US-Börsen: Kein Ende der Rekordjagd in Sicht

Die USA bleiben das Land der Rekorde. Die Indizes S&P 500, Dow Jones und Nasdaq steigen rasant, während  vor allem die europäischen Indizes Stoxx Europe 50 und Euro Stoxx 50 hinterherhinken. Worauf ist die gute Wertentwicklung insbesondere der US-Aktienmärkte zurückzuführen und welche Schlussfolgerungen ergeben sich daraus für die kommenden Monate? Börsenexperte und Chefvolkswirt Carsten Klude gibt Antworten.

Ende August 2018 feierte der S&P 500 den zeitlich längsten Anstieg seiner Geschichte: Seit dem Tiefpunkt, der am 9. März 2009 markiert wurde, ist der Index ohne eine Korrektur von 20 Prozent über mittlerweile mehr als 3.450 Kalendertage angestiegen. Damit wurde der bisherige Rekord, der zwischen den Jahren 1990 und 2000 aufgestellt wurde, übertroffen. In diesem Zeitraum hat der S&P 500 mehr als 320 Prozent an Wert gewonnen, der Dow Jones 30 konnte fast 300 Prozent an Wert zulegen (jeweils in US-Dollar). Noch besser schlugen sich die Aktien kleinerer US-Firmen, die der Aktienindex Russell 2000 abbildet und die einen Wertzuwachs von mehr als 400 Prozent erzielt haben. Die „Königin“ unter den US-Indizes ist aber eindeutig die Technologiebörse Nasdaq, die mit einem Plus von über 500 Prozent seit März 2009 die meisten anderen bekannten Aktienindizes weit in den Schatten stellt.

Stoxx Europe 50, Euro Stoxx 50 und DAX 30: Europäische Indizes im Vergleich

Im internationalen Vergleich ist der „US-Bulle“ mit Abstand am schnellsten gelaufen. Vor allem die europäischen Indizes Stoxx Europe 50 und Euro Stoxx 50 konnten in den vergangenen neuneinhalb Jahren nur um vergleichsweise bescheidene 90 Prozent zulegen. Besser schlugen sich dagegen deutsche Aktien im DAX 30, die immerhin einen Zuwachs von 240 Prozent schafften. Wer sich in Deutschland in die zweite Reihe der börsennotierten Unternehmen wagte und damals in den MDAX investierte, hat mit einem Plus von gut 550 Prozent sogar die US-Techwerte knapp hinter sich gelassen!

Überraschende Entwicklung des S&P 500

Auch wenn der gesamte Wertzuwachs des S&P 500 in diesem Zyklus (bislang) hinter der Entwicklung der 1990er Jahre zurückbleibt, hätten wohl die Wenigsten im März 2009 eine derart lange Aufschwungphase erwartet. Denn damals befanden sich die Weltwirtschaft und das globale Finanzsystem aufgrund des Platzens der US-Immobilienblase und der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 in einer äußerst prekären Lage.

Vor allem dem beherzten Eingreifen der US-amerikanischen Notenbank und ihrer unkonventionellen Geldpolitik war es zu verdanken, dass die Konjunktur wieder Tritt fasste und sich die Aktienmärkte erholten. Allerdings verlief der Weg bis zum Erreichen der neuen Rekordmarke keineswegs linear. So sorgte die nach der Krise sprunghaft angestiegene Staatsverschuldung im August 2011 fast für ein Ende des Bullenmarktes, nachdem die Ratingagentur Standard & Poor’s die Kreditwürdigkeit der USA zurückstufte. Der S&P 500 verlor zunächst kräftig an Wert, konnte sich aber in der Folgezeit wieder erholen. Auch zwischen Sommer 2015 und Anfang 2016 kam Sand ins Getriebe des Aktienmarktaufschwungs, nachdem China seine Währung abwertete und der Ölpreis sowie andere Rohstoffpreise unter Druck gerieten. Doch auch diese Schwächephase stellte nur eine kurze Episode dar.

Ursachenforschung: Deshalb gewannen die US-Aktienmärkte an Wert

Worauf ist die gute Wertentwicklung insbesondere der US-Aktienmärkte zurückzuführen und welche Schlussfolgerungen ergeben sich daraus für die kommenden Monate? Der wichtigste Faktor für die Kursentwicklung sind die Unternehmensgewinne. Dank der im Vergleich zu Europa stärkeren Konjunkturerholung in den USA haben sich die Gewinne der US-Unternehmen seit 2009 wesentlich besser entwickelt. So sind die Gewinne der im gesamteuropäischen Stoxx Europe 600 vertretenen Unternehmen heute nur unwesentlich höher als im Jahr 2009.

