Aktienmärkte: Korrektur, aber kein dauerhafter Einbruch
9. Februar 2018Anfang der Woche ist es an den US-Börsen zu einem massiven Kurseinbruch gekommen. Der Dow Jones verzeichnete am Montag zwischenzeitlich einen Rückgang von fast 1.600 Punkten und beendete den Tag mit einem Minus von 4,6 Prozent. Dies war der größte Tagesverlust seit August 2011. Auch die anderen US-Indizes gerieten stark unter die Räder und rissen weitere Börsenplätze mit in die Tiefe. Die positive Kursentwicklung der ersten Handelswochen fand damit ein jähes Ende.
Konjunkturdaten so stark sind wie seit langem nicht mehr
Paradoxerweise findet diese Korrektur zu einem Zeitpunkt statt, in dem die globalen Konjunkturdaten so stark sind wie seit langem nicht mehr. Die US-Wirtschaft wächst mit rund drei Prozent, die Eurozone mit einer Rate von 2,5 Prozent, Japan mit zwei Prozent, und auch in fast allen Schwellenländern haben sich die Wirtschaftsdaten zuletzt kontinuierlich verbessert. Unser Warburg-Konjunktur-zyklusmodell liegt bei Werten von über 90 Prozent und signalisiert damit, dass die Voraussetzungen für höhere Aktienkurse weiterhin gegeben sind. Mit anderen Worten: Die Börsenampel steht immer noch auf grün. Die derzeitige Kursschwäche hat unseres Erachtens nach somit nichts mit den fundamentalen Rahmendaten zu tun. Auch auf der Unternehmensseite sieht es gut aus. So ist der bisherige Verlauf der Berichtssaison in den USA mehr als zufriedenstellend: 80 Prozent der berichtenden Unternehmen haben sowohl die Gewinn- als auch die Umsatzerwartungen übertroffen.
Sorge der Anleger vor einer Rückkehr der Inflation
Die auf den ersten Blick plausibelste Erklärung für die aktuelle Kursentwicklung liefert die Sorge der Anleger vor einer Rückkehr der Inflation. Dies könnte die Notenbanken, insbesondere die US Federal Reserve, zu einer restriktiveren Geldpolitik zwingen als bislang angenommen. So begann der Ausverkauf am vergangenen Freitag nach einem guten US-Arbeitsmarktbericht, der einen stärker als erwarteten Anstieg der Stundenlöhne zeigte. Diese lagen im Januar um 2,9 Prozent über ihrem Vorjahreswert. Dies bedeutet allerdings nicht, dass daraus automatisch ein stärkerer Preisauftrieb resultiert. Der wäre vor allem dann zu erwarten, wenn die verfügbaren Einkommen der Verbraucher nachhaltig ansteigen würden, da in diesem Fall –theoretisch – die Güternachfrage das Angebot übersteigen könnte. Im Januar sind zwar die Stundenlöhne gestiegen, die Zahl der gearbeiteten Wochenstunden ist jedoch gesunken, sodass sich in den Portemonnaies der Verbraucher insgesamt nur wenig tun dürfte. Da der stärkere Anstieg der Stundenlöhne bislang nur in einigen wenigen Branchen zu beobachten ist, halten wir die Inflationssorgen für übertrieben.
Zudem ist der Zusammenhang zwischen der Lohnentwicklung und der Inflationsrate in den USA in den vergangenen Jahren nicht besonders eng gewesen. Der für die US-Notenbank entscheidende Inflationsindikator, die Jahresveränderungsrate des Personal Consumption Expenditure (PCE) Index, lag im Dezember 2017 bei 1,7 Prozent. Die sogenannte Kernrate (ohne Energie- und Nahrungsmittelpreise) betrug sogar nur 1,5 Prozent. Bei über zwei Prozent lag diese Inflationsgröße zuletzt im Jahr 2012, Werte von mehr als drei Prozent wurden zuletzt vor 25 Jahren erreicht. Auch die Vermutung, dass die gute globale Konjunktursituation zwangsläufig zu höheren Inflationsraten führen muss, lässt sich im Moment nicht belegen. So ist die durchschnittliche Inflationsrate von fast 70 Ländern seit dem Frühjahr 2017 von 2,9 Prozent auf zuletzt 2,5 Prozent gesunken. Auch in den USA zeigen die verschiedenen Preisstatistiken einen Rückgang der Inflation seit dem vergangenen Frühjahr.
Dennoch ist die Rendite für 10-jährige US-Treasuries seit Mitte Dezember 2017 von 2,35 auf 2,85 Prozent angestiegen. Auch andere Staatsanleihen verzeichneten in diesem Zeitraum Kursverluste, so ist beispielsweise die Rendite für 10-jährige Bundesanleihen von 0,30 auf fast 0,80 Prozent angestiegen. Diese Entwicklung könnte die Annahme widerspiegeln, dass sich die Zeit der global expansiven Geldpolitik langsam ihrem Ende nähert. Für die USA erwarten einige Marktteilnehmer mittlerweile, dass die Fed die Zinsen nicht nur – wie angekündigt – drei Mal in diesem Jahr erhöhen wird, sondern vielleicht sogar vier Mal. Der Blick auf die Fed Funds Futures zeigt allerdings auch, dass dies keineswegs die Mehrheitsmeinung des Marktes ist und sich die Einschätzungen zuletzt kaum verändert haben: fast 50 Prozent der Marktteilnehmer rechnen mit weniger als drei Zinserhöhungen, gut 30 Prozent erwarten drei Zinsschritte, und weniger als 20 Prozent gehen von mehr als drei Zinserhöhungen aus.
