7 Prozent. In den meisten Euro-Ländern ist die Inflationsrate im April weiter gesunken, in fünf Ländern liegt sie unter der Zielmarke der Europäischen Zentralbank von zwei Prozent.

Inflation in den Schwellenländern

In den von uns betrachteten südostasiatischen Schwellenländern lag die Preissteigerungsrate im April bei 2,4 Prozent nach 2,5 Prozent im Vormonat. In den lateinamerikanischen Ländern unseres Samples sank die Inflationsrate von 3,6 Prozent im März auf 3,4 Prozent im April, in Osteuropa von 4,1 auf 3,8 Prozent.

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Fazit: Zinsen werden sinken

Die Schlussfolgerungen für die internationale Geldpolitik liegen damit auf der Hand: Die Leitzinsen werden sinken. In der Diskussion darüber, welche Notenbank die Vorreiterrolle für eine expansivere Geldpolitik übernehmen könnte, wird häufig argumentiert, dass die USA den globalen Zinszyklus bestimmen.

Diese Schlussfolgerung ist jedoch falsch. Die Geldpolitik der US-Notenbank hat sich in den letzten Jahren zunehmend von der der Europäischen Zentralbank oder der Bank of Japan abgekoppelt.

Während in den USA noch über den Zeitpunkt der ersten Zinssenkung diskutiert wird, hat die Schweizer Notenbank bereits Fakten geschaffen und den Leitzins gesenkt. Die EZB wird mit hoher Wahrscheinlichkeit am 6. Juni folgen und ebenfalls eine Zinssenkung um 25 Basispunkte beschließen. Vorreiter im eigentlichen Sinne sind diesmal aber nicht die Notenbanken der Industrieländer, sondern die der Schwellenländer. Denn dort wird die Geldpolitik bereits seit Sommer 2023 sukzessive gelockert. Da niedrigere Leitzinsen aber auch zu sinkenden Renditen an den Kapitalmärkten führen, ist absehbar, dass der aktuelle Gegenwind für die Aktienmärkte von der Zinsseite bald in Rückenwind umschlagen wird.

Sehr gute Berichtssaison

Positive Impulse für den Aktienmarkt kommen auch von den Unternehmensgewinnen. Eine Auswertung der aktuellen Berichtssaison zeigt, dass in den USA gut 80 Prozent der bisher berichtenden Unternehmen aus dem S&P 500 die Gewinnerwartungen übertroffen haben, ein besserer Wert als im Vorquartal (75 Prozent) und besser als im langjährigen Durchschnitt (73 Prozent).

Vor Berichtssaison gab es keine Reduktion der Gewinnerwartungen

Der Anteil der positiven Gewinnüberraschungen ist qualitativ besonders hoch zu bewerten, da es diesmal im Vorfeld der Berichtssaison nicht wie sonst üblich zu einer deutlichen Reduktion der Gewinnerwartungen durch die Unternehmensanalysten gekommen ist – zumindest nicht auf Ebene des Gesamtindex. Zudem wurden die guten Zahlen bislang nicht von der Börse honoriert:

So fiel die Kursreaktion nach Veröffentlichung der Zahlen nur bei 44 Prozent der Unternehmen positiv aus.

Diese verhaltene Reaktion ist allerdings nicht ungewöhnlich, da viele Anleger gute Nachrichten nutzen, um Positionen aufzulösen und Gewinne zu realisieren. Solange das fundamentale Börsenumfeld – wie derzeit – positiv bleibt, werden die gleichen Aktien aber häufig später wieder zurückgekauft, wenn keine bessere Anlagealternative gefunden wurde. Dies führt häufig dazu, dass positive Unternehmensnachrichten dann erst mit zeitlicher Verzögerung zu einer positiven Kursreaktion führen.

Was bringen Aktienrückkaufprogramme?

Dazu tragen auch Aktienrückkaufprogramme bei, die vor allem in den USA von einer Vielzahl von Unternehmen genutzt werden, um Gewinne an die Aktionäre zurückzugeben. An dieser Entwicklung kann man als Anleger besonders gut partizipieren, wenn man sich anschaut, welche Unternehmen zu den größten Gewinnbringern gehören und dementsprechend große Aktienrückkaufprogramme aufgelegt haben. Im ersten Quartal 2024 weist beispielsweise der Sektor Communication Services, zu dem unter anderem Alphabet, Meta und Netflix gehören, ein Gewinnwachstum von über 40 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf, gefolgt vom Technologiesektor mit einem Plus von 22 Prozent.

Mit anderen Worten: Die größten Technologieunternehmen der Welt sind auch die reichsten.

Apple, Amazon, Microsoft, Alphabet und Meta erwirtschafteten in den vergangenen zwölf Monaten zusammen einen operativen Cashflow von gut 570 Milliarden Dollar. Das ist viel Geld, das in neue Produkte, aber auch in Aktienrückkäufe investiert werden kann. Weitere Kursgewinne bei diesen Unternehmen scheinen also vorprogrammiert.

Autor: Carsten Klude

Carsten Klude studierte nach seiner Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Deutschen Bank VWL mit Schwerpunkt Ökonometrie in Kiel. 1996 kam er zu M.M.Warburg & CO, für die er zunächst die europäischen Kapitalmärkte analysierte und später mit der Leitung des Makro-Research betraut wurde. Seit dem Jahr 2009 ist Herr Klude Mitglied im Investmentrat von M.M.Warburg & CO und verantwortet seit dem Sommer 2013 das Asset Management der Bank. Zusätzlich ist Herr Klude seit dem Jahr 2010 Mitglied im Ausschuss für Wirtschafts- und Währungspolitik des Bundesverbandes deutscher Banken e.V., dessen Vorsitz er von 2015 bis 2018 inne hatte.

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