Besser sieht es dagegen bei den DAX- und vor allem den MDAX-Unternehmen aus. Hierin spiegelt sich der stärkere wirtschaftliche Aufschwung in Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern sowie die höhere Profitabilität vor allem der kleineren und mittleren Firmen wider. Lange Zeit konnten die MDAX-Unternehmen bei der Gewinnentwicklung sogar mit den US-Technologiewerten Schritt halten, dies hat sich erst in diesem Jahr aufgrund der besseren wirtschaftlichen Situation in den USA und den positiven Effekten aus der Steuerreform geändert.

Gewinner Branchen: Automobil, Konsum, Technologie und Reise & Freizeit

Von den 19 verschiedenen Branchen im Stoxx Europe 600 konnte nur der Automobilsektor sein Gewinnniveau deutlich steigern. Die Branchen Konsumgüter (Personal & Household Goods), Technologie und Reise & Freizeit konnten ihre Erträge ausgehend von einem niedrigen Niveau immerhin etwas mehr als verdoppeln.

Dagegen liegen die Gewinne in den Sektoren Versorger, Telekommunikation, Banken sowie Öl & Gas auch fast zehn Jahre nach der großen Krise immer noch unter dem Niveau des Frühjahrs 2009. Im S&P 500 weisen dagegen alle elf Sektoren ein höheres Gewinnniveau auf. Mehr als verdreifacht haben sich die Erträge im Sektor Consumer Discretionaries (vor allem dank Amazon und Netflix), fast verdreifacht haben sie sich im Technologiesektor. Im Unterschied zu Europa sind vor allem die Gewinne der US-Finanzunternehmen heute deutlich höher als vor der Krise, aber auch Telekommunternehmen, Versorger und Energieunternehmen verdienen mehr als im März 2009.

Entwicklung US-Börsen: Die Vereinigten Staaten profitieren aktuell

Die fundamentalen Rahmenbedingungen sprechen dafür, dass die US-Börsen auch in nächster Zeit eine bessere Wertentwicklung aufweisen werden als viele andere Aktienmärkte. Unter den Unsicherheiten aufgrund der von US-Präsident Trump angefachten Handelsstreitigkeiten leiden Europa, Japan und die Schwellenländer deutlich stärker als die USA. Konsumenten und Unternehmen in den Vereinigten Staaten profitieren von den Effekten der Steuerreform, den höheren Staatsausgaben (z.B. für Verteidigung) und der Deregulierung, sodass das Wirtschaftswachstum auch in den kommenden Quartalen bei mindestens drei Prozent und damit deutlich höher als in den meisten anderen Ländern liegen sollte.

Die wirtschaftliche Stärke der USA wird dazu führen, dass die Unternehmensgewinne auch in den nächsten Quartalen überproportional zulegen. Nach Steigerungsraten von 25 Prozent im ersten Halbjahr 2018 dürfte sich das Gewinnwachstum in der zweiten Jahreshälfte nur leicht Richtung 20 Prozent verlangsamen; dabei entfällt rund die Hälfte des Zuwachses auf die niedrigeren Steuern. Für nächstes Jahr wird ein weiteres Gewinn-Plus von rund zehn Prozent erwartet, wobei die Gewinnerwartungen bis zuletzt nach oben revidiert wurden.

US-Aktienmärkte: Einsteigen, abwarten oder aussteigen?

Im Unterschied zu den USA wurden die Gewinnerwartungen für die europäischen Unternehmen für dieses Jahr dagegen etwas zurückgeschraubt; die Zuwachsraten gegenüber dem Vorjahr dürften bei etwa fünf Prozent liegen. Trotz der Tatsache, dass US-Aktien höher bewertet sind als europäische Dividendentitel tendieren wir dazu, den Fokus dennoch auf die USA zu richten. Die höhere Bewertung der US-Aktien dürfte erst dann zu einem Problem werden, wenn die US-Unternehmen ihre Gewinne nicht mehr wie erwartet steigern können. Solange die Konjunktur mitspielt, dürfte dieses Risiko aber gering sein.

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Bildnachweis: ©Bastos / fotolia.de

Autor: Carsten Klude

Carsten Klude studierte nach seiner Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Deutschen Bank VWL mit Schwerpunkt Ökonometrie in Kiel. 1996 kam er zu M.M.Warburg & CO, für die er zunächst die europäischen Kapitalmärkte analysierte und später mit der Leitung des Makro-Research betraut wurde. Seit dem Jahr 2009 ist Herr Klude Mitglied im Investmentrat von M.M.Warburg & CO und verantwortet seit dem Sommer 2013 das Asset Management der Bank. Zusätzlich ist Herr Klude seit dem Jahr 2010 Mitglied im Ausschuss für Wirtschafts- und Währungspolitik des Bundesverbandes deutscher Banken e.V., dessen Vorsitz er von 2015 bis 2018 inne hatte.

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