Plötzlicher Renditeanstieg am Rentenmarkt auch in den letzten Jahren immer wieder beobachtbar
Wirft man einen Blick auf den US-amerikanischen Rentenmarkt, so zeigt sich, dass es seit dem Jahr 2000 in fast jedem Jahr Phasen gegeben hat, in denen die Renditen innerhalb einer relativ kurzen Zeitspanne von 60 Handelstagen um 40 Basispunkte oder mehr angestiegen sind. Nur in den Jahren 2000, 2008, und 2014 war eine solche Entwicklung nicht zu beobachten. Unsere Untersuchungen zeigen zudem, dass es seit dem Jahr 2008 fünf Phasen gab, in denen die Renditen über mehrere Wochen hinweg besonders deutlich angestiegen sind. Dies war zum Beispiel nach dem Beginn der QE-Programme in den USA in den Jahren 2009 und 2011 der Fall oder auch im Mai 2013, nachdem Ben Bernanke das sogenannten „Taper Tantrum“ verursachte. Im Mai 2015 stiegen die Renditen vor allem in der Eurozone kräftig an, nachdem China einen Teil seiner Anleihenbestände veräußerte. Und schließlich kam es nach der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten zu steigenden Renditen.
Im Durchschnitt stieg die Rendite für 10-jährige US-Treasuries während dieser fünf Phasen um gut 100 Basispunkte, die Rendite von 10-jährigen Bundesanliehen legte um rund 70 Basispunkte zu. Und wie reagierten die Aktienmärkte auf die steigenden Renditen? Sowohl der DAX als auch der S&P 500 legten im Durchschnitt dieser Zeiträume um rund sechs Prozent zu. Eine Ausnahme stellt der Renditeanstieg aus dem Jahr 2015 dar: Der DAX verlor in den ersten 100 Tagen nach dem Beginn des Ausverkaufs am Rentenmarkt gut fünf Prozent an Wert. Das lag aber vor allem an zwei exogenen Schocks, die zu einer Verschlechterung der fundamentalen Rahmenbedingungen führten: zum einen an der Abwertung der chinesischen Währung, zum anderen am VW-Dieselskandal.
Die „im Normalfall“ positive Reaktion des Aktienmarktes auf steigende Zinsen ist wenig verwunderlich, schließlich sind steigende Renditen fast immer auf ein verbessertes wirtschaftliches Umfeld zurückzuführen. Statt Angst vor einer weniger expansiven Geldpolitik zu haben, sollte man sich eigentlich darüber freuen. Denn dies ist ein Signal dafür, dass die Weltwirtschaft langsam zur Normalität zurückkehrt. Da der ein oder andere aber vielleicht schon gar nicht mehr weiß, wodurch sich diese Normalität auszeichnet, mag diese Übergangsphase der Geldpolitik holprig verlaufen. Schließlich neigen Aktienmärkte zum Überschießen, und mancher Anleger lässt sich mehr von Angst und Gier leiten als von kühler Ratio.
Prozess der Normalisierung der Geldpolitik wird sehr behutsam vonstatten gehen
Zur Beruhigung der Heißsporne am Aktienmarkt lässt sich aber sagen, dass der Prozess der Normalisierung der Geldpolitik sehr behutsam vonstattengehen wird. Der neue Fed-Präsidenten Jerome Powell wird keine grundsätzlich andere Geldpolitik betreiben als seine Vorgängerin Janet Yellen. Und weder in der Eurozone, noch in Japan ist eine schnelle Abkehr von der Politik der quantitativen Lockerung in Sicht – und dies wäre eine notwendige Voraussetzung dafür, dass auch diese Notenbanken die Zinsen erhöhen. Der Gouverneur der Bank of Japan, Haruhiko Kouroda, hat in dieser Woche nochmals betont, dass es viel zu früh sei, über eine Abkehr von der lockeren Geldpolitik nachzudenken. Schließlich läge die Inflationsrate mit weniger als einem Prozent immer noch deutlich unter der Zielmarke von zwei Prozent. Ähnlich klingt es bei der Europäischen Zentralbank. Deren Chefvolkswirt Peter Praet hat heute nochmals betont, dass die derzeitige Unsicherheit für den Inflationsausblick noch viel zu hoch sei, um weitere Anpassungen an der Geldpolitik vorzunehmen.
Die aktuelle Korrektur scheint nicht der Vorbote einer länger anhaltenden Abwärtsphase zu sein
Alles in allem erscheint uns die aktuelle Korrektur nicht der Vorbote einer länger anhaltenden Abwärtsphase zu sein. Da der S&P 500 mittlerweile seit mehr als 15 Monate in Folge nicht mehr gesunken ist, sind es viele Anleger gar nicht mehr gewohnt, dass Kurse auch fallen können, sodass sich die derzeitige Entwicklung ungemütlicher anfühlt als sie es ist. Die lange zu beobachtende rekordniedrige Volatilität (nicht nur am Aktienmarkt, sondern auch in vielen anderen Marktsegmenten) war und ist sicherlich kein Dauerzustand, zumal die Luft für positiv überraschende Konjunkturdaten gefühlt dünner wird. Durch den Kursrutsch der vergangenen Tage ist die Bewertung der Aktienmärkte wieder gesunken. Der S&P 500 ist auf Basis der Gewinnerwartungen für die kommenden 12 Monate nun mit einem KGV von 17,4 bewertet, das ist der niedrigste Wert der vergangenen 12 Monate. Das DAX-KGV liegt sogar nur bei 12,6. Die allgemeine Aussage „Aktien sind (zu) teuer geworden“ stimmt so also nicht – das Gegenteil ist der Fall. Auch dies sollte dazu beitragen, dass sich der Ausverkauf nicht weiter fortsetzt.
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